Wie verhält man sich richtig - Erbe, Testament, Erbschein?
Diamante hat geschrieben:EmskoppEL hat geschrieben:Aber ich verstehe nicht, warum bei einem Erbfall die Familien immer so auseinander gehen und sich nicht in Frieden zusammensetzen und sich einigen.
Warum? Genau, darum weil in deinem Fall das Kind Nummer eins nicht leer ausgehen will und den letzten Willen des Vaters nicht akzeptieren will. Wenn der Vater gewollt hätte, dass alle zu gleichen Teilen was bekommen, hätte er es geregelt. Aber das wollte er nicht und so sollte man es einfach akzeptieren und keine Familie muss deswegen auseinander gehen.
Der Verstorbene wollte sicher nicht, das ein Kind leer ausgeht, es ging ihm halt nur darum, das das zweite Kind, das Haus bekommt und er war wohl im Glauben, das das andere wohl gerecht aufgeteilt wird. Der Verstorbene hat allerdings nicht bedacht, das durch dieses Testament, das zweite Kind wohl als Alleinerbe angesehen wird, weil das Haus und das Grundstück der grösste Teil des Erbes ist.
Vorliegend ist zuerst fraglich, welche Stellung die im Testament bedachten einnehmen. Dies ist seitens des Nachlassgerichtes durch Auslegung zu ermitteln. Voraussetzung hierfür ist die Beantragung eines Erbscheines. Insoweit möchte ich vorausschicken, dass man nicht zwangsläufig einen (teuren) Anwalt konsultieren muss.
Wer Erbe ist, ergibt sich vorliegend nicht ausdrücklich aus dem Testament. Sofern der Nachlass tatsächlich nur aus dem Grundstück besteht, bzw. das Grundstück den größten Teil des Nachlasswertes darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass Kind zwei Alleinerbe ist. Beim der angeführten Grundstücksbelastung kann von einer Auflage, § 1940 BGB ausgegangen werden.
Folgt man dieser Argumentation (was vermutlich der Fall sein wird), ist Kind eins enterbt. Eine Enterbung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Man spricht hierbei von einer sogenannten "stillen Enterbung". Klassisches Beispiel stellt hierbei ein gemeinschaftliches Ehegattentestament dar. Ehegatte und Ehegattin setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. (Einziger Inhalt des Testamentes). Die Abkömmlinge sind somit enterbt.
Kind eins ist - als gesetzlicher Erbe - berechtigt den Pflichtteil, § 2303 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu fordern. Der Pflichtteil selbst ist ein reiner Geldanspruch. Er orientiert sich am Gesamtwert des Nachlasses, d. h. insbesondere, dass das Grundstück in eine ggf. durchzuführende Berechnung einzubeziehen ist.
Die Belastung mit einem Grundpfandrecht bedeutet hierbei nicht zwangsläufig eine Minderung des Anteiles. Maßgeblich ist, ob der Grundstückseigentümer Vertragspartner im zugrunde liegenden Sicherungsvertrag ist. Es ist durchaus denkbar, das dies eine andere Person ist und das Grundsück lediglich eine Sicherung im Falle des Zahlungsausfalles darstellt.
Der Pflichtteil ist ein Anspruch gegenüber dem Erben, d. h. der Pflichtteilsbereichtigte selbst ist kein Erbe. Er wird nicht im Erbschein ausgewiesen. Bei der Geltendmachung kann ggf. auf einen Anwalt zurückgegriffen werden, wobei der Anspruch somit durchaus auch im Wege einer Klage durchgesetzt werden kann.
Das ist ein Fall für Fachleute, da die genauen Rahmenbedingungen hier nicht klar werden. Grundsätzlich steht jedem Kind ein Pflichtanteil zu, dürfte sich um die 25 % bewegen. Es sei denn, der Erblasser hätte das Kind explizit enterbt, wofür aber schon schwerwiegende Gründe angeführt werden müssen
Für eine Enterbung müssen keine Gründe angegeben werden. Es ist Sache des Erblassers, eine solche Anordnung zu treffen. Trifft er sie - egal ob ausdrücklich oder konkludent - ist der Betroffene enterbt.
