Klassenfahrt: Lehrerin nimmt "Heimwehtropfen" mit

vom 21.05.2012, 12:24 Uhr

Die Idee mit den Heimwehtropfen finde ich irgendwie recht süß. Da sieht man, dass sich die Lehrerin Gedanken um die Kinder macht. Und es ist ja eigentlich natürlich, dass ein paar Kinder Heimweh haben und wenn die Lehrerin es ihnen mit "Heimwehtropfen" (oder eher dem Placebo-Effekt) leichter macht, ist es doch okay.

Das sich die Mütter darüber so aufregen zeigt ja eigentlich nur: Man kann sich alles schlecht reden. Die Mütter sollten, bevor sie so eine Lawine ins Rollen bringen, erstmal mit der Lehrerin reden, was denn überhaupt damit gemeint sei.

Man kann nicht sagen, dass die Lehrerin die Kinder an der "Nase herumführt", finde ich. Es wäre für mich ähnlich, wenn ein Kind hinfällt und man dann auf die verletze Stelle pustet und sagt, der Schmerz wäre weggeflogen. Kinder glauben das ja unter Umständen auch. Warum nicht also auch die Heimwehtropfen? Und irgendwann später werden die Kinder ja auch merken, dass der Placebo-Effekt da zugeschlagen hat.

» cupcake03 » Beiträge: 1152 » Talkpoints: 29,50 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich arbeite seit ein paar Jahren im Bereich der Suchtprävention und wenn ich mir das von dieser Seite her betrachte, so finde ich die Idee der Lehrerin ehrlich gesagt alles andere als toll. Dass wohl keine echten Medikamente verteilt werden, ist denke ich mehr oder weniger allen klar. Ich gehe ebenfalls davon aus, dass sie Zuckerl, einen Saft oder dergleichen meint. Über die Folgen im Falle von echten Medikamenten brauchen wir hier glaube ich gar nicht erst diskutieren. Das geht natürlich gar nicht.

Die Lehrerin hat es auch sicher lieb und nett gemeint und denkt sicher an das Wohl der Kinder. Einen wirklichen Schaden werden die wohl auch nicht davon bekommen und die Wirkung von so einem Heimwehpillchen bestreite ich auch nicht. Allerdings halte ich generell sehr wenig bis nichts davon, dass man Kindern mehr oder weniger nahe legt, dass sie bei jedem Unwohlsein gleich einfach eine Pille schlucken müssen und dann wird es ihnen durch die Pille besser gehen. Nichts anderes sollen diese Heimwehtropfen oder was auch immer vermitteln, auch wenn es nur harmlose Zuckerl sind.

Das Kind kann das aber oft nicht unterscheiden, auch wenn es natürlich schon mit bekommt, dass es "nur" ein Zuckerl ist. Aber es lernt dadurch, dass man eben ein Zuckerl oder eine Pille schlucken muss, damit es einem besser geht. Das kann durchaus auch gefährlich werden. Nicht, wenn man das einmal macht, also da braucht man sich keine Sorgen machen, aber wenn man das regelmäßig macht, kann das durchaus spätere Folgen haben. Ich behaupte nicht, dass Kinder später durch solche Pillen leichter in ein Suchtverhalten verfallen. Aber eine gewisse Gefahr sehe ich durchaus darin.

Sucht bedeutet ja auch nicht gleich, dass man dann später gleich zu harten Drogen oder so greift. Aber irgendwann einmal sind die Zuckerl dann wohl nicht mehr so interessant und man greift dann eben eher zu einer Zigarette oder auch anderen Alternativen. Im Prinzip wurde den Kindern ja auch nichts anderes beigebracht. Bist du traurig, dann nimm eine Pille, dann geht es dir besser. Medikamente sollen meiner Meinung nach Medikamente bleiben und auch nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich notwendig sind. Heimweh sollte meiner Meinung nach nicht mit Pillen "behandelt" werden, auch wenn es nur Zuckerl sind. So eine Einstellung kann natürlich auch der Nährboden dafür sein, dass man sich immer nur mit Süßigkeiten oder dergleichen vertrösten kann.

Das sind nun natürlich alles nur Tendenzen. Wenn nun die Klassenlehrerin einmal bei der Klassenfahrt diese Einstellung vermittelt, sollte das dem Kind natürlich keinen Schaden zufügen. Wobei man nicht unterschätzen darf, dass gerade Kinder im Grundschulalter die Einstellung der Lehrerin durchaus sehr ernst nehmen und das durchaus auch prägend sein kann, aber natürlich nicht muss. Wenn dann die Eltern zu Hause auch gleich Trosttropfen für ein Wehwehchen oder was auch immer verteilen, dann ist das natürlich nicht so toll.

Aus diesen Gründen wäre ich von der Idee der Lehrerin ehrlich gesagt auch alles andere als begeistert. Da gibt es durchaus auch andere Alternativen, wie man Kinder bei Heimweh trösten kann. Da muss es nicht gleich eine "Pille" sein. Auf die Barrikaden würde ich allerdings deswegen nicht gehen. Ich würde da nun keinen großen Aufstand machen. Mein Sohn wächst sowieso nicht mit der Einstellung auf, dass es gegen jeden Kummer ein Pillchen gibt. Und das was die Eltern vermitteln, ist in der Regel ja auch die Grundeinstellung.

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Die Idee finde ich ganz nett. Es zeigt, dass die Lehrerin sich um die Kinder kümmert und ihnen die Angst vor der Klassenfahrt und dem Heimweh nehmen möchte. Warum die Eltern nun alle Sturm laufen, dass die Lehrerin Medikamente verteilt, kann ich so nicht verstehen. Es werden doch nur ein paar Tropfen mit irgendeinem Geschmackszusatz sein, die den Kindern wegen der Placebowirkung gegeben werden. Ich finde, mit Kommunikation kann vieles geklärt werden und so sollte doch erst mal die Lehrerin gefragt werden, was sie damit gemeint hat, bevor sich die Eltern gegen sie verbünden.

Auf der anderen Seite kann es für die Kinder aber auch zu einem Problem werden, weil sie ja davon ausgehen, dass das Heimweh wegen dieser Tropfen gelindert wird. Wenn dann also mal eine andere längere Tour ansteht, z.B. mit dem Sportverein, und die Betreuungsperson hat keine Tropfen dabei, könnte das Heimweh bei dem Kind in dem Moment verstärkt werden.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^