Herablassend sein, wenn sich etwas geändert hat

vom 23.06.2012, 19:44 Uhr

Einige Menschen aus meinem Umfeld haben zum Beispiel nach langer Arbeitslosigkeit einen neuen Job gefunden und ziehen nun über Menschen her, die nach wie vor auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Dann gibt es Menschen, die es geschafft haben, einiges an Gewicht zu verlieren und plötzlich sind alle dicken Menschen undiszipliniert, obwohl sie sich selbst über diese Vorurteile zu gewichtigeren Zeiten aufgeregt haben und so ließe sich eine Liste unendlich weiter führen.

Ich meine, es sei ihnen ja gegönnt, dass sie nun einige positive Änderungen in ihrem Leben hatten und dass sie Ziele erreicht haben. Aber gerade, wenn man vorher selbst immer in einer recht schlechten Situation gesteckt hat, sollte man sich doch eher mit den üblichen "Stammtischparolen" zurückhalten, oder? Nicht selten bekommt man da wirklich recht viel Arroganz und herablassendes Verhalten ab, obwohl sie die Situationen ja selbst kannten und wissen, wie es sein kann, jahrelang keinen Job trotz vieler Bemühungen gefunden zu haben.

Mich regen ja sowieso immer gewisse Vorurteile auf, gerade, wenn sie immer und immer wieder im direkten Umfeld aufgesagt werden, aber dann noch mit Arroganz auf andere, die noch immer in eine schlechte unangenehme Lage sind, herabblicken, finde ich sogar noch unschöner. Wenn man dann dagegen etwas sagt, führt es zu irgendwelchen Diskussionen, die eher kontraproduktiv sind.

Vielleicht wurdet Ihr mit solchen Verhaltensweisen ja auch schon konfrontiert oder aber, Ihr habt eine solche Verhaltensweise selbst an den Tag gelegt. Woher kommt diese herablassende Art? Ist es eine Art Ablenkung davon, dass man Angst hat, wieder zurück in eine solche Situation zu kommen oder ist es mehr der Stolz, der teils nicht einmal unberechtigt ist, der dazu führt, dass sich jemand eben auf einmal so gibt?

Benutzeravatar

» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



So wie ich das jetzt verstanden habe, geht es genau gesagt um dich. Du hast Leute im Umfeld welche über dich "herziehen", obwohl sie einst in einer ähnlichen Situation wie du jetzt gesteckt haben? Da solltest du dich zu allererst fragen, ob ihre Kritik gerechtfertigt ist. Bist du zu dick weil du zu viel isst? Arbeitslos weil du faul bist? In dem Fall bringt es dir ganz konkret nichts, dich hier im Forum über die anderen zu beschweren. Dann solltest du etwas an dir ändern, vielleicht kannst du dich ja auch an der Willenskraft der Lästermäuler orientieren. Was sie geschafft haben, kannst du auch! Und dann kann es dir auch egal sein, was andere sagen. Verzeih meine direkte Art, so bin ich.. ;-)

Sollte ich falsch liegen, und ihre Andeutungen, Beschimpfungen oder was auch immer ungerechtfertigt sein, kannst du dich jederzeit von deinem Umfeld abwenden. Solche Leute braucht kein Mensch, und auch wenn es ein schwerer Schritt ist, sich abzuwenden, wird er dich auf Dauer weiterbringen!

Wahrscheinlich fühlen sich die Lästerer für ihre "Leistung" nicht ausreichend anerkannt- und bessern ihr Ego mit ihren "Stammtischsprüchen" auf. Dieses Verhalten ist mehr als menschlich, wahrscheinlich kennt es jeder von uns. Wer ein bisschen was in der Kirsche hat, ist sich dessen aber bewusst und nimmt das selbst gesagte deswegen nicht allzu ernst. Vielleicht kannst du das bei ihnen auch direkt ansprechen? Ich weis ja nicht, wie gut ihr euch wirklich kennt..