Wer enterbt ist und zum Kreise der gesetzlichen Erben gehört, hat regelmäßig einen Pflichtteilsanspruch. Dieser wiederum kann unter besonderen Umständen entzogen werden. Mögliche Gründe können in § 2333 BGB nachgelesen werden. Mangels entsprechender Erklärung würde ich im geschilderten Sachverhalt jedoch nicht von einem solchen Pflichtteilsentzug ausgehen.
Heißt es denn, das das erste Kind nur seinen Pflichtteil erbt, weil nur das zweite Kind im Testament genannt wurde? Es wurden ja auch nur Dinge bzgl. des Hauses darin geregelt und nichts anderes. Es gibt ja auch noch Vermögen und Sachwerte.
Nein. Kind eins erbt gar nicht, da es still enterbt wurde; da davon auszugehen ist, dass das Grundstück (dessen wesentlicher Bestandteil das Haus ist) den Großteil des Nachlasses darstellt.
Um die Verteilung des Erbes kümmert sich der Nachlassverwalter. Daraus ergibt sich dann auch der Anteil am Haus und natürlich am Fahrzeug und dem Inventar usw. Wenn das andere Kind das Haus bewohnen möchte, dann muss das Kind den Anteil des anderen Kindes auszahlen.
Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Nachlassverwalter durch das Gericht bestellt wird . Voraussetzung hierfür ist ein entsprechender Antrag der durch Erbschein ausgewiesenen Erben oder einen Gläubiger.
Der Nachlassverwalter kümmert sich dabei eigentlich nicht um die Verteilung des Nachlasses unter den Erben, sondern unter potentiellen Gläubigern (!) des Verstorbenen. Deine Idee ist in dem Fall, wie er hier geschildert wird, also nur für den Pflichtteilsberechtigten sinnvoll. Möglich wäre auch eine sogenannte Inventarerrichtung nach §§ 1993 ff BGB. Hierbei erfährt der Pflichtteilsberechtigte auch, wie sich der Nachlass zusammensetzt.
Ob das handschriftliche Testament anerkannt wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Wie alt ist das Testament?
Das Alter des Testamentes hat absolut keine Auswirkungen auf seine Wirksamkeit! Voraussetzungen der Wirksamkeit eines Testamentes ist, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung testierwillig und testierfähig war, das Testament den gesetzlichen Formvorschriften entspricht, höchstpersönlich errichtet wurde und nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, §§ 134, 138 BGB.
Vorliegend könnte höchstens über die formellen Aspekte spekuliert werden. Voraussetzung ist hauptsächlich, dass das Testament eigenhändig ge- und unterschrieben ist, § 2247 Absatz 1 BGB, dass heißt analog mittels Stift, nicht via Tastatur.
jigha hat geschrieben:Vorliegend ist zuerst fraglich, welche Stellung die im Testament bedachten einnehmen. Dies ist seitens des Nachlassgerichtes durch Auslegung zu ermitteln. Voraussetzung hierfür ist die Beantragung eines Erbscheines.
Den Erbschein wollten Kind 1 und Kind 2 heute ja beantragen, aber Kind 2 ist nicht ehelich und es fehlte die Vaterschaftsanerkennung des Verstorbenen. Diese wird aber nachgereicht. Da das Testament urplötzlich auftrat und auch die Unterschrift nicht wirklich eindeutig dem Verstorbenen zugeordnet werden konnte, ist das ganze mit dem Erbschein beantragen, erstmal verschoben worden.
jigha hat geschrieben:Kind eins ist - als gesetzlicher Erbe - berechtigt den Pflichtteil, § 2303 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu fordern. Der Pflichtteil selbst ist ein reiner Geldanspruch. Er orientiert sich am Gesamtwert des Nachlasses, d. h. insbesondere, dass das Grundstück in eine ggf. durchzuführende Berechnung einzubeziehen ist.
