Ausziehen aus dem Elternhaus - Erleichterung oder Trauer?

vom 31.08.2012, 08:41 Uhr

Trauer ist in diesem Zusammenhang vielleicht kein glücklich gewählter Ausdruck, es geht eben einfach um Melancholie, das Vermissen der Eltern und des Zimmers, welches man vielleicht auch schon als Kind bewohnt hat. Ich selbst werde jetzt in den nächsten Wochen ausziehen, weil ich studieren möchte und da bietet es sich eben an, sich eine Wohnung in der Nähe der Universität zu suchen, weil diese einige Stunden von meinem Elternhaus entfernt ist. In den letzten Tagen habe ich schon einige Kartons gepackt und da ist mir schon ein bisschen mulmig bei geworden. Das Zimmer und die Sachen die sich hier angesammelt haben, habe ich auch schon seit Jahren so und jetzt kommt alles raus und das Zimmer wird verlassen.

Ich denke, für mich wäre es sogar noch viel schlimmer, wenn meine Eltern kein Haus gekauft hätten und wir noch in der Wohnung leben würden, in der ich aufgewachsen bin. An dem Kinderzimmer hängen schließlich dann doch sehr viele Erinnerungen, die man nicht so einfach loswerden kann. Aber auch so ist es für mich schlimm genug, weil ich gute Erinnerungen, an mein Zimmer habe und generell an das ganze Haus, die schönen Sommer hier, die Winter in denen wir eingeschneit waren und nicht zur Schule konnten. Auch die Renovierungsarbeiten, als wir das Haus gekauft haben, sind mir noch gut in Erinnerung.

Auch werde ich Eltern und Bruder vermissen. Mit meiner Mutter habe ich vor allem abends viel Zeit verbracht (meine Eltern sind beide Vollberufstätig) und wir hatten auch einige gemeinsame Interessen, haben beispielsweise am Wochenende Zeit miteinander verbracht. Zu meinem Vater habe ich auch eine gute Bindung und mein Bruder war an sich auch immer da, wenn man ihn gebraucht hat. Ich habe mich in dem Haus und bei meiner Familie daher immer sehr wohl gefühlt. Auch dass wir sehr ländlich wohnen, hat mir immer gefallen, zumal unsere Studentenwohnung auch sehr ländlich liegt und nicht im Zentrum.

Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich auch, endlich in die eigenen vier Wände zu ziehen, denn wenn es um das Studium geht, hat man hier sicherlich mehr Ruhe, als zu Hause. Es hat mich zwar nie wirklich gestört, aber teilweise war es zu Hause dann eben auch stressig, alles miteinander zu vereinen, weil ich vielleicht nicht lernen konnte, wenn ich nachmittags weg war und abends dann habe ich meistens Zeit mit meiner Mutter verbracht, so kam es manchmal dazu, dass ich andere Dinge dann etwas gestresst aufholen musste.

In der neuen Wohnung werde ich einiges mehr an Ruhe haben. Wir hatten zwar im Haus eine Haushaltshilfe, dennoch war das Haus und der Garten einiges arbeitsaufwendiger, als unsere neue Dreizimmerwohnung. Zeit für das Studium, wie auch für mich selbst, werde ich also ausreichend haben. Auch kann ich dann mehr Zeit mit meinem Freund verbringen, der näher an meiner Universitätsstadt, denn an meinem Elternhaus wohnt.

Von Freunden habe ich es bisher auch schon erlebt, dass einige sehr erleichtert waren, von zu Hause auszuziehen. Wieso, dass weiß ich nicht genau, teilweise war es vielleicht der teenagertypische Trotz und Wunsch nach Selbstständigkeit, teilweise aber waren einige auch von Geschwistern oder Eltern genervt und einige gaben als Grund auch an, sie wollten endlich aus dem ''Kaff'' raus. Mich würde nun interessieren, wie das bei euch gewesen ist. Welche Gefühle haben bei eurem Auszug aus dem Elternhaus dominiert? Wart ihr eher froh und erleichtert oder fandet ihr es auch traurig?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Bei mir gab es so an sich keinen direkten Auszug. Das Ganze ist eher schleichend passiert. Ich wollte nur für einige Zeit mit zu meinem Freund und dann irgendwann in mein Elternhaus zurück. Denn anfangs wohnte mein Freund auch noch bei seinen Eltern und haben dann quasi sein Kinderzimmer geteilt. Dann wurde in der Nähe aber eine Wohnung frei und wir hatten zu dem Zeitpunkt auch das nötige Geld dafür. So haben wir uns dann entschlossen, dort einzuziehen.

