Legasthenikersatz im Zeugnis oder lieber schlechte Note?

vom 18.05.2012, 15:09 Uhr

Eine Freundin von mir hat eine Tochter in der neunten Klasse Realschule, die schwere Legasthenikerin ist. Sie bekommt in Schulaufgaben immer mehr Zeit als die anderen Kinder, und die Rechtschreibung wird nicht bewertet. Daher steht sie trotz ihrer vielen Fehlern und ihrer fast unleserlichen Schrift in Deutsch auf einer Zwei.

Meine Freundin überlegt nun, ob sie den Nachteilsausgleich für die Legasthenie weglassen soll. Dadurch würde die Note zwar schlechter, vielleicht sogar um zwei Notenstufen, aber die Tochter hätte im Abschlusszeugnis nicht mehr die Legastheniebemerkung drin. Meine Freundin befürchtet, dass durch diese Bemerkung die Chancen auf einen Ausbildungsplatz massiv verschlechtert werden.

Ich wüsste auch nicht, für was ich mich entscheiden würde. Ich würde wahrscheinlich die Bemerkung drin lassen, eine Vier im Abschlusszeugnis macht sich ja auch nicht so gut. Wie würdet ihr entscheiden? Es hängt ja eine ganze Menge davon ab. Kann man eigentlich den Nachteilsausgleich weglassen, und wenn das gar nicht funktioniert, wieder einfordern? Hat jemand von Euch Erfahrungen mit Legasthenikern in Abschlussklassen?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es mag zwar die Chancen auf einen Ausbildungsplatz erschweren, aber was wird wohl ein Arbeitgeber denken, wenn
er erst nach Einstellung feststellt, dass die Tochter deiner Freundin Legasthenikerin ist? Er würde sich wohl zurecht betrogen fühlen und das könnte unter Umständen fatale Auwirkungen auf den Verlauf der Ausbildung haben.

Dann doch lieber mit offenen Karten spielen und offen mit der Rechtschreibschwäche umgehen. Es wird zwar vielleicht schwerer sein, einen Ausbildungplatz zu finden; wenn man jedoch etwas passendes gefunden hat, kann man auch sicher sein, dass der Arbeitgeber tolerant mit der Legasthenie umgehen wird.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 18.05.2012, 15:17, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Da immer mehr Kinder und eben auch Jugendliche davon betroffen sind beziehungsweise wo man es diagnostiziert hat, verschlechtern sich die Chancen auf einen Ausbildungsplatz kaum. Denn immerhin weiß man so vorher, wo das Problem liegt und in vielen Berufen ist es auch nicht relevant, da man kaum etwas schreiben muss. Es kommt dabei sicherlich auch darauf an, was das Mädchen für eine Ausbildung machen kann.

Nur muss man es auch von einer anderen Seite sehen. Nimmt man die schlechtere Abschlussnote in Kauf, verbessert dies die Chancen auf eine Ausbildungsstelle absolut nicht. Und auch später in der Berufsschule und selbst zur IHK-Prüfung kann man dann nicht plötzlich die Sonderrechte auf Grund der Lese-Rechtschreibschwäche geltend machen.

Ich selbst habe auch eine Tochter, wo eine Lese-Rechtschreibschwäche in der zweiten Klasse festgestellt wurde. Da sind wir in Sachsen aber schon einen Schritt weiter, denn hier gibt es Grundschulen, welche spezielle Förderklassen für Legastheniker haben. Damit geht meine Tochter zwar insgesamt fünf Jahre zur Grundschule, aber sie kann trotzdem immer voller Stolz behaupten, dass sie ja nicht sitzen geblieben ist.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich würde mich auch dafür entscheiden, dass man den Zusatz einfach auf dem Zeugnis hat. Ich denke, da wird man vielleicht noch eher einen Ausbildungsplatz finden, als wenn man eine schlechte Note auf dem Abschlusszeugnis hat. Legasthenie ist nun mal eine angeborene Schwäche, wofür niemand etwas kann.

Ich finde, dass man dann schon dazu stehen muss. Daher würde ich mich so entscheiden. Und es ist doch gut, wenn man bei Klassenarbeiten berücksichtigt wird. Wer weiß, ob die Tochter es noch auf eine 4 schafft, und nicht am Ende noch eine schlechtere Note bekommt. Das würde doch das Zeugnis ruinieren.

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» senny » Beiträge: 2589 » Talkpoints: 9,37 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich würde den Zusatz ebenfalls auf dem Zeugnis lassen. Mit einer 2 in Deutsch und dem Zusatz wird sie bessere Chancen haben, als mit einer 4. Welchen Beruf möchte das Mädchen denn ausüben? Wenn sie natürlich nun eine schwere Bürotätigkeit ausüben wollte, dann wäre die Entscheidung noch mal schwerer, da ich auch glaube, dass kein Arbeitgeber im Büro eine Legasthenikerin einstellen würde. Dennoch würde ich aber mit offenen Karten spielen und eine passende Ausbildungsstelle suchen, die ihr Spaß macht und wo sie ihre Krankheit einfach nicht verstecken braucht. Zum Beispiel könnte sie im Hotel arbeiten oder Ähnliches.

» Lara2011 » Beiträge: 1466 » Talkpoints: 0,19 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich würde die Bemerkung auf jeden Fall auf dem Zeugnis stehen lassen. Nur weil man Legastheniker ist, heißt das ja nicht, dass man von der Sprache und vor allem Grammatik nichts versteht. Lediglich die Rechtschreibung leidet stark, aber das kann man zum Teil ja auch eingrenzen, wenn man sich Hilfe holt. Zudem können gute Noten in anderen Fächern ja beweisen, dass jemand nicht dumm ist. Die Naturwissenschaften eignen sich da sehr gut.

Jedenfalls sieht ein "Ausreichend" auf dem Zeugnis nicht sehr gut aus. Arbeitgeber könnten denken, dass der Schüler von der Sprache generell keinerlei Ahnung hat. Ist ein Hinweis auf Legasthenie auf dem Zeugnis zu finden, so weiß der Arbeitgeber vorher Bescheid und kann dementsprechend reagieren. Die Krankheit einfach unter den Tisch fallen zu lassen, halte ich nicht für richtig. Der Arbeitgeber wird es früher oder später merken und das könnte dann wirklich unangenehm werden! Es würde mich nicht wundern, wenn kurz darauf eine schriftliche Kündigung im Briefkasten liegt.

Generell halte ich die verminderten Regeln für Legastheniker in der Schule nur zum Teil optimal. Ich denke, dass es in Ordnung ist, wenn die Kinder bis einschließlich der achten Klasse Rechtschreibfehler nicht negativ angerechnet bekommen. Danach sollten diese jedoch gewertet werden, damit die Kinder lernen, mit der Krankheit umzugehen. Im späteren Berufsleben gibt es keine Gnade mehr, da kann der Arbeitgeber frei entscheiden, wen er einstellt. Darauf sollten Legastheniker vorbereitet sein.

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» Synchro » Beiträge: 1641 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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