Warum fällt uns das Mitleid mit den Armen so schwer ...
... und das Mitleid mit den Reichen so leicht? In letzter Zeit gibt es - zumindest verstärkt im Ausland, v. a. in den USA - eine Einsicht, dass die zunehmende Ungleichheit in unseren Gesellschaften, eine der Ursachen für die Probleme sind, die wir gerade erleben. Ich erinnere an die Occupy-Bewegung, wo es genau darum ging, dass einer ganz kleinen Schicht fast alles gehört und der breiten Masse fast nichts. Diese immense Konzentration des Wohlstandes in wenigen Händen, zwingt offensichtlich der Gesellschaft enorme Kosten auf, die wir langsam nicht mehr tragen können.
Um diese Ungleichheit wieder etwas verschwinden zu lassen sind z. B. Spitzensteuersätze von 50 bis 70 Prozent in der Diskussion. Immer wenn so etwas gefordert wird, geht jedoch ein erstaunliches Geschrei, bis hin zu Weltuntergangswarnungen los. Erstaunlich dabei ist, dass dabei so wenige Mitleid mit Armen haben, die im Elend leben, aber so viele Mitleid mit Reichen haben, die ja diese Steuersätze nicht zahlen könnten. Wie kommt das, dass immer erst nach unten getreten wird? Ein Grund könnte sein, dass vielen Menschen vielleicht das Leben der Reichen als perfektes Leben erscheint und wir die Reichen deswegen keinesfalls aus unserem Leben verschwinden sehen wollen. Oder wie seht ihr das?
Vielleicht bin ich da schlecht informiert, aber reich ist man ja auch nicht so ungefähr oder? Klar gibt es die einen oder reichen Erben, die sich dann auf dem Reichtum von Eltern oder Großeltern ausruhen, aber das ist nicht immer der Fall und es gibt auch genug Menschen, die auch was dafür getan haben, dass sie reich sind und sich auch etwas erarbeitet haben (eine Firma auf die Beine gestellt, Unternehmen gegründet, irgendwelche Erfindungen und so weiter). Und ganz ehrlich, ich verstehe nicht, wieso man diesen Menschen dann das Geld einfach so weg nehmen sollte, nur weil sie viel davon haben, es ist ja nicht so, dass sie es auf der Straße gefunden hätten, sie tun was dafür oder haben zumindest was dafür getan.
In dem Sinne würde ich das nicht als Mitleid verstehen, zumindest von meiner Seite aus nicht, ich empfinde das einfach als eine Ungerechtigkeit. Im Gegensatz dazu gibt es dann die Armen und auch hier wieder gibt es die, die für ihre Armut nichts können und die, wo ich eigentlich kein bisschen Mitleid mit habe, weil die Armut mehr oder weniger aus eigenem Verschulden heraus entsteht (zu viele Kinder, obwohl die finanziellen Mittel nicht reichen, Faulheit und kein Ehrgeiz in Sachen Bildung und Weiterbildung). Man kann den Leuten jetzt oftmals nicht ansehen, wieso sie arm sind, aber ich empfinde zumindest keine Sympathie, wenn ich sehe das da eine afrikanische Frau im Fernsehen auf einem Spenderprogramm um Geld bettelt und hinter ihr ein halber Kindergarten steht, da habe ich wirklich kein Mitleid, so hart das auch klingt.
Letztendlich hat das für mich eben nichts mit Mitleid zu tun, es ist eher eine Sache der Gerechtigkeit, wenn man etwas auf die Beine gestellt hat und was geleistet hat, dann sollte man dafür auch entsprechend belohnt werden und wer macht sich denn später bitte noch die Mühe ein Unternehmen auf die Beine zu stellen, wenn er damit nicht mehr verdienen wird als ein Bäckersgehilfe? Da bleiben wird doch lieber alle faul. Ich finde zumindest nicht, dass das der richtige Weg ist, vielleicht sollte man eher in der anderen Richtung was tun und statt den Reichen was zu nehmen, sollte man in Sachen Armut ein bisschen Ursachenforschung betreiben, so sehe ich das zumindest.
