Lernen durch Lehren
Jeder hat wohl schon einmal die Erfahrung gemacht. dass man Dinge erst verstanden hat, nachdem man sie anderen erklären musste. Mit manchen Dingen beschäftigt man sich erst, wenn man zum Beispiel durch Kinderfragen dazu gezwungen wird, eine befriedigende Antwort auf eine Frage zu finden.
Besonders durch Foren habe ich besonders viel gelernt. Durch das Beantworten vieler verschiedener Fragen zu den verschiedensten Themengebieten recherchiere ich intensiv im Internet, in Büchern und frage Bekannte. Man will ja nichts Falsches in die Öffentlichkeit bringen, denn das Internet vergisst nichts. Ich weiß mittlerweile Einiges über KISS, Bauchspeicheldrüsenkrebs, die Vorteile von Plastikwäscheklammern, über den trojanischen Krieg, diverse Zusatzstoffe in Nahrungsmittel, kenne Schriftsteller und Dichter, die ich vorher nicht kannte und deren besondere Lebensverhältnisse. Ich weiß, was ein kollektives Pseudonym ist, kenne die Struktur von URLs und vieles mehr.
Dadurch, dass ich diese Dinge denjenigen erklären muss, die die Frage stellen, beschäftige ich mich sehr intensiv damit und werde diese Dinge so schnell nicht vergessen. Wenn ich selber Fragen stelle und ad hoc die Antworten geliefert bekomme, ohne selber aktiv zu werden, vergesse ich die Antwort oft sehr schnell wieder.
In dieser Hinsicht ist unser Schulsystem sehr schlecht. Man müsste die Schüler viel mehr dazu bringen, zu recherchieren und ihnen mehr Zeit zu lassen, Fragen zu beantworten. In der Schule kommt es aber mehr auf kurzfristiges Wissen an. Man lernt keine komplexen Zusammenhänge aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, sondern einen Sachverhalt auswendig zu lernen und nur kurzzeitig im Gedächtnis zu behalten. Der Schüler sieht es nicht als seine Aufgabe an, seinem Lehrer (der weiß es ja eh) oder den anderen Schülern (die interessiert es im Regelfall nicht) zu erklären, sondern auswendig Gelerntes wiederzugeben. Der Lehrplan unterstützt auch andere Unterrichtsmethoden nicht, dazu müsste er entrümpelt werden.
Wie seht ihr das? Lernt ihr auch wesentlich besser, wenn ihr es Anderen erklären müsst? Lernt ihr sogar durch die Fragen eurer Kinder, weil ihr dadurch gezwungen werdet, euch zum Beispiel mit Sonne, Mond und Sterne zu beschäftigen, um die Fragen der Kinder beantworten zu können? Gibt es andere Situationen, in denen ihr durch Lehren gelernt habt?
"Lernen durch Lehren" ist vielleicht falsch ausgedrückt, weil die Themen, die man weiter geben will oder soll sollte man schon selber beherrschen. Richtig ist aber, dass man Themen oder Sachverhalte erst wirklich verstanden hat, wenn man diese in eigenen Worten wiedergeben kann! Und das ist eigentlich das ganze Geheimnis. Ebenso steigt man in eine Materie erst ein (vom Verständnis her), wenn man dazu gezielte Fragen stellen kann (eben auf der anderen Seite). Wer nämlich in bestimmten Bereichen "abgehängt" wurde und hinsichtlich des Lehrstoffs nicht mehr hinter her kommt, für den muss eine Frage des Lehrers nach "noch Fragen dazu" wie Hohn vorkommen.
Will man sich jetzt selbst nur Stoff aneignen, um ihn weiter zu geben, dann mag das Lernerlebnis sicher intensiver sein. Aber ob das dann ausreicht, um als Nachhaltiges lernen zu gelten, bezweifle ist. Hier denke ich würden mehr Faktoren eine Rolle spielen. Richtig ist nur, dass man mit einer anderen "Anspannung" an die Sache (das Lernen) herangeht und auch eher nach dem eigenen Verständnis schaut.
Was du übrigens am Schulsystem kritisierst ist doch lediglich die Ausrichtung nach der Verwertbarkeit der Auszubildenden. Es geht doch in den Schulen gar nicht mehr um Bildung, sondern um die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler, auf eine maximale (industrielle) Verwertbarkeit. So hat sich auch das Hochschulstudium gewandelt und unterscheidet sich leider nicht mehr von einer besonders qualifizierten Berufsausbildung. Das ist es, was die Gesellschaft im Grunde verlangt - daher ist die Kritik am Schulsystem eine falsche, solange die Basis bzw. der Grund dafür nicht hinterfragt wird.
Wenn ich von mir ausgehe, habe ich das meiste Wissen dauerhaft erhalten können, das ich mir selbst erworben habe oder das mir irgendwie zugeflogen ist, weil es im Zusammenhang mit einem Thema stand, was mich einfach interessierte. Oft stelle ich fest, dass ich Dinge weiß, aber nicht dass ich nicht mal weiß, warum und woher ich sie weiß. Meist habe ich wohl irgendein Buch gelesen, in dem es einen Bezug dazu gab und habe die Thematik abgespeichert. Ich kann beim Trivial Pursuit Spielen so zum echten Ärgernis werden.
