47 Jahre alt und keine Freunde

vom 12.08.2012, 23:25 Uhr

Ich bin 47 Jahre jung, tageslichttauglich, stinke nicht und habe keinen Mundgeruch, bin freundlich, habe ein offenes Ohr und ein gutes Gespür für die Stimmungslagen meiner Mitmenschen. Ich kann in Gesellschaft andere gut unterhalten. (neulich meinte ein anwesender Künstler sogar, ich gehörte auf die Bühne ins Kabarett) Im Beruf bin ich erfolgreich und sogar in den Betriebsrat gewählt worden. Ich habe einen tollen Lebenspartner, 3 Stiefkinder, 2 Stiefenkel und 2 leibliche Kinder.

Nur eines habe ich nicht und das deprimiert mich mit zunehmendem Alter immer mehr: Ich habe keine echten Freunde. Es gibt in meinem Leben niemanden, der nicht mit mir verwandt ist und den ich nachts um 3 Uhr anrufen könnte, weil es mir beschissen geht. Ich hatte nie viele Freunde. Während der Schulzeit schon nicht, da hab ich irgendwas an mir gehabt, das potenzielle Freundinnen abgeschreckt hat. Wenn sich niemand gefunden hat, war ich zum Spielen gut genug, aber sobald wer interessanteres kam, war ich abgemeldet und wieder alleine....

Als junges Mädchen habe ich mich dann an den Freundeskreis meiner damaligen Freunde gehängt mit dem Ergebnis, dass ich am Ende der jeweiligen Beziehung wieder alleine war. Dann wurde geheiratet, die Familie meines Mannes gehörte den Zeugen Jehovas an und so wurde ich auch eine um 10 Jahre später auszutreten und schlagartig mein soziales Umfeld zu verlieren, weil die ja mit ehemaligen nicht reden wollen und dürfen.

Heute finde ich mich in einer wunderschönen Beziehung mit der mehr oder weniger dankbaren Aufgabe, Stiefmutter 3er inzwischen erwachsener Töchter zu sein.... Ich arbeite vollzeit und die Freizeit geht meist mit Besuchen bei den Stiefkindern, seiner oder meiner Schwester oder meiner alten Mutter drauf. Bei schönem Wetter gönnen wir uns ne Ausfahrt auf dem Motorrad.

Was ich wirklich in meinem Leben vermisse, ist eine Freundin oder ein Freund. So ein richtiger echter, mit dem ich lachen und weinen kann, mal tanzen gehen und Freud und Leid teilen. Aber ich tue mich als Wassermann etwas schwer, Menschen wirklich nah an mich heran zu lassen und nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte hat sich diese Zurückhaltung weiter ausgeprägt. Aber manchmal hatte ich Glück und die Chemie stimmte und so brachte ich es zu dem unglaublichen Reichtum von 3 Freundinnen und 1 Freund. Ich war glücklich und fühlte mich wie das reichte Glücksschweinchen auf Erden.

Und dann geschah es:

Freundin Nr 1, die mich lange Zeit als ihren geistigen Zwilling bezeichnete, verlor 3x hintereinander ihr ungeborenes Kind, wandte sich der Religion zu und von mir ab. Dass sie in Ba-Wü und ich in HH wohne, hat die schleichende Entfremdung sicher forciert.

Freundin Nr. 2, die sich nächtelang bei mir ausgeheult hatte, lernte einen neuen Mann kennen, mit dem ich nicht warum wurde, weil der halt unglaublich laut und dominant war. Eigentlich dachte ich, hätte ich es mir nicht so anmerken lassen (sie war glücklich, das war die Hauptsache für mich), aber die Antipathie war wohl gegenseitig und so hörte ich schlagartig nichts mehr von ihr. Ihre Emailadresse funktionierte nicht mehr, wenn ich anrief, ging keiner ans Telefon und zurück gerufen wurde ich auch nie. Aussortiert aus ihrem Leben mit einem Federstrich.

Freundin Nr. 3 hat sich in eine Richtung entwickelt, mit der ich nichts anfangen kann, geht zu jedem Heimspiel unseres Heimatvereins, lässt kein Bier schlecht werden und findet zu meinem großen Erstaunen tatsächlich immer noch freie Stellen für ein weiteres Tattoo... Ihr Mann, einst trockener Alkoholiker, ist schon glücklich, wenn er seine tägliche Kiste Astra auf dem Balkon stehen hat. Da ich mir weder aus Fußball noch Alk etwas mache, passe ich da einfach nicht mehr hinein. Wir sehen uns unregelmäßig, aber eine wirkliche Nähe kommt nicht mehr auf. Weder spricht sie über sich, noch fragt sie mich, wenn ich z. B. krank bin, wie es mir geht.

