Game Engineering - lohnenswertes Studium?

vom 08.08.2012, 17:47 Uhr

An der TU München wird ein Studiengang angeboten: Informatik mit Schwerpunkt "Game Engineering". Das Studium dauert sechs Semester und man erhält als Abschluss den Titel "Bachelor of Science". Ab dem Wintersemester 2011/12 hatte dieser Studiengang seinen Auftakt. Man lernt einiges über Game-Engines, Programmiersprachen, Interaktion mit Geräten, Social Gaming und Physik in PC-Spielen. Das Ganze klingt auch sehr interessant, da noch Kreativität und Innovationsgeist gefordert wird.

Ein Kumpel von mir hat sich sofort dafür beworben und wurde auch genommen. Er ist ein leidenschaftlicher Zocker, sowohl auf dem PC als auch auf der Konsole. Ich nehme seine Entscheidung wohlwollend auf, da er sein Hobby quasi zum späteren Beruf machen kann. Viele Spieleentwickler wie Zum Beispiel Jade Raymond (Ubisoft) waren und sind immer noch Spieler, die nun ihre Ideen und Träume verwirklichen. Jedoch ist noch ein kleine Portion Skepsis dabei, ob die Spieleindustrie weiterhin boomen wird. Viele Entwicklerstudios mussten schließen. Auch bei den Konsolenherstellern wie Sony läuft es nicht so, die Playstation 3 war ja ein finanzielles Debakel.

Und wenn man "Game Engineering" studiert hat, ist es dann immer noch möglich, sich auf andere Informatikbereiche später zu konzentrieren, falls es im Bereich Spiele nicht so wie gewünscht läuft. Das sind die Fragen, die ich mir diesbezüglich stelle. Wie können Spieleentwickler ihren Know-How in andere Bereiche einsetzen?

» skulldragonXT » Beiträge: 42 » Talkpoints: 33,91 »



Das ist eine schwierige Sache. Ich mein, klar ist es schön sein Hobby zum Beruf zu machen und irgendwie möchte das ja auch jeder aber meiner Meinung nach gibt es einfach Felder da funktioniert das nicht so leicht. Game Engineering fällt da für mich ein Stück weit darunter. Vor allem deshalb, weil sehr viele junge Menschen sich für diesen Bereich (und auch ähnliche) interessieren, d.h. die Konkurrenz ist recht groß. Selbst dann wenn es nur die Konkurrenz aus dem Studiengang selbst ist. Mal angenommen es ist ein vergleichsweise kleiner Studiengang mit 25 bis 30 Studenten (wovon ich allerdings eher nicht ausgehe), dann sind das schon mal knapp 30 Leute die ähnliche Fähigkeiten besitzen wie dein Kumpel. Klar wird es einige geben die schlechte sind, aber auch welche die besser sind als er. Aber damit ist es ja nicht getan. Wenn er in 3 Jahren fertig ist, dann sind bereits zwei Semester ebenfalls fertig, sprich ca. 60 Leute mit einem Abschluss in diesem speziellen Studiengang, auch hier wieder viele die schlechter sind als er und eine gewisse Anzahl an "Besseren". Nun ist natürlich die Frage: Wie verhält es sich mit der Gaming- /Videospielindustrie in Deutschland? Ehrlich gesagt ist diese Industrie nicht wirklich groß. Es gibt ein paar kleinere Studios und viele Freelancer.

Weiterhin stellt sich natürlich die Frage inwiefern es möglich ist dieses "Handwerk" in sechs Semestern zu lernen. Wenn man sich die Schwerpunkte im Studiengang ansieht sind das sehr viele. Design der Game Engine, Computer-Grafik, Simulationen, Interaktion mit dem Spiel/ der Umwelt, Social Games, künstliche Intelligenz, Benutzbarkeit bzw. Usability und noch einiges mehr. Fast alles was man für Spiele eben benötigt. Aber das Ganze in drei Jahren zu lernen, ich weiß nicht ob das nicht zu wenig ist.

So, dass hat sich jetzt vermutlich sehr negativ und pessimistisch angehört. Das wollte ich damit aber nicht aussagen. Ich möchte lediglich ein kleines bisschen aufzeigen an was man vielleicht auch denken muss. Denn dass das Ganze ein sehr interessanter Studiengang zu sein scheint steht außer Frage. Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass es sehr viel Spaß machen würde das zu studieren, vor allem wenn man mit der Materie Videospiel vertraut ist. Es ist halt einfach wichtig, wie eigentlich fast überall, hervor zu stechen und einer der Besten zu sein, da das Feld einfach relativ eingeschränkt ist. Wobei ich aber denke, dass es gut möglich ist mit diesem Studiengang später auch etwas anderes zu machen. Ein großartiger Programmierer wird man nur mit dem Studiengang vermutlich nicht aber man kann sich ja selbst weiterbilden. Ich denke eher, dass man in Richtung "Usability" gehen könnte für verschiedenste Anwendungen im PC- bzw. Technikbereich.

Es muss natürlich auch gesagt werden, dass die TU München eine wahnsinnig renommierte Universität ist. Sie ist weithin bekannt für die Informatik-Studiengänge. Zudem kann man mit dem Bachelor Abschluss in Games Engineering einen Master in diversen Studiengängen machen, was natürlich ebenfalls klasse ist, da dies die eigene Kompetenz erhöht und man somit eine bedeutend höhere Chance hat in der Industrie Fuß zu fassen. Die Frage an dieser Stelle ist nun ob dein Kumpel das studiert weil er Zocker ist und sich denkt: Ich zocke gern und will mein eigenes Spiel kreieren! Ich glaube nämlich das diese Herangehensweise etwas zu kurz gedacht ist. Klar ist es schön, wenn man aus dem liebsten Hobby den Beruf machen will, aber vielleicht ist dieser Anreiz etwas zu klein und zu kurz gedacht.

