Erfahrung mit Zeitzeugen-Gesprächen?

Bei uns in der Lokalzeitung habe ich zur Ausnahme heute mal einen recht interessanten Beitrag gefunden. In dem Artikel wurde unter anderem auf ein bald stattfindendes Ereignis bei uns in der Stadthalle hingewiesen. Hierbei handelt es sich um ein Zeitzeugen-Interview mit anschließendem Gespräch mit überlebenden aus der Zeit des Nationalsozialismus. Hierbei wurden mehrere Menschen, die damals direkt in unserer Stadt unter dem Terror gelitten haben eingeladen, welche dort einen kleinen Vortrag über ihre Lebensgeschichten halten werden.

Ich selbst finde so etwas sehr interessant, auch da dies in diesem Fall eben lokale Zeitzeugen sind, die schon damals in meiner Heimatstadt gelebt haben. Bereits in der Schule hatten wir mal einen Zeitzeugen aus dieser Zeit zu Besuch geladen und ein sehr interessantes Gespräch geführt. Man kann zwar immer sehr viel aus Büchern lernen, aber wenn man direkt aus erster Hand hört, was die Menschen durchgemacht haben und was für Geschichten diese mit sich tragen, finde ich dies noch wesentlich greifbarer. Viele Menschen dieser Generation die das Bedürfnis haben, sich über die damalige Zeit auszudrücken bekommen häufig ja auch gar keine Gelegenheit darüber zu sprechen, was ich persönlich auch sehr schade finde. Davon mal abgesehen gehöre ich wohl zur letzten Generation derjenigen, die noch von solchen Zeitzeugen-Gesprächen profitieren können. In wenigen Jahren wird die Generation, die alles noch miterlebt hat wohl "ausgestorben" sein.

Wie findet ihr solche Angebote? Habt ihr schon mal an einem Zeitzeugen-Gespräch teilgenommen? Hat es euch mehr gebracht als das lesen eines Buches? Um Zeitzeugen aus welcher "Epoche" hat es sich dabei gehandelt? Was waren die interessantesten Dinge, die ihr durch diese Gespräche erfahren habt?

Ich muss sagen, dass ich derartige Zeitzeugen-Interviews zwar auch immer sehr ergreifend und emotional finde, aber eben nicht sonderlich informativ. Das klingt mitunter eben auch ein bisschen egoistisch und nicht sonderlich feinfühlig, aber die Meinungen dieser Menschen sind und bleiben eben subjektiv und daher kann man auch nicht sonderlich viel von dem Gesamtbild der damaligen Zeit einfangen. Ich selbst habe mich zu Schulzeiten sehr intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus auseinander gesetzt. Es war bei uns nun mal so, dass wir das Thema bei einem Lehrer leider auch etwas vernachlässigt hatten und daher habe ich mich selbst ein bisschen dafür interessiert, wobei wir aber in den nachfolgenden Jahren noch einen anderen Geschichtslehrer bekamen, der sich intensiver mit dem Thema befasste.

Während dieser Zeit hat man dann so manche Lektüre zu diesem Thema gelesen und so manchen Spielfilm oder Dokumentationen gesehen. Ich selbst war auch in Auschwitz. Zeitzeugen konnte man sich teilweise in vielen der Dokumentationen anhören, aber an sich hatten wir natürlich auch einen Zeitzeugen eingeladen und ich selbst kannte durch meine Verwandten auch zwei Zeitzeugen, mit denen ich mich mal unterhalten habe. Natürlich waren die Erzählungen und Berichte sehr ergreifend und man konnte diese Zeit nicht nur aus der politischen Sicht betrachten, sondern eben auch direkt aus der Sicht eines Menschen, man darf dabei aber eben nicht vergessen, dass jeder Mensch das anders empfindet und dass diese Berichte einem nicht als Informationsgrundlage dienen sollten.

Praktisch finde ich diese Interviews daher sicherlich als Ergänzung, denn teilweise bleibt Schülern dieses Thema einfach sehr fern, sie lernen das Thema oder lesen es sich durch, können aber nicht ganz nachvollziehen, was damals wirklich passiert ist, weil sie sich nicht in die Lage der Menschen damals versetzen können und es meistens auch gar nicht wollen. So ein Zeitzeugen-Interview zeigt einem einfach, dass das Thema noch gar nicht so lange her ist, an sich immer noch präsent ist und man es nicht unterschätzen sollte. Konnte sich jemand nichts unter dem Leid der Menschen vorstellen, so kann er das nach einem solchen Zeitzeugen-Interview sicherlich.

Ich finde solche Zeitzeugenberichte immer sehr spannend und habe bislang auch nur positive Erfahrungen damit gemacht. Auf einer richtigen Veranstaltung dazu war ich nie, aber ich denke, dass es sicherlich interessant gestaltet ist. Bei uns war ein älterer Herr in der Klasse, der in jungen Jahren als Soldat zur zeit des Nationalsozialismus gedient hat und später auch noch zwei weitere Frauen, die eine war eine Vertriebene und die andere ein Opfer des Nationalsozialismus.

Gerade im Fall des älteren Herren fand ich das Gespräch sehr ergreifend. Er schilderte, was er damals zu Gesicht bekam und wie er sich hatte blenden lassen. Er wollte damals freiwillig dem Nationalsozialismus helfen und seinem Land dienen. Er musste in seinen bis dato jungen Leben viel sehen und hat das auch sehr ergreifend beschrieben.

Ich denke, dass es für uns gerade in der Phase, in der wir damals waren sehr wichtig war, dass wir es nicht nur lesen, sondern auch ein mal hören und sehen. Unsere Lehrerin hat sich damit damals sehr viel Mühe gegeben und ihr lag das Thema sehr am Herz. Meiner Meinung nach gibt so ein Zeitzeugenbericht viele wichtige Informationen, denn jeder hat ein Leben, und wenn man so viel zu erzählen hat, bekommt man ganz nebenbei viele wichtige Informationen. Natürlich reicht ein Zeitzeugenbericht nicht, als alleinige Bildungsmaßnahme, aber mit dem Hintergrundwissen, kann er einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Ich lese gerne Bücher, auch gerne Zeitzeugenberichte, allerdings ist mir ein echter Mensch in solchen Situationen immer lieber. In einem Buch bekommt man nicht die Emotionen so mit, wie wenn ein Mensch vor einem steht. Man erfährt auch nicht alle Sachen, man bekommt nicht alle Fragen beantwortet. Ich finde solche Angebote echt klasse und man sollte sie nutzen.