Es gibt nicht "die Armen" und "die Reichen", die Armen als die Unschuldigen, Ausgebeuteten und die Reichen als die an der Armut Schuldigen und Ausbeutern. Es gibt Leute, die in Wohlstand leben, dafür aber hart gearbeitet haben und es gibt Arme, die früher faul waren und jetzt nichts mehr zustande bringen. Andererseits gibt es auch Arme, die an ihrer Situation auch durch viel Arbeit nichts ändern können, weil sie krank sind oder Ähnliches und Reiche, die geerbt haben und nie einen Finger krumm gemacht haben. Mein Nachbar arbeitet als freiberuflicher Softwareentwicker immer schon 12 Stunden am Tag ohne Wochenende, hat sich eine Firma aufgebaut und ist jetzt Millionär, hat auch einige Angestellte. Ich fände es unfair, wenn er 70% Steuern zahlen müsste. Als Student hat er fünf Jahre lang fast nichts gehabt und nicht gejammert. Er hat sich seinen Wohlstand wirklich verdient.
Ich habe Mitleid mit manchen Armen, gerade für Alleinerziehende mit Kindern müsste finanziell mehr getan werden oder für einige Rentner, die am Existenzminimum leben. Solche Leute können ja nicht arbeiten gehen. Aber es gibt auch einige, die könnten, aber nicht wollen. Wenn die später nichts haben, habe ich kein Mitleid.
Man muss auch bedenken, dass die Reichen eh schon alles mit ihren Steuern bezahlen. Eigentlich müssten die Armen ihnen dankbar sein, dass sie für sie mitarbeiten. Das einzelne reich sind, hat nichts mit der Armut mancher Menschen zu tun. Da ist gar kein Zusammenhang. Es sind andere Dinge, die verändert werden müssten, zum Beispiel das Bildungssystem und die Verteilung der Arbeit.
Ich denke mal, dass die Reichen, welche du hier meinst schon in den Reichtum hinein geboren wurden. Und wenn solche Diskussionen um den Spitzensteuersatz aufkommen, dann lässt mich das ziemlich kalt, da ich selbst nicht von solchen Steuern betroffen bin. Sollte ich das irgendwann einmal sein, dann kann ich mir diese hohen Steuern eben auch leisten.
Allerdings halte ich es für falsch, wenn man dann das Geld einfach nur an die sogenannten Armen verteilt. Da sollten Anreize geschaffen werden, damit diese sich eben auch aufraffen mit Arbeit zu Geld zu kommen. Und da kommt aus meiner Sicht die Agentur für Arbeit ins Spiel. Andere Fördermöglichkeiten für Existenzgründer sind da ein Punkt.
Denn die jetzigen Förderungen sollen nur die Lebenshaltungskosten zu Beginn der Selbständigkeit abdecken. Doch wer zum Beispiel einen kleinen Laden eröffnen will, benötigt auch Waren. Kredite werden im Moment ungern vergeben, gerade dann, wenn keine bis wenig Sicherheiten vorhanden sind. Da sollte man ansetzen und den Leuten den Weg durch günstige Kleinkredite ebnen.
Oder Leute, welche sich wirklich ständig kümmern, damit sie wieder in Arbeit kommen. Diese sollten Sonderzahlungen erhalten, auch um eventuell auch mal in neue Kleidung für die Bewerbungsgespräche investieren zu können. Die Steuersätze für Geringverdiener kann man ja kaum mehr senken, da kaum bis wenig Steuern gezahlt werden müssen.
Ein Diskusion um einen Spitzensteuersatz von ca 70% ist totaler Bullshit und wird auch nicht gefordert von Leuten, die das Steuersystem realistisch sehen, wie z.B. die Linken. Ich bin nicht der größte Fan der Linken, aber sie sagen zur Zeit viele richtige Sachen. So muss die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden. Also dass eine erbschaft versteuert werden muss mit einem Freibetrag. das Gesetz gab es bereits in den 90ern. das Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht als nichtig beziffert, weil Immobilien bei der Erbschaft zu NIEDRIG besteuert wurden. Das hat die Regierung von Kohl damals als Grund genommen das Gesetz außer Kraft treten zu lassen.