» pe.sc » Beiträge: 7 » Talkpoints: 4,55 »


@pe.sc, ich weiß jetzt nicht, wie Du genau darauf kommst, dass ich mich damit gemeint habe. Es waren generelle Beobachtungen, die sich immer wieder zutragen und die sich nicht nur bei mir wiederfinden, ganz abgesehen davon, dass ich diese Liste mit Dingen, die man ändern kann oder ändern möchte, noch anderweitig fortsetzen kann. Diese beiden Dinge, also Arbeitslosigkeit und Gewicht, sind sowieso immer mal Thema in den Medien und selbst, wenn mich etwas davon betreffen würde, gehe ich noch auf meine Art und Weise damit um.

Mich würde halt schon interessieren, was dahinter steckt, wenn man eine -in meinen Augen- gewisse Arroganz da an den Tag legt, wobei Du das ja anhand des Egos schon angesprochen hast und dass die Leistung nicht genügend beachtet wurde, quasi zu wenig Honig um den Mund geschmiert wurde.

Benutzeravatar

» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich konnte jetzt auch nicht aus dem Text herauslesen, dass es um sie ging! Und ja, solche Beobachtungen konnte ich auch schon machen - aber zu gewissen Themen habe ich, ehrlich gesagt, auch so meine Einstellung, und die kann auch leicht so gewertet werden, wie du es beschreibst.

So habe ich neben dem Studium immer gearbeitet und hatte eine Freundin, die immer Ausreden gefunden hat, wieso sie nicht arbeiten gehen konnte. Grundsätzlich hätte mir das ja egal sein können, wenn sie sich nicht durchs Leben geschlaucht hätte und auch ständig Treffen abgesagt hätte, weil sie kein Geld hatte. Sie hat ein Jahr lang gar nichts gemacht und selbst da nicht gearbeitet und bei uns gibt es wirklich zu Hauf Aushilfsjobs. Da habe ich ihr dann schon meine Meinung gesagt.

Mit Herablassung hatte das dann aber weniger was zu tun - eher mit Unverständnis und ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man das den Menschen immer direkt sagen sollte und nicht hinten herum.

Nicht jeder der dick ist, isst hemmungslos und nicht jeder der arbeitslos ist, ist automatisch auch faul. Fakt ist aber, dass es solche Exemplare auch gibt und da muss man nun auch nicht die Augen vor verschließen. Wenn ich 3 Kilo zunehme, dann wird mir das gesagt (von guten Freunden) und anders herum sage ich das auch. Wenn ich der Meinung bin, dass jemand faul ist und deswegen keine Arbeit hat, dann sage ich das auch und andersherum kann man das auch über mich sagen, wenn es denn so wäre. Hat die Zunahme von Gewicht aber andere Gründe oder die Arbeitslosigkeit, dann sollte man den Mund nicht so schnell aufreißen.

Und ich rede auch nur darüber, wenn ich weiß, was Sache ist. Wenn jemand dick ist, sage ich da nichts - derjenige kann auch eine Krankheit haben. Und wenn jemand arbeitslos ist, dann muss er nicht faul sein, sondern kann ebenso eine Krankheit haben.

Benutzeravatar

» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Von ehemals Arbeitslosen kenne ich so ein Verhalten jetzt nicht, aber ich kenne schon Leute, die praktisch von einem Extrem ins andere gefallen sind und es nie geschafft haben ein gesundes Mittelmaß zu finden.

Eine Bekannte im Fitnessstudio ist zum Beispiel eine totale Kalorienfanatikerin und sie versteht es absolut nicht, dass es mir egal ist, wenn ich meine Kalorienbilanz von einer Stunde Training durch einen Smoothie "ruiniere". Sie war früher übergewichtig und unsportlich und hat wahrscheinlich schon Angst, dass sie wieder da hin kommt, wenn sie mal aufhört Kalorien zu zählen und extrem diszipliniert zu trainieren.

Ein anderes Beispiel sind völlig intolerante Ex-Raucher. Durch das Nichtrauchergesetz fällt diese Spezies nun nicht mehr so auf, aber früher habe ich es öfters erlebt, dass sich jemand über Raucher aufgeregt hat und früher selber geraucht hat und sich auch nicht besser verhalten hat als die Raucher, über die er sich nun lautstark beschwert. Woher dieses Verhalten kommt weiß ich allerdings auch nicht. Ich habe früher ja selber geraucht und dann aufgehört und hatte nie das Bedürfnis mich über Raucher am Nebentisch aufzuregen.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Mit Herablassung hatte das dann aber weniger was zu tun - eher mit Unverständnis und ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man das den Menschen immer direkt sagen sollte und nicht hinten herum.


