Warum Lehrer siezen?

vom 26.09.2009, 15:58 Uhr

Da ich mich im Moment auf dem Weg befinde eine Lehrerin zu werden, habe ich mich auch mit diesem Thema beschäftigt. Ich selbst werde Grundschullehrerin und bestehe, auch im Praktikum darauf bei meinem Nachnamen angesprochen zu werden. Die Kinder müssen verstehen, dass ich nicht die große Schwester oder Freundin bin sondern die Lehrerin, die eben auch Ansprüche an die Kinder stellt und nicht nur zu Belustigung da ist. Ich bin zwar immer und gerne für einen liebevollen, freundlichen und lockeren Umgang zu haben, aber die Kinder müssen auch wissen, dass ich immer noch die bin die "das letzte Wort" hat, wenn es nötig ist. Für mich hat das Siezen allgemein allerdings nichts mit Respekt zu tun sondern eher mit Abgrenzung. Respekt verdient man sich und bekommt ihn nicht dadurch, dass man einen Titel hat oder gesiezt wird. Ich sehe manche Kinder an Schultagen länger, als die eigenen Eltern und das über 4 Jahre hinweg. Da ergibt sich schon ein "vertrautes" Verhältnis und gegen dieses Spricht ja auch gar nichts, aber das Vertraute sollte eine Grenze haben .

Mir persönlich gefällt übrigens die Anrede "du Frau XXX" am besten (zumindest in der Grundschule!). Diese Form wird heutzutage oft in Grundschule verwendet und zeigt für mich sowohl die Abgrenzung, als auch das vertraute Verhältnis.

Albern finde ich übrigens das Gesieze von Schülern in der Oberstufe. Plötzlich kam man in die 11te Klasse und wurde von Lehrern gesiezt (beim Vornamen) die einen vorher jahrelang geduzt haben :lol: . Sowas ist einfach nur lächerlich. In der Uni wurde es dann für mich ganz kompliziert. Dozenten und Professoren werden im allgemeinen gesiezt, war man jedoch (bei jüngeren Dozenten) öfters in der Sprechstunde und in Seminaren wird da auch gerne mal das "Du" angeboten. Kommilitonen werden eigentlich immer geduzt. Wenn man jedoch in Seminaren ist in denen der Dozent alle siezt und man sich privat nicht kennt, fängt man ganz schnell an auch außerhalb von Seminaren über Kommilitonen mit "Frau C. hält nächstes Mal das Referat, oder?" zu reden.

Mfg,
Sinda

» Sinda » Beiträge: 358 » Talkpoints: -0,28 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke auch, dass das Siezen der Lehrer weniger mit Respekt, sondern eher etwas mit Abgrenzung zu tun hat. Schließlich habe ich ja nicht automatisch vor jedem Lehrer Respekt, weil ich ihn sieze. Diesen Respekt muss sich jeder Lehrer erst mit seiner fachlichen wie sozialen Kompetenz bei mir erarbeiten. Versagt er jedoch, werde ich ihn zwar trotzdem noch siezen, aber weniger Respekt vor ihm haben. Aus Respekt vor den Konsequenzen würde ich allerdings davon absehen, mit ihm seine Defizite besprechen zu wollen.

Viele Lehrer grenzen sich ja noch weiter ab und siezen in der Oberstufe sogar ihre Schüler. Das kam mir bislang immer sehr suspekt vor und diese Lehrer waren es auch, die auf mich einen seltsamen Eindruck gemacht haben. Wenn sowohl Lehrer als auch Schüler gesiezt werden, ist das für mich einfach ein befremdliches Gefühl. Diese Distanz will mir auch nicht gefallen, weil man über die Monate oder gar Jahre auch eine gewisse Vertrautheit aufbaut. Besser gefallen hat mir das Angebot der meisten Lehrer, wenigstens die Schüler noch zu duzen, weil es die Jahre zuvor ja auch so funktioniert hat. Der Unterricht bei diesen Lehrern hat mir allein schon wegen dieses Umstands mehr Spaß gemacht, weil diese Distanz zwischen Lehrer und Schüler nicht so wahnsinnig groß war.

Am besten würde es mir gefallen, wenn auch die Schüler ihre Lehrer duzen dürften, aber das wird wohl nie der Fall sein. Zumindest werde ich später im Berufsleben versuchen, meinen Vorgesetzten duzen zu dürfen. Schließlich baut man hier nach Möglichkeit auch eine gewisse Vertrautheit auf (oder versucht es zumindest). Da zeugt es in meinen Augen auch irgendwie von Respekt seitens des Arbeitgebers, die Distanz aufzugeben und mit seinen Arbeitnehmern per Du zu sein. Aber sicher gibt es hier auch wieder viele, die anderer Meinung sind als ich.

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» Silentium » Beiträge: 121 » Talkpoints: 122,98 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich bin der Meinung, dass man Lehrer nach wie vor siezen sollte. Bei Lehrern oder allgemein bei Erwachsenen handelt es sich um Respektspersonen, denen man selbigen auch entgegen bringen sollte. Würde man die Lehrer duzen, würden das sicherlich viele Schüler als Freibrief für irgendwelche Respektlosigkeiten und Unfug nutzen, obwohl es sicherlich das Lernklima in der Klasse verbessern würde. Aber wie gesagt, dann müssten alle Schüler ihrem Lehrer trotzdem den nötigen Respekt zollen, sonst geht es schief und der Lehrer erreicht genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich wollte, nämlich dass die Schüler leichter lernen.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



In Dänemark, also gar nicht so weit entfernt, gibt es schon seit langem kein "Sie" mehr. Häufig wird allerdings erwähnt, dass das "Sie" sehr wohl noch bei älteren Menschen angebracht sei, da diese sich nicht daran gewöhnen können, geduzt zu werden. Allerdings dürfte die Anzahl dieser Menschen wohl schon sehr gering sein, da sie sonst schon steinalt sein müssten! An diesem Beispiel zeigt sich, dass man Traditionen eben nicht so einfach über Bord werfen kann, alles braucht seine Zeit.

» R. Neumann » Beiträge: 2 » Talkpoints: 2,31 »



Ich finde das "Sie" gegenüber Lehrern auch durchaus angebracht. Letztendlich soll der Lehrer zwar den Stoff vermitteln, hat aber nicht die Aufgabe, der beste Kumpel zu sein. Auch denke ich, ist es möglich, sich mit einem Lehrer auch durchaus mal über private Dinge zu unterhalten, ohne, dass das "Sie" wegfällt.

Das "Sie" als Barriere zwischen Schülern und Lehrern finde ich sogar recht nützlich. Es zeigt doch eine gewisse Grenze auf, wie weit man gehen kann, ohne die Distanz zu brechen. Es gibt doch auch gelegentlich den Fall, dass sich Schüler/-innen zu ihren Lehrkräften hingezogen fühlen. Ich schätze, wenn ein Du zwischen solchen Verhältnissen herrscht, kann man sich leichter in irgendwelchen Ideen verrennen, als wenn ein "Sie" besteht.

» Lafayette » Beiträge: 236 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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