Der Freibetrag bei einer Erbschaft war damals bei ich glaube 150000 DM pro Kind. Alles darüber musste versteuert werden. Heutzutage könnte man das auch machen. Also alles über 150000 EUR pro Kind. Die Erbschaften führen nämlich dazu, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Eine Erhöhung der Spitzensteuer würde nur die am härtesten arbeitende Schicht der Gesellschaft treffen. Und das ist wirklich so, dass die Leute, die mehr als 100K im Jahr verdienen auch sehr viel und hart arbeiten. denen mehr wegzunehmen fände ich sehr ungerecht.
Ich frage mich, ob die Grundlage, auf der einige von euch sich die ein oder andere Meinung gebildet haben, den Tatsachen entspricht oder ob da nicht auch ein gutes Stück Realitätsverweigerung vorhanden ist. Zunächst mal: Natürlich gibt es im Grunde nicht "den" Reichen oder Armen. Jedes Schicksal ist anders. In dem von mir in den Raum gestellten Zusammenhang geht es aber darum, dass regelmäßig ein Aufschrei der Empörung durch Medien und Politik geht, sobald das Thema einer größeren Belastung Wohlhabender auf den Tisch kommt. Genauso gibt es einen großen Konsens darüber, dass Arme meist selber an ihrer Situation Schuld tragen und sich nur ein wenig anstrengen müssten. Diese Haltung scheinen viele dann gerne zu übernehmen. Über einfache Lösungen mit einfachen Argumenten muss man nicht selber nachdenken. So eine Reaktion ist nur menschlich.
Mir persönlich geht es so, ich habe für jeden, der in Armut lebt, eine Portion Mitleid übrig, alleine schon deshalb, weil das in unserer vergleichsweise reichen Gesellschaft nicht nötig wäre. Dabei sind mir die Gründe zunächst vollkommen egal. Auch Reiche sind mir egal, solange sie mit ihrem Reichtum nicht zu sehr kokettieren. Wenn da einer ein schickes Boot hat, finde ich das genauso heiß, wie etwa ein fettes Auto. Soll jeder haben, denn natürlich trägt auch jeder Wohlhabende zum Bestehen des Wohlstandes aller ein gutes Stück mit bei. Allerdings meine ich, wir sind in eine Situation geraten, in der kein gesellschaftliches Gleichgewicht mehr herrscht und die sichtbar zu einer Zerstörung unserer Gesellschaft, die auf dem Solidaritätsgedanken und einem gewissen Maß an Ausgleich basiert, beiträgt. Trotzdem ist es eben erstaunlich, dass wir, die wir von einer Umverteilung der Vermögen ja gar nicht betroffen wären, bzw. höchstens profitieren würden, uns trotzdem eher auf die Seite des Reichtums stellen, denn auf die Seite der Armut. Die haben das verdient, die haben sich das erarbeitet, das ist nur gerecht, wenn sie jetzt so viel haben. 70% vom Einkommen, dann arbeitet doch keiner mehr. Dieses eigentlich seltsame Verhalten, das die breite Masse nach unten tritt und sich nach oben reckt, ist übrigens keineswegs neu. Schon der gute, alte Adam Smith hat darüber sinniert und das ist über 200 Jahre her.
Gleichzeitig gibt es international ein Umdenken. Gerade in den USA melden sich immer mehr Wohlhabende zu Wort, die die Ansicht vertreten, dass es in Gesellschaften, in denen es eine enorme Ungleichheit gibt - und auf die steuern wir zweifellos immer weiter zu und die Finanzkrise ist ja nur das Gesicht des Ganzen - auf Dauer kein friedliches und demokratisches Miteinander geben wird. Viele haben eingesehen, dass der enorme Reichtum einiger weniger, gerade im Verlauf der Finanzkrise, zu Verwerfungen geführt hat, für die ganze Gesellschaften nun haften müssen. Schließlich muss das Kapital, dass diese Menschen haben, auch angelegt werden. Anlegen auf der einen Seite, heißt aber Schulden und Schuldner auf der anderen Seite, was leider einen BILD-Leser schon gedanklich überfordert. Und was man derzeit vom Schulden machen hält, das wisst ihr ja. Dass der derzeitige Weg gesellschaftlich ein Weg in eine Sackgasse ist, sehen immer mehr Wohlhabende ein und sind bereit, einen Teil des Reichtums zurückzugeben. Reiche arbeiten natürlich auch für ihren Reichtum, obwohl ihr das Thema Erbe vollkommen unterschätzt, nur auf welcher Grundlage haben Reiche ihren Reichtum gemehrt? Sie nutzen dazu großzügig die Errungenschaften unserer Gesellschaft, auch das wird gerne vergessen. Sie nutzen viel großzügiger unsere Infrastruktur, sie genießen Steuervorteile, sie üben Einfluss auf die Politik aus, die dann in ihrem Sinne agiert. Und dann ist da noch das Thema der Vermögen die nun über die Vergesellschaftung der Schulden auch noch gerettet werden.
