Wie zufrieden seid ihr mit dem Bachelor-Master-System?

vom 28.04.2012, 20:00 Uhr

Der Bologna-Prozess ist schon einige Jahre her und die Bachelor-Master-Studiengänge wurden ab 2003, wenn ich mich recht entsinne, eingeführt. Ich studiere Lehramt im Modellvorhaben (also auch Bachelor-Master) und kenne auch einige Studierende, die noch nach dem alten Recht studieren. Ich kenne daher beide Systeme doch recht gut und finde, dass sie Vor- und Nachteile haben.

Der Bachelor-Master-Studiengang ist bekanntlich stark modularisiert. Wir haben kaum Wahlmöglichkeiten und müssen die Module meist erst abschließen, um ein neues Modul beginnen zu können. Der Nachteil daran ist, dass man bei Nichtbestehen einer Modulabschlussprüfung meist auch direkt ein Jahr warten muss. Außerdem darf jede Modulabschlussprüdung maximal 2 mal wiederholt werden. Wird eine Modulabschlussprüfung zum 3. Mal nicht bestanden, so ist das Studium an dieser Stelle beendet. Das ist ein Punkt, der mich am meisten belastet und einen hohen Druck aufbaut. So habe ich die ein oder andere Prüfung nicht direkt wiederholt, sondern lieber ein Jahr gewartet und dadurch eben Zeit verloren.

Nach der alten Studienordnung ist es so, dass die Studienleistungen und Klausuren so oft geschrieben dürfen, wie man eben braucht. Auch bestehen mehr Wahlmöglichkeiten der einzelnen Kurse. Einen großen Nachteil sehe ich darin, dass am Ende in den Fächern noch Abschlussprüfungen anstehen und man so auch locker nach einigen Semestern den alten Stoff wieder auf dem Kasten haben muss. Der große Vorteil ist meiner Meinung nach aber der, dass man die Prüfungen vorher, also in meinem Fall die schweren Mathematik- und Physikklausuren so oft wiederholen darf, wie man will.

Was mich aber am meisten stört, ist, dass der Bologna-Prozess Versprechungen gemacht hat, die er nicht einhalten kann. Sollten die Abschlüsse doch international vergleichbar sein. Es ist sogar ein Schwierigkeit von Bochum nach Dortmund zu wechseln, da die Studienordnungen nicht direkt vergleichbar sind. Wie sollen denn da die Abschlüsse vergleichbar sein? Ich kann mein Referat auch nur in NRW machen. Andernfalls muss geprüft werden, ob mein Abschluss in einem anderen Bundesland anerkannt werden kann.

Wie seht ihr das? Welche Erfahrungen habt ihr mit dem neuen System gemacht? Hält es eurer Meinung nach das, was es verspricht? Ein Versprechen, das mich als Lehramtsstudent nicht betrifft ist, dass man bereits nach dem ersten Abschluss, dem Bachelor, in den Beruf gehen kann. Wie ist das bei euch? Nutzt ihr das? Oder klappt das gar nicht wirklich, weil es von der Wirtschaft nicht wirklich akzeptiert wird?

» musicality » Beiträge: 809 » Talkpoints: 1,77 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich habe mich vor einigen Jahren für ein Bachelor-Studium mit anschließendem Master entschieden, weil es meiner Ansicht nach die beste Alternative darstellte. Das Diplom als solches stand vor dem Aussterben, nach und nach würde die Umstellung stattfinden. Warum dann also mangelnde Flexibilität beweisen und an etwas festhalten, was abgeschafft werden soll?

Schöne Gedanken, die meiner Ansicht nach mit der Realität leider nur bedingt zu tun haben. Das System erscheint mir hier in Deutschland nur wenig durchdacht: Wie soll eine Vergleichbarkeit geschaffen werden, wenn ein einziger Studiengang so viele unterschiedliche Ausprägungen aufweist? Ein exzellentes Beispiel dafür ist der von mir absolvierte Studiengang. Als wir "damals" anfingen, war es ein ausgesprochen straff organisiertes Programm. Zwei oder gar drei Klausuren an einem Tag waren keine Seltenheit, der Abstand zwischen den einzelnen Prüfungstagen war lächerlich. Den Höhepunkt stellte eines der letzten Semester dar - hier durfte ich 14 Klausuren innerhalb von 9 Tagen (da ist das Wochenende auch schon mit eingerechnet) absolvieren. Das ist ein ordentliches Lernpensum, was zugegebenermaßen ziemlich schlaucht. Wir waren stolz, das durchgezogen zu haben ... und dann mussten wir feststellen, dass für das Semester unter uns schon längst neue Regeln gegolten haben. Die hatten dann für den ganzen Stoff mehrere Wochen Zeit. Finde ich ehrlich gesagt nicht fair. Diejenigen, die zwei Semester nach uns gestartet sind, haben dann schon einen anderen Studienplan gehabt - welcher weitere zwei Semester später erneut über den Haufen geworfen wurde. Mit blieb nur noch, den Kopf zu schütteln. Wie soll mich denn da jemand beurteilen?! Und dieses Chaos dann auch noch an einer einzigen Hochschule. Wie sieht es aus, wenn man den Studiengang bundesweit vergleichen möchte? Ich denke, das ist schlichtweg nicht möglich.