Man könnte ja in diesem Beispiel auch annehmen, dass Deine Freundin hier eine gewisse Kalkulation für sich aufgestellt hat. Sie ging nicht arbeiten und hatte daher weniger Möglichkeiten, etwas mit Dir zu unternehmen. Genauso hätte die den Aufwand auf sich nehmen können, arbeiten zu gehen, wodurch sie mehr Geld für Unternehmungen mit Dir gehabt hätte. Aber Sie hatte sich gegen diese Variante entschieden. Vielleicht hat es Dich also ein wenig verletzt, dass Ihr die Unternehmungen mit Dir nicht wichtig genug waren, um dafür arbeiten zu gehen?

Generell bin ich der Ansicht, dass man nicht alles, was man denkt oder was einem auffällt, auch sagen sollte. Ganz im Gegenteil, man kann auch einfach mal ruhig sein und Gedanken für sich behalten. Denn welchen Schaden habe ich denn davon, wenn jemand anderes zugenommen hat oder arbeitslos ist? Bringt mir das irgendeinen Nachteil? Eigentlich doch nicht!

Und wenn ich so darüber nachdenke, dann kann auch Neid hier eine Rolle spielen. Ich weiß, dieses Argument klingt immer total abgedroschen, aber seht es einmal so: wer viel Sport macht und auf eine gesunde Ernährung achtet, der muss auch viel Anstrengung darin investieren. Denn derjenige hat bestimmt nicht immer Lust dazu, sich so zu verhalten und würde vielleicht auch mal nur abends faul auf dem Sofa liegen anstatt Sport zu treiben, aber er zwingt sich dennoch dazu. Genauso hat jemand, der einem anstrengenden Job nachgeht, sicherlich nicht nur Freude daran, würde früh auch gerne mal länger schlafen oder seine Zeit freier gestalten können. Aber er verzichtet darauf, zugunsten einer Arbeitsstelle. Man hat also einen Vorteil (Geld, gute Figur), muss aber auch Nachteile dafür in Kauf nehmen (früh aufstehen, Stress, Anstrengung). Eventuell fragt man sich dann manchmal, ob es das wert ist.

Sieht man nun eine Person, die sich in diesen Punkten ganz anders entschieden hat, keinen Sport macht, nicht arbeiten geht, dann mag das manchmal die Frage aufwerfen, warum man sich so anstrengt und ob es das alles wert ist. Man muss es für sich ja rechtfertigen, wenn man viel investiert, um etwas zu bekommen, das anderen scheinbar sehr viel weniger wichtig ist. Und dann wertet man diejenigen, die ganz anders sind, vielleicht deswegen ab, um den eigenen Mühen einen Sinn zu geben.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


@steph: Okay, dann hab ich mich getäuscht. Kannst du mir das verzeihen? :P

Nun ja, je länger man über diese Problematik nachdenkt, desto spannender wird sie. Ich war Panikpatient und litt unter Agoraphobie- das hat mich in meinen jungen Jahren schon deftig runtergezogen. mittlerweile hab ich den Krampf überwunden und beobachte mich zum Teil selber, wie ich andere mit psychischen Problemen runtermache oder antreibe. Ich hab den Mist durch eisernen Willen und mit viel Durchhaltevermögen überwunden. Wenn ich das geschafft habe, warum schafft es dann nicht jeder?

Ich denke wirklich, dass das ganz viel mit Selbstbewusstsein und Co zu tun hat. Mittlerweile ist mein Ego wieder intakt, aber zwischenzeitlich tut die Selbststärkung auf Kosten anderer schonmal ganz gut. Und wie schon oben gesagt, es wertet einen selbst gewaltig auf- schließlich hat man es selbst schon geschafft! Aber du hast natürlich Recht, so wirklich fair ist das nicht.