Crispin hat geschrieben:[...]Letztendlich hat das für mich eben nichts mit Mitleid zu tun, es ist eher eine Sache der Gerechtigkeit, wenn man etwas auf die Beine gestellt hat und was geleistet hat, dann sollte man dafür auch entsprechend belohnt werden und wer macht sich denn später bitte noch die Mühe ein Unternehmen auf die Beine zu stellen, wenn er damit nicht mehr verdienen wird als ein Bäckersgehilfe?
Du malst da gleich den Teufel an die Wand, womit du dich in die Reihe derer stellst, die den Reichen als ausgebeuteten Gutmenschen sehen. Niemand hat etwas dagegen, dass es Millionäre gibt. Es soll auch Milliardäre geben. Ein Problem für die Gesellschaft entsteht aber dann, wenn man diese Gruppe von der steuerlichen Seite immer mehr entlastet und wenn man die Risiken ihrer Finanzgeschäfte vergesellschaftet. Ich erinnere in Stichworten an die Entlastungen der letzten Jahre in Deutschland: Steuersenkungen von Rot-Grün/Große Koalition, Spitzensteuersatz Einkommenssteuer von 53 auf 42 % gesenkt, seit 2000 Steuerfreiheit der Gewinne bei Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, seit 2008 gilt die Abgeltungssteuer bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften, hohe Einkommen werden nicht mehr mit dem persönlichen Steuersatz von 42 %, sondern nur noch mit 25 % besteuert, Unternehmensteuerreform 2001, tariflicher nominaler Steuersatz auf Unternehmensgewinne für KG von 51,8 % auf 38,7 % gesenkt, für Personenunternehmen von 2001 bis 2005 schrittweise Entlastung von 54,5 % auf 45,7 %. Auch das führte dazu, dass bei uns die untere Hälfte der Gesellschaft gar kein Vermögen besitzt. Dafür besitzt das oberste Zehntel inzwischen ca. 2/3 der Vermögen (die Rentenanwartschaftendiskussion mal außen vor gelassen, das ändert nicht viel). Du plädierst dafür, die Ursachen von Armut besser zu erforschen. Frage mal die OECD.
anlupa hat geschrieben:[...]Man muss auch bedenken, dass die Reichen eh schon alles mit ihren Steuern bezahlen. Eigentlich müssten die Armen ihnen dankbar sein, dass sie für sie mitarbeiten. [...]
Sicher? Die Lohn- und Einkommensteuern machen nur ca. 1/3 unserer staatlichen Steuereinnahmen aus. Dann wären da noch die indirekten Steuern (Mineralöl-, Mehrwert- und Tabaksteuer). Deren Anteil am Steueraufkommen ist über die Jahre enorm gesteigen. Vor ca. 20 Jahren lag deren Anteil bei etwa 40 % des Steueraufkommens, seit ca. 10 Jahren bei etwa 50 %. Diese indirekten Steuern treffen aber, wenn du das verfügbare Einkommen des einzelnen betrachtest, den hohen Einkommensbezieher viel weniger. Mittlere und niedrige Einkommen sind viel mehr betroffen. Ein Hartz IV-Bezieher muss letztlich sein komplettes Einkommen hier "versteuern lassen". 1960 haben diese mittleren und niedrigen Einkommen 38 % des gesamten Steueraufkommens erbracht. Im Jahr 2006 waren es ca. 70 %. Reiche bezahlen nicht alles mit ihren Steuern. Zudem musst du das ja auch immer ins Verhältnis zum Gesamtvermögen setzen. Man kann sich zwar darüber beklagen, dass das letzte Prozent der Reichen ca. 22 % finanziert, aber man muss dann auch dazu sagen, dass dieses Prozent ca. 23% der Vermögen besitzt. Selbst der nominelle Steuersatz von 42 % trifft ja kaum jemanden. Das Statistische Bundesamt hat 2007 berechnet, 36 % sind es im Schnitt bei den Reichsten - Grund sind natürlich Freibeträge und andere Abzüge, sagen wir mal Steuersparmodelle. Ich hatte angesprochen, dass die Einsicht international schon viel mehr gereift ist. Ein Blick in die USA hilft. Hier hat sich Warren Buffet vor einiger Zeit darüber beschwert, dass er weniger Steuern zahle, als seine Sekretärin, was ja wohl nicht sein könne. Mitt Romney, der seltsame Präsidentschaftskandidat hatte 2010 ein Einkommen von 21,6 Millionen USD. Darauf hat er ganze 13,9 % Steuern bezahlt.
