Shitstorms - Wenn mediale Diskussionen völlig ausufern

Bei vor kurzen kannte ich den Begriff noch gar nicht. Shitstorms, das klingt irgendwie eklig, wenn man sich vorstellt, dass einem bei einem Sturm tatsächlich Fäkalien um die Ohren fliegen. Im ersten Moment fragte ich mich auch, was das um Himmels Willen sein könne, was man mit so einem Kraftausdruck betiteln könnte. Das, was ich gefunden habe, kommt der Bezeichnung recht nahe.

Der Anlass dafür, dass ich diesen Ausdruck kennen gelernt habe ist ein ganz einfacher Werbespot, den sicher viele von Euch hier schon im Fernsehen gesehen haben. Dirk Nowitzki wirbt für die ING Diba und der Werbespot spielt in einer Metzgerei. Er bekommt von einer älteren Metzgersfrau wie ein Kind eine geschenkte Wurst über den Tresen gereicht und man erinnert sich in der Metzgerei daran, dass Nowitzki als Kind schon immer eine Wurst geschenkt bekommen habe, damit der groß und stark werde. Eine interessante Pointe, denn immerhin ist er heute über zwei Meter groß und ein äußerst erfolgreicher Basketballer. Dahin gestellt ist lediglich, was dieser nostalgische Spot mit den Dienstleistungen eines Finanzinstitutes zu tun hat. Genau so hätte man aber auch fragen können, was Kaffee-Bohnen-Werfen mit einer Bank zu tun hatte.

Diese eine Scheibe Wurst und der Slogan, dass Wurstessen groß und stark mache hat einige Vegetarier und Veganer auf den Plan gerufen, ihren Unmut auf der Fanpage der Bank auf Facebook kund zu tun. Das ganze ist reichlich ausgeufert, seit Tagen beschimpfen sich unzählige Personen, teils mehr, teils weniger unter der Gürtellinie. Wenn man auf dieser Seite nach Informationen über die Bank sucht, muss man lange graben. Sie ist komplett mit Off Topic Posts überrannt. Einige Leute jubeln schon lautstark, dass das ganze ein genialer Werbespot ist, weil gute Werbung viel Aufmerkssamkeit erzeugt und selten ein so biederer Werbespot so einen Skandal ausgelöst haben mag.

Witzigerweise habe ich auf der Seite von Nowitzki keine Anzeichen für so eine Entrüstungswelle gefunden. Irgendwie finde ich das unerklärlich. Möglicherweise löscht aber Nowitzkis Management solche Kommentare einfach. Da fragt man sich schon, wie viel Meinungsfreiheit noch legal ist. Inzwischen ist auch die Diskussion anhand dieses Falles wieder aufgekommen, wie weit das Hausrecht eines Facebookseitenbetreibers geht und ab wann man Meinungsäußerungen löschen darf. klick

Prinzipiell finde ich das interessant zu beobachten, wie sich so ein kleiner Anlass zu einer riesigen Aktion ausweitet. Ich wundere mich auch, wie willkürlich so etwas entsteht. Als bekannt wurde, dass die deutsche Bank in unethische Kriegsmaterialien investiert und dadurch Profit erwirtschaftet, brandete komischerweise so eine Welle nicht auf. Warum erhitzen sich dann die Gemüter in letzter Zeit so plötzlich?

Wenn man den Begriff nun kennt, überlegt man schon, wo und wann sonst noch Shitstorms statt gefunden haben könnten, die man möglicherweise verpasst hat. Die Wikipedia-Seite listet dazu einiges auf. Ich war echt erstaunt, dass es da so vieles gibt. Hier würde mich interessieren, wie ihr solche Diskussionen seht, wo ihr doch durch das hohe Niveau in diesem Forum hier vermutlich genau so verwöhnt seid wie ich. Würdet ihr euch trotzdem an Shitstorms beteiligen oder habt ihr das schon? Warum würdet ihr das tun oder auch nicht? Wie beurteilt ihr diese Gesprächsform und warum? Was bewegt so viele Leute dazu, sämtliche Regeln des höflichen Miteinanders aus der realen Welt so urplötzlich fallen zu lassen, wenn sie Teilnehmer in so einem Shitstorm werden?

Ich kenne den Werbespot gar nicht, frage mich aber dennoch, was er mit einer Bank zu tun hat. Vielleicht habe ich ihn ja doch schon gesehen, und aus diesem Grund, weil der Zusammenhang fehlt, einfach nicht weiter beachtet. Warum sich so viele Vegetarier darüber aufregen, verstehe ich auch nicht. Gibt ja auch genug Werbespots mit Gemüse usw.