Was wäre die Alternative? Den "Schwachen" unterstützen, vielleicht mit eigenen Erfahrungen beraten? Das wird beim Thema Arbeitslosigkeit zwar schwierig, aber in Sachen abspecken wäre es denkbar. Trotzdem gefällt mir eine gewisse zwischenmenschliche Härte- was wahr ist muss knallhart angesprochen werden, auch wenn es manchmal ein bisschen weh tut. Es bringt ja nichts, wenn wir uns immer nur gegenseitig Honig ums Maul schmieren, oder? Wer derzeit arbeitslos ist, macht definitiv irgendetwas falsch!

» pe.sc » Beiträge: 7 » Talkpoints: 4,55 »



Ich kenne diese Eigenschaft leider auch an mir. Ich war früher Kettenraucherin und habe sehr lange und viele Anläufe gebraucht, um aufzuhören. Nach meinem Erfolg wurde ich eine "militante" Nichtraucherin. Ich muss zugeben, dass ich gefühlsmäßig die Raucher nicht direkt verachtet, aber als Schwächlinge angesehen habe. Auf mich selber war ich stolz, ich hatte es geschafft, die anderen nicht. Vielleicht war es auch eine Verachtung meiner eigenen Person aus der Vergangenheit. So genau kann ich das Gefühl jetzt nicht mehr analysieren, aber ich kenne es.

Nach dreißig Jahren Nichtraucherdasein bin ich wieder toleranter. In manchen Situationen erwische ich mich dabei, auch gerne eine Zigarette rauchen zu wollen. Ich lasse es natürlich, weil ich weiß, dass ich dann auch nach dreißig Jahren wieder Rückfällig werden würde. Aber ich rieche es mittlerweile gerne, wenn jemand raucht, eine zeit lang konnte ich es gar nicht ertragen. Wahrscheinlich erinnert es mich an meine jugendlichen Sündenzeiten.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 24.06.2012, 08:38, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Ich denke nicht, dass so etwas mit Herab lassen zu tun hat. So etwas ist eher eine Einstellungssache. Ich habe lange gebraucht, um eine anständige Ausbildungsstelle zu finden, die Erfolg für die Zukunft verspricht. Vorher musste ich noch durch eine andere Ausbildung durch, die nicht ganz mein Traum war. Deswegen frage ich mich oft, warum es Leute nicht einmal schaffen, eine Ausbildung zu bekommen, weil ich ja sogar schon eine zweite gefunden habe. So etwas hat mit Selbstdisziplin zu tun und auch mit Unverständnis den anderen gegenüber. Und das sage ich auch den Leuten, die schon Jahre lang nach Arbeit suchen. Man muss selbst motiviert sein und es wollen, denn dann schafft man wirklich alles. Das hat deswegen nichts mit Herab lassen zu tun sondern mit Unverständnis anderen Leuten gegenüber.

» Jenna87w » Beiträge: 2149 » Talkpoints: 0,47 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Also ich kenne so etwas auch und finde das irgendwie schrecklich und kann so etwas auch nicht ernst nehmen. Eine Freundin von mir ist beispielsweise auch gerade so. Sie hat nach einigen Anläufen nun endlich den Führerschein gepackt und eine andere gemeinsame Freundin ist vor kurzem wieder durchgefallen und nun zieht sie ständig darüber her, wie man nur so "blöd" sein kann, durch die Prüfung zu fallen. Ich stehe jedesmal daneben und frage mich, ob sie vergessen hat, wie oft sie durch die Prüfung gefallen ist.

Woher das kommt, ist eine gute Frage. Stolz sein ist ja gut und schön, aber ich finde ein solches Verhalten wirklich übertrieben. Es kommt natürlich auch darauf an, aus welchen Gründen man beispielsweise arbeitslos ist. Wenn man nun arbeitslos ist, weil der Betrieb pleite gegangen ist oder sonst etwas und man sich aktiv _wirklich_ bemüht eine neue Anstellung zu finden, dann finde ich das ehrlich gesagt in Ordnung, wenn man über die "faulen" Arbeitslosen herzieht. Dazu benötigt man dann aber eben auch das Wissen, dass diese Person wirklich aus Faulheit keinen Job findet und nicht unverdient arbeitslos ist, denn das wäre wirklich unangebracht. Wenn man aber selber jahrelang keinen Bock hatte, dann finde ich nicht, dass man über andere Leute herziehen sollte, denen es genauso geht, nur weil man selber die Kurve bekommen hat.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^