Zu Beginn des Studiums wurde uns viel versprochen: Gute Perspektive auch schon nach dem Bachelor, Anerkennung aufgrund des schnell absolvierten Studiums, des damit verbundenen Lernpensums. Die Realität hat mich schnell eingeholt. Auf die meisten Bewerbungen (ich schrieb mehr als 100 Stück davon, und zwar individuell zugeschnitten und keine 0815.Vorlagen) bekam ich nicht einmal eine Absage - die meisten Arbeitgeber hüllten sich in vornehmes Schweigen. Obwohl ich mich mit meinen Noten sicher nicht verstecken muss und im Lebenslauf viel Initiative und Leistungsbereitschaft nachweisen kann, erhielt ich nur wenig Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch. In all diesen Gesprächen durfte ich erst einmal erklären, was denn ein Bachelor überhaupt ist. Die Abwertung, die mit der Erklärung verbunden war, hat mich echt erschreckt: "Nicht einmal auf dem Niveau eines Diploms!" Sorry, wir hatten damals wirklich EXAKT den gleichen Lehrstoff wie die vorigen Diplomanden - nur mussten wir ihn in deutlich weniger Zeit und unter erheblich mehr Druck bewältigen. Was übrig blieb, war jede Menge Frustration. Und die Erkenntnis, dass der Abschluss ohne den zugehörigen Master weit davon entfernt ist, anerkannt zu sein.

Ich kenne wirklich nur zwei Fälle persönlich, in denen andere Erfahrungen gemacht werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich da eine Entwicklung abzeichnet, von der Studienanfänger profitieren.

» LadyB » Beiträge: 44 » Talkpoints: 39,80 »


Leider ist die Umsetzung des Bologna-Prozesses sehr unterschiedlich ausgefallen. Ich habe schon von sehr schlechten Umsetzungen gehört, persönlich habe ich aber auch sehr gute Entwicklungen durch das Bachelor/Mastersystem erlebt.

Nach meinen Beobachtungen hatten die Fachhochschulen weniger Probleme, das System umzusetzen. Der Bachelor ist dabei häufig nicht sehr weit vom früheren Diplom weg; es wurden natürlich einige Vorlesungen gekürzt und das gesamte Studienprogramm gestrafft. Das hat auch zur Folge, dass Absolventen solcher Studiengänge sehr gut auf dem Arbeitsmarkt aufgenommen wurden.

Die Masterprogramme an der Fachhochschulen sind dabei so ausgelegt, dass sie noch einmal deutlich breiteres oder tieferes Wissen vermitteln oder zusätzliche Spezialisierung ermöglichen. So kann sich beispielsweise ein Informatiker mit einem Elektrotechnik-Master im Prinzip zu einem Elektroingenieur weiterbilden.

An manchen Fachhochschulen wird in den Masterprogrammen sogar intensiv praktische Forschung durchgeführt, das geht fast in Richtung einer Art Promotionsstudium. Außerdem werden inzwischen auch viele interessante Fernstudien-Masterprogramme angeboten, so dass man sich als Bachelor im Beruf noch weiterbilden kann und schließlich den höheren Abschluss erwerben kann. Dort wurden also mit dem neuen System richtig interessante Möglichkeiten geschaffen.

Universitäten haben da anscheinend mehr Probleme, das System umzusetzen. Da wurde eher versucht, das frühere Diplom in Bachelor und Master aufzuteilen. Dadurch sind die Studiengänge natürlich stark verzahnt und eine Durchgängigkeit von verschiedenen Universitäten wird dadurch erschwert. Und als Bachelor steht man teilweise fast als eine Art Studienabbrecher da, weil das Bachelorstudium nicht als in sich schlüssiges Programm entwickelt wurde.

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