Zudem klinken sich Besserverdienende auch noch aus der Finanzierung des Sozialstaates aus. Sie zahlen relativ zu ihrem Einkommen viel weniger in die Sozialversicherung ein als Otto Normalverbraucher. Wie sagte die Welt so schön? Der Geringverdiener trägt die höchste Last.
Eine kurzweilige Lektüre, um sich mal in manche Erstaunlichkeit einzulesen: Schön reich - Steuer zahlen die anderen.
Insgesamt bestätigt eure Reaktion letztlich nur die diskutierte These. Mich erstaunt das, teilweise erschreckt es mich auch. Meine Erfahrung ist aber, dass es ziemlich verzerrte Vorstellungen von den Belastungen der Einkommensgruppen gibt. Deswegen war das auch etwas ausführlicher. Danke für die Gelduld.
Crispin hat geschrieben:Und ganz ehrlich, ich verstehe nicht, wieso man diesen Menschen dann das Geld einfach so weg nehmen sollte
Und davon ist doch auch nie die Rede! Steuern zahlen ist nicht gleichzusetzen mit dem "Wegnehmen von Geld". Denn die Steuern ermöglichen es dem Staat Leistungen zu erbringen, die wiederum die Basis für andere sind, ihr Leben oder aber auch ihren Reichtum aufzubauen. Und hier beginnt das Ungleichgewicht in Sachen der Verteilung. Es geht da noch nicht mal um Almosen oder aber darum, dass anderen Menschen ein Leben ohne Arbeit zu ermöglichen (auch wenn das eigentlich eine zwangsläufige Folge der Produktivitätssteigerungen sein müsste). Aber ohne die Steuereinnahmen könnte die Infrastruktur nicht erhalten werden, die dafür sorgt, dass andere reich werden (und bleiben).
Das es zu einem Ungleichgewicht kommt, zeigt sich einfach daran, dass die Reichen schneller immer reicher werden, und auf der anderen Seite die Schicht ganz unten immer breiter wird. Hier muss man kein Prophet oder Statistiker sein, um sich auszumalen, wie die Zukunft bei dieser Entwicklung aussehen wird.
Hinzu kommt einfach der Fakt, dass die Steuersätze zwar "für alle" gesenkt werden, aber davon in aller erster Linie die "Spitzenverdiener" bzw. die Superreichen profitieren. Es ist ein großer Schritt, wenn bei Steuersenkungen der Normalverdiener im Jahr z.B. auf eine Ersparnis von 400 Euro kommt. Geht man die Einkommensklassen höher, kommen andere Sparraten heraus. Oftmals ein Vielfaches des Jahreseinkommen der Normalbürger - als Steuerersparnis.
Allein die Tatsache, dass der Kauf von "Steuersünder-CDs" dem Staat dreistellige Millionenbeträge einbringen (nicht versteuerte Beträge!), sollte einem vor Augen führen, dass hier Milliarden liegen. Und man will gar nicht an das Geld, sondern nur einen Teil des Ertrags von dem Geld.