Wie muss Kind 1 sich denn nun verhalten, wegen dem Pflichtteil? Kind 1 ist am überlegen, ob sie ihren Anwalt zu Rate zieht und das ganze einfach an ihm abgibt. Das Grundstück und das Haus ist wohl der grösste Bestandteil des Erbes, da wohl niemand weiß, wie hoch das Geldvermögen des Verstorbenen ist. Muss Kind 1 denn nun trotzdem den Erbschein mit beantragen? Aber der Verstorbene wollte sicher nicht, das Kind 1 enterbt wird, er wollte lediglich das Kind 2 das Haus bekommt, weil dieser noch jung und behindert ist. Kind 1 hat einen eigenen Haushalt und auch eine eigene Familie.
Muss Kind 1 denn nun trotzdem den Erbschein mit beantragen?
Nein, es reicht, wenn der Antrag von einer Person gestellt wird.
Aber der Verstorbene wollte sicher nicht, das Kind 1 enterbt wird, er wollte lediglich das Kind 2 das Haus bekommt, weil dieser noch jung und behindert ist. Kind 1 hat einen eigenen Haushalt und auch eine eigene Familie
Im Verfahren der Erbscheinserteilung wird seitens des zuständigen Richters (dieser ist bei gewillkürter Erbfolge funktionell zuständig) angehört. Die bedenken könne dann zum Ausdruck gebracht werden.
Inwieweit die Konsultation eines Anwaltes sinnvoll ist, vermag ich nicht zu beurteilen. bei der Geltendmachung des Pflichtteils kann es durchaus sinnvoll sein. Was der Verstorbene gewollt hat ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dafür muss allerdings immer ein sogenannter Anklang im Testament gegeben sein. Das könnte hier doch recht schwer werden.
jigha hat geschrieben:Inwieweit die Konsultation eines Anwaltes sinnvoll ist, vermag ich nicht zu beurteilen. bei der Geltendmachung des Pflichtteils kann es durchaus sinnvoll sein.
Kind 1 wird sich auf jeden Fall anwaltliche Hilfe zur Seite holen, denn Kind 2 und die Lebensgefährtin des Verstorbenen, haben schon 2 Stunden nach dem Tod, Geld vom Konto des Verstorbenen geholt und wollten zudem noch eine grössere Summe umbuchen lassen, aber das konnte zum Glück nicht mehr geschehen, da die Konten zwischenzeitlich eingefroren waren. Es ist auch sehr komisch, das die Unterschrift überhaupt nicht mit den Unterschriften aus dem Grundbuch, die der Verstorbene ja unter Aufsicht eines Notares geleistet hat, übereinstimmen. Zudem ist das Testament ganz plötzlich erschienen und erst, als Kind 2 von dem Termin beim Amtsgericht erfahren hat. Selbst Kind 1 wurde vor dem Betreten des Büros vom Nachlassgerichtes nicht davon erzählt. Das ist ja auch nicht die feine englische Art.
Es klingt jedenfalls bedenklich. Ein solcher Sach- bzw. Wissenstand muss dem Nachlassgericht unbedingt mitgeteilt werden, damit entsprechende Sachverständigengutachten erstellt werden können. Hierbei werden dann das gängige Schriftbild mit dem Schriftbild des Testamentes verglichen, sodass bestenfalls ein Rückschluss auf die Originalität gezogen werden kann.
jigha hat geschrieben:Es klingt jedenfalls bedenklich. Ein solcher Sach- bzw. Wissenstand muss dem Nachlassgericht unbedingt mitgeteilt werden, damit entsprechende Sachverständigengutachten erstellt werden können. Hierbei werden dann das gängige Schriftbild mit dem Schriftbild des Testamentes verglichen, sodass bestenfalls ein Rückschluss auf die Originalität gezogen werden kann.
Das Testament wird nun auch geprüft. Das hat die gute Dame vom Amtsgericht nun in die Wege geleitet, weil sie selber gesehen hat, dass da was nicht stimmen kann.
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