Daher meine Frage. Ist das sein einziger Anreiz Games Engineering zu studieren? Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

» Spykester » Beiträge: 17 » Talkpoints: 16,87 »


Danke für deine sehr ausführliche Antwort, das die Thematik auf verschiedensten Perspektiven betrachtet. Nun zu deiner Frage: Ja, ich denke schon. Er hatte mit mir damals (das war vor 4 Jahren) den Bachelorstudiengang "Elektrotechnik und Informationstechnik" angefangen, ist aber nach einem Jahr aufgrund der Studienordnung und nicht bestandene Fächer rausgeflogen. Jedenfalls kannte ich ihn schon vor dem Studium. Damals hatte er mir gesagt, dass er sich für Elektrotechnik entschieden hatte, weil er in einem Studienführer unter Elektrotechnik eine Nintendo Wii-Konsole gesehen hat, sodass es ihn motiviert hatte, es zu probieren. Nachdem er rausgeflogen war, hat er mit Geodäsie angefangen, was ihn nicht sonderlich interessiert hat, aber wo er bald seinen Bachelor in den Händen halten wird.

Wie schon von mir geschrieben, gibt es den Studiengang "Game Engineering" erst seit letztem Jahr. Mein Kumpel hat sich sogleich dafür beworben, als er davon gelesen hat. Und für den kommenden Wintersemester ist er genommen worden. Ich denke, es hat ihn auch fasziniert, wie man selbst Spiele erschaffen kann. Vor allem als Spieler kann man viel besser beurteilen, was die Anhängerschaft verlangt. Heutzutage geht es meist ja um Profit, sei es kostenpflichtige DLC oder an die Wand gefahrenen Marken wie z.B. Command & Conquer. Es kann als Motivation dienen, selber das zu erschaffen, was man auch gerne konsumieren würde. Es ist wie eine Art Revolution, die jemanden antreibt, die Techniken sich anzueignen und es später besser machen zu wollen. Aber generell würde ich ihn eher als jemanden einschätzen, der einfach seinen Hobby zum Beruf machen möchte, denn schließlich konsumiert er auch weiter die am Markt erhältlichen Spiele, anstatt gegen diesen Profitgier seitens EA oder Ubisoft vorzugehen und deren Spiele zu boykottieren.

» skulldragonXT » Beiträge: 42 » Talkpoints: 33,91 »



Ich verstehe. Das heißt also er geht jetzt nicht als unbeschriebenes Blatt ins Studium, sondern hat bereits was vorzuweisen und dürfte daher auch in einem Alter sein, in welchem man meinen sollte, dass er mittlerweile recht genau weiß was er will. Das ist ja schon mal gut. Da hat er dem ein oder anderen was voraus, insbesondere natürlich denen die direkt von der Schule kommen. Wie gesagt finde ich es vor allem wichtig, dass man sich mit dem Studiengang auseinandersetzt und das nicht nur studiert, weil sich es cool anhört. Sprich nicht nur "Wow, super ich will das nächste Half Life machen". Aber so wie ich das bei dir raus lese ist das ja nicht der Fall bei deinem Kumpel.

Dass man als Spieler teilweise besser beurteilen kann, was ein Spiel benötigt oder über was sich andere Spieler freuen würde steht für mich außer Frage. Man muss sich ja nur die diversen Verschlimmbesserungen der letzten Jahre in zahlreichen Spielen ansehen. Dein Beispiel "Command & Conquer" ist da ein hervorragendes. Die Aspekte die Spiel einst auszeichneten fielen komplett weg und es blieb ein etwas besseres Casualgame übrig. Leider ist das nicht das einzige Beispiel - ganz im Gegenteil. Wenn man nun mit dieser Motivation an die Sache herangeht, dann finde ich das natürlich klasse. Das hat für mich eine Substanz und ist eben nicht nur das "Cool ich mach Games".

Allerdings darf man nicht vergessen, dass man in einem größeren Studio wiederum nur ein kleines Rädchen ist, sei es Grafiker oder Programmierer und da geht der Einfluss natürlich fast schon gegen Null oder zumindest ist der eigene Einfluss nicht allzu groß um eine bahnbrechende Veränderung voranzutreiben. Die Entwickler und vor allem die Publisher haben im Endeffekt auch "nur" die Verkaufszahlen" vor Augen, schließlich sind es gewinnorientierte Unternehmen. Dies ist dann nämlich auch der Grund warum es so viele Call of Dutys oder Medal of Honors gibt. Ausschlachte heißt hier das Stichwort.

Aber jetzt bin ich schon wieder so negativ. :D Es gibt ja eine Sparte an die ich bisher noch gar nicht gedacht habe. Die Nische "Indie-Games". Man denke nur mal an Dinge wie Minecraft, Limbo oder Super Meat Boy. Die sind in kleinen Studios entstanden unter der "Aufsicht" von einer oder einem kleinen Kreis von Personen. Hier hat man das was vermutlich jeder "Gameengeneer" will - die Freiheit zur Innovation. Das könnte ich mir natürlich vorstellen. Klar, ich kenne deinen Kumpel nicht, aber ich denke, dass ist das was die meisten machen wollen. Zumindest die Richtung, sprich sich selbst verwirklichen und etwas neues schaffen abseits von den Trends die nach Gamermeinung schon jahrelang ausgelutscht sind.

Wie dem auch sei. Ich wünsche deinem Kumpel natürlich das Beste und hoffe er wird uns in ein paar Jahren mit was Herausragenden überraschen!

» Spykester » Beiträge: 17 » Talkpoints: 16,87 »



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