Gedanken einer 6 jährigen über die Vergangenheit

Die kleine Enkeltochter meiner Freundin kommt in diesem Jahr in die Schule. Am Wochenende war sie bei Oma und hatte da ein Gesprächsthema, was man eigentlich von älteren Leuten kennt. Sie meinte zu ihrer Oma mit einer weinerlichen Stimme, dass sie ja bald in die Schule kommt und dann wohl nichts mehr wäre, wie es früher mal gewesen ist. Sie kann nicht mehr einfach über Nacht zur Oma und sie wird auch nie wieder eine Geburtstagsfeier mit ihren jetzigen Freunden feiern können, was natürlich unsinnig ist, weil man ja auch beim nächsten Geburtstag diese Kinder einladen kann. Aber das Kind meinte, dass dann ja andere Freunde kommen und es dann einfach nicht mehr das Gleiche ist.

Sie weinte sogar als sie davon sprach, dass sie auch nicht mehr einfach mit der Mama wegfahren könnte, weil sie ja Schule hat und sie auch nicht wieder den Urlaub in Griechenland haben wird, den sie im letzten Jahr hatte. Sie würde nie wieder das Mädchen treffen, was sie dort kennengelernt hat. Die Enkeltochter meiner Freundin wurde richtig melancholisch und meine Freundin hatte alle Not sie zu beruhigen und ihr zu sagen, dass auch neue Sachen eben schön sind und sie immer die Freunde einladen kann, die sie jetzt hat und dass die Eltern auch bestimmt noch mal nach Griechenland mit ihr fliegen.

Kennt ihr das von so kleinen Kindern, dass sie so in der Vergangenheit schwelgen? Ich kenne das eigentlich erst ab dem Erwachsenenalter, dass man da an die Kindheit zurückdenkt. Ich persönlich halte es wirklich für sehr früh, dass ein Kind so sehr in der Vergangenheit schwelgt. Was geht in einem so kleinen Kinderkopf nur vor?

Ich finde das ganz normal. Ich habe auch an meine Vergangenheit zurück gedacht, kurz bevor ich eingeschult worden bin. Nur mit dem Unterschied, dass ich mich damals sehr auf die Schule gefreut habe und dass ich erzählt habe, was ich nun alles nicht mehr machen muss, was ich alles lernen werde und wie viel besser es doch sein wird.

Aber ich habe auch als Kind schon melancholisch an meine Vergangenheit zurück erinnert. Für ein Kind ist der Übergang von Kindergarten in die Schule ein ziemliche Statuspassage. Für die einen ist es etwas positives, die anderen freuen sich nicht so sehr oder sie freuen sich vielleicht doch, aber sie sehen auch die Schattenseiten, wie eben dieses Mädchen. Natürlich kann man auch wenn man schon zur Schule geht noch Urlaub in Griechenland machen, aber woher soll das Mädchen dies denn wissen? Die Schule ist bislang ja noch eine sehr fremde, unbekannte Situation für sie und in einigen Punkten hat sie ja auch schon Recht. Zum Beispiel, dass sie neue Freunde finden wird und dass es nicht mehr ganz das gleiche sein wird, wenn sie nun auch ihre alten Freunde mit zu ihrem Geburtstag einladen wird.

Ich halte es nicht für besonders früh, wenn dieses Mädchen nun mit sechs Jahren melancholisch an ihr vergangenes Leben zurück denkt. Das kommt auch schon früher vor. Das Nachbarskind ist vier Jahre alt und hat an Weihnachten schon gesagt, dass das Weihnachten davor viel schöner gewesen wäre und dass es nie wieder so schön sein könnte. Der Grund: es wird niemals mehr so einen tollen Weihnachtsbaum geben wie den, den die Familie damals hatte! In wie weit sich das Kind noch wirklich richtig an das zurück liegende Weihnachtsfest erinnern kann sei einmal dahingestellt, aber es hat ebenfalls reflektiert.

Man denkt sich als erwachsene Person immer, dass die Kinder sorgenfrei und "naiv" sind. Aber auch Kinder haben Gefühle, Sorgen und denken weiter voraus. Da sie nebenher auch mit Problemen noch nicht so gut umgehen können, wie die Erwachsenen, brauchen sie dabei unsere Hilfe und Unterstützung.

Ich habe mir als Kind sehr viele solche Gedanken gemacht und auch oft geweint. Offensichtlich jedoch nicht, eigentlich eher im Stillen. Kinder sind nicht zu unterschätzen und sie haben das Recht, sich Gedanken über Vergangenheit und Zukunft zu machen, wie wir Erwachsenen eben auch.