Es war für mich dann schon irgendwie doppelt komisch. Einmal meine restlichen Sachen von meinen Eltern abzuholen und dann auch bei den Eltern meines Freundes auszuziehen, die eben wie eine zweite Familie geworden waren. Ein bisschen traurig war ich schon. Naja, traurig ist vielleicht das falsche Wort. Eher nervös und aufgeregt und auch etwas unsicher, ob wir eben alles alleine hinbekommen. Damals haben wir aber im Haus neben meinen Schwiegereltern in einer Wohnung gewohnt. So, dass wir immer direkt nebenan waren und trotzdem noch viel Zeit zusammen verbracht haben. Aus dem Ort haben wir es auch nie heraus geschafft. :lol: Natürlich denkt man auch noch öfter mal an die Zeit im Elternhaus zurück, wie es eben war, sein eigenes Zimmer zu haben. Aber nun wo ich meinen eigenen Haushalt habe, würde ich gar nicht mehr mit meinen Eltern zusammen wohnen wollen. Ich denke, dass es dann früher oder später zu Streit führen würde. Weil ja doch jeder andere Ansichten von Haushalt führen hat.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Die "Trauer" oder "Erleichterung" gibt sich, wenn man so einen "Auszug" wie du ihn dir vorstellst genauer ansieht. Und dann kann man auch zum Schluss kommen, dass es im Grunde gar kein Auszug ist, sondern du nur dein "Kinderzimmer" verlegst. Ich mag hier eine eher "altmodische" Sicht der Dinge haben, aber bei deiner Beschreibung hier steht jetzt nur, dass du zum Studienort ziehst und in der neuen "eigenen" Wohnung mehr Zeit für dich und für das Lernen hast, mehr Zeit mit dem Freund verbringst und so weiter.

Wie du aber dein Leben nach dem Auszug finanzierst, steht hier nicht! Und sofern hier die Eltern im Hintergrund stehen, ist es eben definitiv kein Auszug! Auch dann nicht, wenn du dir dein Leben über einen Kredit oder ähnliches finanzierst. Denn du kannst erst dann von einem eigenständigen Auszug sprechen, wenn du die Miete selbst einbringst, selbst für die Lebensmittel aufkommst und auch selbst die Handy-Rechnung bezahlst. Alles andere ist Augenwischerei - fast schon Selbstbetrug. Denn für dich ändert sich hinsichtlich des Abhängigkeitsverhältnisses nichts. Außer das du weiter weg wohnst. Da dann allein die finanzielle Abhängigkeit bleibt, bleibt auch die Verbindung "nach Hause". Du müsstest hier also nicht "traurig" sein. Eher glücklich, dass deine Eltern dir die Kinderzimmerverlegung ermöglichen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich habe eine Fernbeziehung geführt und irgendwann stand dann für mich fest, dass ich das einfach nicht mehr möchte und das ich einfach zu meinem Partner ziehen wollte. Wir haben das beide eigentlich gleich besprochen und daher war es zwar klar, das es passiert, aber das, wann war, noch so eine Frage, da ich noch eine Ausbildung machen sollte. Diese habe ich abgebrochen und dann einfach in meinem jetzigen Wohnungsort weitergemacht.

Der Abschied von meinen Eltern und der elterlichen Wohnung fiel mir eigentlich leicht. Ich hatte das Alter zum Ausziehen erreicht und wollte auch nicht mehr von meinen Eltern abhängig sein, zumal mir diese immer wieder lieb gemeinte aber doch nervige Ratschläge gegeben haben. Kurzum wir sind uns schon irgendwie auf die Nerven gegangen. Dazu kam, dass meine Eltern in einer wirklich kleinen Stadt wohnen und ich einfach keinen Spaß mehr in diesem Ort hatte, weil man eben auch nichts machen konnte.

Ich bin der Meinung, dass man eben irgendwann das Alter hat und ausziehen sollte und dann startet man eben in ein neues Leben. Man sollte das Ganze nicht mit Trauer oder Melancholie betrachten, denn man verliert sein Elternhaus ja nicht, sondern zieht einfach nur aus. Die Eltern sind ja trotz Auszug immer noch greifbar und man kann sie jederzeit besuchen. Meine Eltern haben mein Zimmer so gelassen und daher kann ich sie auch immer besuchen und habe mein altes Zimmer. Ich finde das eigentlich ganz gut.