Zuletzt muss angemerkt werden, dass das Mitleid mit den Reichen dadurch kommt, dass jeder aufschreit, wenn der Spitzensteuersatz erhöht werden soll. Dabei denkt keiner daran, dass es zum einen eine progressive Steuer ist. Also ist die Steuer für die ersten paar hunderttausend Euro noch lange erträglich. Erst später soll er erhöht werden. In den goldenen Zeiten der USA lag dieser Steuersatz bei über 50% und die Superreichen sind nicht in Scharen nach Mexiko oder nach Europa geflohen. Also geht das durchaus, ohne wirklich einen Schaden zu verursachen.
Ich finde die Verteilung die momentan auf der Welt herrscht auch sehr ungerecht und muss sagen, dass ich sehr froh bin, dass ich in einer Wohnung leben darf und einen gewissen Lebensstandard habe. Ich bin mir aber bewusst, dass es auch eine andere "Seite" gibt, auf der sehr viele arme Menschen leben und nicht ansatzweise so ein Leben hat wie ich. Das finde ich sehr traurig und könnte ich etwas dagegen unternehmen, dann würde ich etwas machen.
Wir hatten dieses Thema auch mal im Ethikunterricht. Es ging auch um die Aufteilung die es in der Welt gibt. Meine Lehrerin, die etwas komisch ist, aber sehr guten Unterricht gibt, ist der Meinung, dass die Welt irgendwann die Augen öffnet und es alles gleichmäßig verteilt wird. Es gibt Statistiken, dass es auf der Welt genügend Rohstoffe für die ganze Welt gäben würde, wenn es alles regelrecht verteilt wäre. Sie hat gesagt, dass die Menschen immer noch im Unterbewusstsein das "Sammel-Gen" haben. Allerdings entwickeln wir uns weiter und irgendwann wird sich das ändern. Wann das genau sein wird, hat sie nicht gesagt, aber sie sei zu 100 Prozent sicher, dass es passiert.
Ein wenig erschrocken habe ich mich auch über den einen oder anderen Beitrag. In der Tat geht es nicht darum, den Reichen gleich ihr Geld wegzunehmen, aber um eine gerechtere Verteilung der Abgaben. Mag ja sein, dass jemand für seinen Reichtum hart gearbeitet hat, aber tut das nicht auch ein so genannter Normalverdiener, der ebenfalls hart arbeitet, aber dennoch Abzüge hat, die nicht mehr schön sind? Wenn ich sehe, was ein so genannter Normalverdiener an Abzügen hat, auch in Prozenten, ist das, was ein sehr gut verdienender Mensch in Prozenten scheinbar etwas weniger, ohne die Abrechnungen unbedingt zu sehen und zu kennen.
Es ist nun einmal so, dass die meiste Last auf den Leuten liegt, die eben ein normales Gehalt oder ein zu niedriges haben. Abgesehen von den Abgaben, die zu entrichten sind, ist es ja auch im alltäglichem Leben der Fall. Jemand, der sehr gut verdient, wird sich eine volle Tankfüllung besser leisten können als jemand, der eben ein verhältnismäßig geringes Einkommen hat. Weiter geht es mit den anderen Ausgaben, die alle zu gleichen Teilen abzugeben haben. Ich meine, an der Zapfsäule oder im Supermarkt wird nicht berechnet, Person A hat so viel Geld, den kann man eine Preiserhöhung nicht zumuten, während Person B die Preiserhöhung nicht weiter als schlimm ansieht.
Mein Mitleid mit den Armen hält sich ein wenig in Grenzen, es ist vorhanden, ja, aber ich kann an deren Status nichts ändern, denn dazu habe ich auch nicht die Mittel, weder die finanziellen noch andere Mittel. Aber ich finde es traurig anzusehen, dass beispielsweise Eltern jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, weil die Preiserhöhungen eben zu Buche schlagen und auch Abgaben bei einem Gehalt höher werden. Während solche Leute dann schauen müssen, wo sie bleiben, macht sich eine solche Preiserhöhung bei sehr guten Einkommen nicht wirklich gleich bemerkbar. Vielleicht ist hier auch mein Bild verzerrt, ich denke aber, dass man in solchen Positionen nicht bereit ist, Abstriche zu machen, während es ein Normal- oder Geringverdiener oder ein Bezieher von Arbeitslosengeld und anderen Sozialgeldern nichts übrig bleibt.