Und heute hat sich nun mein Freund nach 8 Jahren verabschiedet. Seit geraumer Zeit hat er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau (ist selber auch verheiratet). Sie war von Anfang an eifersüchtig und selbst nach seinen und meinen wiederholten Beteuerungen hörte sie nicht auf, immer mal wieder nachzufragen, ob wir wirklich nicht miteinander geschlafen hätten. Nachdem ich nun das ganze Jahr nichts von ihm gehört hatte (nicht einmal, als ich im Krankenhaus lag), habe ich ihn heute per Mail gefragt, ob wir beide nicht einmal wieder Essen gehen wollen, nur wir zwei, ich würde unsere Gespräche vermissen.

Seine Antwort hat mich zwar nicht wirklich überrascht, aber deshalb nicht weniger verletzt: Er habe vor ihr keine Geheimnisse, sie könne darum bei allen Gesprächen dabei sein. Er würde unsere Gespräche zu zweit nicht mehr vermissen. Wenn ich wolle, könnten wir zu 4. Essen gehen und uns unterhalten. Ja klar, das ist auch dasselbe. Ich hab das für mich beendet. Es kränkt mich, von enger Freundin auf flüchtige Bekannte herabgestuft zu werden. Das tut mir nicht gut, dann lass ich es eben ganz. Als er jemanden zu reden brauchte in all dem Beziehungsdurcheinander konnte er mit mir gar nicht oft genug alleine spazieren oder essen gehen und jetzt sowas. Einerseits heule ich vor Traurigkeit, andererseits denke ich "Was für ein feiger Arsch".

Unterm Strich gehe ich heute Abend unendlich einsam schlafen und frage mich, wieso meine Freundschaft anderen so wenig Wert ist. Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, tatsächlich zu Ende zu lesen. Lösen wird mein Problem sicher niemand, aber ich konnte mich wenigstens mal ausweinen.

» HamburgerDeern » Beiträge: 3 » Talkpoints: 3,92 »



Es tut mir sehr leid, dass du bisher so ein Pech hattest. Was hältst du davon, einfach mal rauszugehen und ein paar Leute kennenzulernen? Das klingt jetzt vielleicht banal, aber es geht wirklich. Such dir ein Hobby, was du auch mit anderen machen kannst und du wirst neue Leute kennenlernen. Oder geh einen Kaffee trinken und spreche Leute an. Du wirst schon passende Freunde finden.

An deiner Stelle würde ich den alten Freundschaften nicht nachtrauern und einfach nach vorne sehen. Versuche das Beste daraus zu machen und einfach neue Freunde zu finden. Es ist nicht immer leicht neue Leute kennenzulernen, aber man schafft das nur, wenn man das Haus verlässt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich gehe raus ins Fitnessstudio, wir sind mit anderen Motorradfahrern zusammen. Ich fahre selber und bin auch ab und zu alleine unterwegs. Für mehr Hobbies habe ich bei einer reguläre Arbeitszeit zwischen 43 und 50 Wochenstunden bei meiner großen Familie gar keine Zeit und vor allem keine Kraft mehr.

Aber die Frauen im Fitnessstudio bleiben leider lieber für sich. Denen geht es wohl wie meiner Arbeitskollegin, die mir mal sagte, sie haben schon aus der Schulzeit einen großen Freundeskreis und gar keine Zeit für neue Freundschaften. Ich bin jedoch zugezogen und habe hier nur die Familie meines Lebensgefährten. Wir sind jetzt 13 Jahre zusammen, aber seine Kinder sind einfach nicht meine Kinder/Familie. Ich fühle mich nicht wirklich zugehörig. Sie sind alle lieb und nett, aber ich eben "nur" die Freundin von Papa.

Einen Kaffee trinken und fremde Menschen ansprechen kann ich nicht. Ich finde es enorm Mitleid erregend, wenn mich völlig fremde alte Damen und Herren ansprechen um einfach mal jemanden zum Reden zu haben. Denen tropft ihre Einsamkeit förmlich aus jeder Pore. So etwas möchte ich für mich nicht. Das ist mir zu krampfig.

» HamburgerDeern » Beiträge: 3 » Talkpoints: 3,92 »



HamburgerDeern hat geschrieben:Während der Schulzeit schon nicht, da hab ich irgendwas an mir gehabt, das potenzielle Freundinnen abgeschreckt hat.