Der Auszug hat mir persönlich viel gebracht. Ich habe mein eigenes Leben gestartet und verstehe mich nun auch wieder viel besser mit meinen Eltern. Man kann eben auch nicht das ganze Leben bei seinen Eltern verbringen, sonst verpasst man einiges im Leben.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich hatte immer schon ein wahnsinnig gutes Verhältnis zu meiner Mutter und daher war eigentlich auch klar, dass ich zuhause wohnen bleiben werde, bis mein Studium beendet ist. Das hatte nicht nur finanzielle Gründe - ich habe mich in meinem Elternhaus auch einfach wahnsinnig wohl gefühlt. Dann habe ich allerdings meinen ersten Freund kennengelernt und da er Probleme mit seinen Eltern hatte, habe ich recht früh die Entscheidung gefällt, mit ihm eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Meine Mutter war davon natürlich nicht wirklich begeistert, weil ich auch noch nicht so lange mit dem Jungen zusammen war, aber sie hat mir dann auch keine Steine in den weg gelegt und mich sogar noch bei der Wohnungssuche unterstützt. Auf sie kann ich mich eben immer verlassen.

Die Beziehung ging allerdings schon zwei Monate nach meinem Auszug wieder in die Brüche. Trotzdem wollte ich nicht mehr in mein Elternhaus zurück, denn irgendwie hätte sich das komisch angefühlt. Ich wollte dann auf eigenen Beinen stehen und habe es dann auch geschafft. Ich wusste aber, dass ich jederzeit zurückkehren könnte, falls es doch Probleme gegeben hätte. Ich fand es zuhause immer sehr schön und es war auch seltsam, als ich meine Sachen gepackt hatte und ausgezogen bin, aber ich bin ja nur in einem anderen Stadtteil gezogen und habe meine Mutter wirklich sehr regelmäßig gesehen. Ich finde es auch wichtig, ab einem gewissen Alter auf eigenen Beinen zu stehen. Für mich wäre es beispielsweise nie in Frage gekommen, mit 30 Jahren noch bei meiner Mama zu wohnen, auch wenn wir uns super verstanden haben. Ein bisschen traurig war ich schon, aber ich habe mich auch auf mein eigenständiges Leben gefreut.

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» MeL.G » Beiträge: 4918 » Talkpoints: 16,81 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Für mein Praktikum musste ich vor einem Jahr über 300km wegziehen. Meine dortige Wohnung war voll ausgestattet, sodass mein Vater und ich nur das Auto mit meinen Sachen vollladen mussten und weggefahren konnten. Es ging alles viel zu schnell und ich hatte überhaupt keine Zeit mich vorzubereiten. Ich habe vorher noch nie alleine gewohnt und der Gedanke, dass ich nicht einmal jede Woche nach Hause kommen konnte, war schrecklich. Auf der Hinfahrt war ich sehr traurig. Als wir da waren, habe ich mich ein bisschen beruhigt. Ich habe zuvor die Wohnung nur auf Fotos gesehen und musste erst einmal die neuen Eindrücke verarbeiten.

Am Anfang habe ich mich abends immer ziemlich mies gefühlt. Ich musste jeden Tag mit meinen Eltern telefonieren, um mich zu vergewissern, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Ansonsten gewöhnt man sich sehr schnell an das Allein sein. Ich bin im Gegensatz zu meinen Eltern sehr chaotisch und konnte das endlich ausleben. Ich war nicht mehr gezwungen, jeden Tag Staub zu saugen und konnte meine Klamotten je nach Laune auf dem Boden liegen lassen. Geschirr habe ich manchmal 4 Tage nicht abgespült, bis es selbst mir irgendwann zu eklig wurde. Ich hatte kein Problem, mich selbst zu versorgen – sprich einkaufen, für mich zu kochen, meine Wäsche zu waschen und anschließend zu bügeln. Diese Sachen habe ich sowieso schon immer gemacht.

Die schöne Seite war auch, dass ich weggehen konnte, erst am nächsten Tag mittags heimgekommen konnte und das keinem erklären musste. Ich konnte am Wochenende schlafen oder nach der Arbeit ein Mittagsschläfchen machen, ohne dass mich meine laute Familie aufgeweckt hat. Ich habe mich einfach nur frei gefühlt.

Mein Praktikum dauerte nur 6 Monate und ich konnte mir damals nicht vorstellen, je wieder daheim einzuziehen. Jetzt wohne ich wieder daheim und mir kommt es so vor, als hätte ich nie alleine gewohnt. Das heißt, dass ich das auch nicht wirklich vermisse.

Für jeden ist die Situation anders und bestimmt abhängig von verschiedenen Faktoren. Derjenige, der sich Zeit lässt, um nach und nach umzuziehen und vielleicht noch in der gleichen Stadt wohnt wie Mama und Papa, wird sicher nicht so traurig sein, wie ich das am Anfang war.

» Märie » Beiträge: 459 » Talkpoints: 15,45 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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