Ich habe ehrlich gesagt kein Mitleid mit den Leuten, die man als Besserverdiener bezeichnet. Ich fände es außerordentlich gerecht, wenn man dort durchaus ansetzen würde und einige steuerliche Schlupflöcher auch wieder beseitigt. Genau kenne ich mich damit natürlich nicht aus, aber es gibt diese nun einmal und wenn Geld schwarz beiseite geschafft wird, wie eben die Steuer-CDs durchaus aufzeigen, kann ich den Ansatz verstehen, der hier im Grunde verlangt wird.
LennyK hat geschrieben:Ein Diskusion um einen Spitzensteuersatz von ca 70% ist totaler Bullshit und wird auch nicht gefordert von Leuten, die das Steuersystem realistisch sehen, wie z.B. die Linken.
Von Seite der Die Linken gibt es diverse Vorschläge, die viel weiter gehen. Ich bin da bei Frau Wagenknecht: 75% für Einkommensmillionäre. Also keine Angst, nicht für die armen Würste, die 100.000 Euro im Jahr verdienen. Das sind Peanuts und diesen Leuten will doch gar keiner groß an die Wäsche. Das ist ja auch der Witz. Reflexartig verteidigen wir die, die gar nicht gemeint sind und machen die Verantwortlich, die nichts mit alledem zu tun haben.
Warum soll der kleine Steuerzahler in der Finanzkrise für die Sicherung der hohen Einkommen haften? Erst gab es riesige Steuersenkungen. Unter Kohl waren wir übrigens noch bei 53-56% und da ist die Welt auch nicht von untergegangen. Von diesen Steuersenkungen haben vor allem die ohnehin Vermögenden profitiert. Und dann musste deren Geldvermögen in der Finanzkrise durch staatliche Intervention in den Bankensektor gerettet werden. Nun soll die Allgemeinheit die Kosten dafür übernehmen? Ich verstehe es nicht.
LennyK hat geschrieben:Eine Erhöhung der Spitzensteuer würde nur die am härtesten arbeitende Schicht der Gesellschaft treffen. Und das ist wirklich so, dass die Leute, die mehr als 100K im Jahr verdienen auch sehr viel und hart arbeiten. denen mehr wegzunehmen fände ich sehr ungerecht.
Du siehst da einen Zusammenhang zwischen harter Arbeit und Verdiensthöhe. Den gibt es aber nicht. Hart arbeiten tun Bergleute. Manager in den großen Dax-Konzernen verdienten im Vergleich zum Durchschnittsbeschäftigten 1987 das 14-fache, 2006 war es das 44-fache. Da kratzt man sich doch am Kopf und fragt sich, ob sich denn deren Leistung so verbessert hat, dass da gerechtfertigt wäre? Erkläre es mir. Was tut man bloß bei der Lufthansa, damit man das 94-fache eines Durchschnittsangestellten verdient. Schau mal in die Klozeitschrift. Leistung, Kompetenz und Verdienst haben hier nicht zwangsweise miteinander zu tun. Du kannst heute in einem Unternehmen eine Wüste hinterlassen und trotzdem wirst du reich nach Hause gehen. Mir ist es eigentlich Schnuppe, was diese Leute verdienen, meinetwegen 100 Millionen im Jahr. Bei einem Spitzensteuersatz von 70% lohnt sich das für uns Steuerzahler.
Und aus der Praxis kann ich dir versichern, es laufen genug Leute herum, die 100.000 - 200.000 Euro im Jahr verdienen, die arbeiten sich nicht kaputt. Die hatten einfach nur die richtigen Beziehungen, konnten sich gut verkaufen und waren zur richtigen Zeit zur Stelle. Hart arbeiten, das tun ganz andere Leute.
Was die Besteuerung von Erbschaften und Vermögen angeht, hast du natürlich Recht. Wir haben schließlich ja auch kein Ausgabenproblem, auch wenn das gerne suggeriert wird, wir haben in unserem Staat, v. a. aufgrund der vielen Steuersenkungen, ein Einnahmeproblem. Die Lösung wäre so einfach, aber mit diesen Leuten, die ich nicht gewählt habe, da wird das nichts.
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