Das Thema "Lehren" erinnert mich an meine späte Berufsschulzeit. Ich war in der glücklichen Lage, dass für mich die Themen der Berufsschule die reinste Wiederholung waren. Gleichzeitig bemühte man sich in unserem Kurs darum, uns mit modernen Unterrichtsmethoden zu beglücken. Leider hatte das den Nachteil, dass uns am Ende das Faktenwissen, das in den Prüfungen abgefragt wurde, vor lauter Gruppenarbeit und moderner Pädagogik fehlte. Tatsächlich beruhte mein eigenes Lernen für die Prüfungen dann darauf, dass ich mit zwei Mitschülerinnen zu hause saß und ihnen das Faktenwissen im Crashkurs eintrichtern musste.
Es ist kein Geheimnis, dass man durch das Erklären oder Lehrern gewisser Sachverhalte das Thema eher verinnerlicht, als wenn man es sich auf andere Weise aneignet. Bei dir ging es aber teilweise ja auch darum, dass du vorerst auch nicht wusstest, worum es genau ging und wenn dann jemand eine Frage gestellt hat, die du beantworten wolltest, hast du im Internet recherchiert und ihm die Frage dann mehr oder weniger auf diese Weise beantwortet. Klar ist das eine Möglichkeit und sicherlich sitzt das Thema dann auch fester, als wenn man sich vielleicht die Antwort eines anderen Users zu diesem Thema einfach nur durchliest und die Lösung des Problems dann auch kennt, aber eher nicht behält.
Ich habe die Vorteile dieser Lernweise immer sehr gemerkt, wenn ich meinem Bruder etwas erklärt habe oder auch bei der Nachhilfe. Da mein Bruder etwas jünger ist als ich, haben meine Eltern mich meistens gebeten, ihm etwas beim Lernen zu helfen, wenn er sich schwer tat. Da mein Bruder einige Klassen unter mir war, musste ich die Themen dann eben auch auffrischen, aber als ich sie ihm dann erklärt habe, war auch alles wieder präsent und wenn man das ein oder zweimal macht, weil das beim ersten Mal nicht direkt verstanden worden ist, dann sitzt das Thema bei mir auch wieder bombenfest.
Noch intensiver ist das natürlich bei der Nachhilfe, hier aber würde ich sagen dass das mehr oder weniger das gleiche ist, wie das Lehrern, was die Lehrer machen. So ein Lehrer macht eigentlich sein ganzes Leben lang nur das eine und kann sich eigentlich freuen, wenn sich was im Lehrplan ändert und er auch mal ein neues Thema hinzuziehen darf. Letzten Endes aber kaut er sein ganzes Leben lang immer nur die selben Themen durch und am Ende dann, kann er diese mehr als nur auswendig.
Bei der Nachhilfe ist das genau das gleiche. Ich hatte letztes Jahr beispielsweise zwei Nachhilfeschüler aus der achten Klasse und beide hatten in Mathematik Probleme. Da sie eben auch beide aus der gleichen Stufe kamen, ging es um das gleiche Thema und ich habe das Thema vor dem einen Schüler ausgebreitet und dann auch wieder vor dem anderen und so ging das hin und her. In der nächsten Stunde hatte der eine wieder etwas vergessen, dann durfte ich das wiederholen. Irgendwann denkt man schon gar nicht mehr intensiv darüber nach, weil man das so oft wiederholt hat, dass man das auswendig kann und so schnell auch wieder nicht vergisst.
Auch wenn du die Schule in dieser Hinsicht kritisiert, Referate sind an sich auch nichts anderes. Klar gibt es Lehrer, die verlangen heute noch von ihren Schülern, dass diese Referate im Sinne eines Vortrages halten, aber die meisten Lehrer sind in dieser Hinsicht moderner geworden, deswegen ist ein Referat meistens nichts anderes, als eine kurze Unterrichtseinheit. Der Schüler darf Arbeitsblätter oder Arbeitsaufträge mit einbeziehen, er teilt Handouts aus und er erklärt an der Tafel.
Zumindest für den Schüler, der das macht, ist das eine sehr sinnvolle Angelegenheit und bei ihm wird das Thema dann auch sitzen. Einige Lehrer gehen weiter und machen diese Referate nur in Form einer Gruppenarbeit. Letzten Endes hat das dann zumindest bei einigen Bezügen den gleichen Effekt wie das Erklären. Die Schüler erarbeiten in kleinen Gruppen gewisse Themen. Man setzt sich mit einer anderen Gruppe zusammen und bereitet sein Thema auf, hört sich aber auch das, der anderen Gruppe an.
Anschließend dann hat man zwei Themen präsent, man setzt sich in neuen Gruppenkonstellationen zusammen und erklärt dann dem Neuling das eigene Thema und auch das Thema, welches man gerade erklärt bekommen hat. Man bekommt dann auch zwei Erklärungen vom Gegenüber. Leider wird diese Lerntechnik natürlich nur eher selten angewandt und nicht viele Lehrer machen das. Bei uns gab es das ausschließlich im Französischunterricht, kein anderer Lehrer wollte das machen, denn eine solche Lernweise ist zweifellos auch sehr aufwendig.
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