Ich muss sagen, ich verstehe auch nicht warum die Vegetarier sich so über den Werbespot aufregen. Es gibt auch andere Werbespots die zumindest "bedenkliche Werte" übermitteln wollen. Ich kann mich aber an einen RTL-Bericht über die Gamescom 2011 erinnern, indem "Gamer" als unhygienische Aliens , welche kein "Real Life" haben dargestellt wurden. Als Antwort auf diesen Bericht wurde die RLT-Facebookseite mit wüsten Beleidigungen überschwemmt und die RTL-Homepage wurde sogar gehackt. Bei dieser Action kann ich die Gamer schon irgendwie verstehen. Selbst beteiligen würde ich mich an "Shitstorming" wohl eher nicht. Jedoch kommt es ganz auf das Thema an. Der RTL-Bericht hat mich schon ziemlich in Rage versetzt da ich auch selber leidenschaftlich gerne Computerspiele spiele.

Ich denke es kommt immer wieder zu "Shitstorming" weil sich die Leute nicht mehr alles gefallen lassen wollen. Im Internet sind sie anonym und können oft auch mehrere Male (durch "FakeAccounts" etc. ) ihrem Unmut kundtun.

Ich kann eigentlich nicht behaupten, dass ich da jemals dran teilgenommen habe, vielmehr habe ich höchstens den ein oder anderen Sturm in einem Internetforum angezettelt und dann grinsend zugeguckt, was daraus wurde oder ein Tröpfchen Öl ins Feuer gegossen. Man muss eigentlich nur die "richtigen" Persönlichkeiten finden und ein wenig anstupsen. Komischerweise ging es mir auch wie Nowitzki, mich ließ man dabei in Ruhe. Ich denke, Communities wie Facebook liefern einfach die optimale Plattform, um aus einem Fürzchen einen Sturm zu machen und da der Mensch an sich gern lästert, mit läuft und sich in Herden zusammenrottet, ist die Kacke dann eben ganz schnell am Dampfen. Da entwickelt sich halt einen Eigendynamik. Persönlich habe ich an der Teilnahme an solchen Diskussionen eher kein Interesse. Das ist vertane Zeit.

Ich würde mich nie an einem sogenannten Shitstorm beteiligen. Das Wort kannte ich vor ein paar Wochen noch nicht. Es gefällt mir aber sehr gut, weil es so treffend ist. Wenn in den Online-Ausgaben der Zeitungen keine Moderatoren säßen, die ein bisschen zensieren, würde das in jeder Diskussion ausarten. Die Menschen fühlen sich anonym und schreiben aus Wut oder Neid oder Hass oder sonstigen negativen Gefühlen viele Dinge, die sie sonst wahrscheinlich nicht so radikal ausdrücken würden.

Ich habe noch keinen so richtigen Shitstorm erlebt. Meine Freundin war aber einmal Ziel eines kleineren Shitstorms. Meine Freundin hat einen Sohn, der in einem bestimmten Computerspiel sehr gut war. Es gab auch einen Artikel in einer Zeitung über ihn. Der Junge ist völlig normal, geht aufs Gymnasium, sitzt aber eben ein bisschen länger am Computer als andere. Sport macht er aber auch, im Moment ziemlich intensiv Taekwondo, mittlerweile hat er auch eine Freundin. Die Leserbriefe auf diesen Artikel hin haben mich sehr bestürzt. Es waren so Bemerkungen, dass die Eltern ihre Fürsorgepflicht verletzten, das Kind sei ein Fachidiot, würde nie eine Freundin finden, sei nicht ganz normal, stünde mit 16 ohne Schulabschluss da und fiele der Gemeinschaft zu Lasten. Alles war natürlich viel drastischer ausgedrückt, es fehlte nur noch, dass sie ihn lynchen wollten. Ich war schockiert, weil so viel Neid in den Zuschriften steckte. Es war ein ganz harmloser Artikel, keiner von den Leserbriefschreibern kannte das Kind persönlich.

Ich denke, in der Anonymität kommen die niederen Instinkte hoch, die man in Gesellschaft unterdrückt. Über diese Instinkte, die wahrscheinlich in jedem Menschen stecken, bin ich ziemlich beunruhigt. Es ist ja auch in der anonymen Masse bei Aufläufen auf der Straße so, dass die Menschen zu viel mehr Untaten fähig sind als alleine.