Was genau ist das? Was hast Du an Dir? Genau das wird Dich bisher Dein gesamtes Leben begleitet haben und Dir auch heute noch im Wege stehen. Auch wenn es abgedroschen klingen, aber Du wirst Dir wohl selbst nicht so viel wert sein. Das spüren dann auch Deine Mitmenschen und das hindert Dich daran echte Freundschaften zu schließen und wird auch andere abschrecken. Vielleicht achtest Du einmal darauf. Sicher wird das nicht einfach sein, aber wenn Du erkannt hast, wieso Du Dich selbst nicht annehmen kannst und daran arbeitest, das zu verbessern, wird es Dir sicher auch zunehmend leichter fallen, Freunde zu finden, die nicht zu Deinen Verwandten gehören.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich habe in den vergangenen 30 Jahren hart an meinem Selbstbewusstsein gearbeitet. Das Kind, das einst auf dem Schulhof "Schoßhündchen" gerufen wurde, weil es immer brav hinterher gedackelt ist in der Hoffnung mal mitspielen zu dürfen, gibt es nicht mehr. Ich biedere mich nicht mehr an, nur um dazu zu gehören.

Aus meiner schlagenden Beziehung hab ich mich ebenso befreit wie aus der religiösen Bevormundung. Ich lebe selbstbestimmt und ernähre meine beiden Kinder seit über 10 Jahren ohne Zutun des Vaters. Im Großen und Ganzen bin ich ziemlich stolz auf das, was ich bis heute erreicht habe. 2 x6 Wochen stationäre Psychotherapie waren nicht schön, aber hilfreich.

Ich denke nicht, dass mir die Bedürftigkeit nach zwischenmenschlichen Kontakten aus jeder Pore tropft. Meine Mitarbeiterinnen halten mich für mutig und stark, weil ich nicht nur meine, sondern auch ihre Interessen im Betrieb und vor der Geschäftsleitung vertrete.

Nur innerlich sieht es anders aus. Die Beziehungsabbrüche der letzten Jahre haben mir zugesetzt. Na klar, irgendwann findet man sich ab, aber es tut weh, einen vermeintlich guten Freund zu verlieren und nicht einmal zu wissen, warum. Ich fühle mich benutzt. Zum Auskotzen und als Ratgeberin gerne geschätzt, im Verein und der Gewerkschaft immer in vorderer Position - aber gefühlt bin ich nur eine gern gesehene Arbeiterin, die anderen den lästigen Scheiß vom Hals hält. Nach und nach habe ich mich deshalb aus allem zurück gezogen, wo Freizeit drauf steht und in Wahrheit Arbeit und Verantwortung drin steckt.

Organisieren mein Lebensgefährte und ich etwas zu Silvester, ist die Bude voll, als wir mal keine Lust hatten unsere Wohnung herzugeben, hat uns niemand eingeladen. Ich habe Angst, neue Menschen kennen zu lernen, diese wieder an mich heran zu lassen um dann in ein paar Jahren eine weitere Enttäuschung zu erleben, die mich jedes Mal wieder in meiner Entwicklung zurück wirft.

So, ich stoppe hier jetzt, sonst rutsche ich in eine riesen Pfütze aus Selbstmitleid. Das bringt mich auch nicht weiter. es tut halt im Moment einfach nur weh.

» HamburgerDeern » Beiträge: 3 » Talkpoints: 3,92 »


Die Fälle, die du schilderst, kenne ich so oder ähnlich aus eigener Erfahrung oder aus den Erzählungen von Freunden auch. Man entwickelt sich in verschiedene Richtungen, der eine hat ein neues Hobby, mit dem der andere so gar nichts anfangen kann, der neue Partner ist viel wichtiger als die alten Freunde und so weiter. Jeder hat wohl so etwas schon mal erlebt.

Ich denke, dass solche Entwicklungen völlig normal sind, und, dass Freundschaften, die ein Leben lang halten, in unserer schnelllebigen Zeit eh eher die Ausnahme als die Regel sind. Das hält mich aber auch nicht davon ab auf "Freunde" zu schimpfen, die sich nur dann melden, wenn es ihnen schlecht geht oder wenn sie Hilfe brauchen. Und es ist schon Schade, dass du so praktisch deinen kompletten Freundeskreis verloren hast.

Einen guten Rat habe ich nicht, denn mit Freundschaften ist das doch wie mit allen zwischenmenschlichen Beziehungen, sie entwickeln sich oder nicht und erzwingen oder irgendwie herbeiführen kann man so etwas nicht. Sei einfach offen für neue Bekanntschaften, manchmal entwickeln sich auch daraus Freundschaften.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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