Ein Barmer ist kein Armer?!
In meinem Bekanntenkreis gibt es zwei Familien, die ich inzwischen gern meide, sie selbst bezeichnen sich als arm und geben allen möglichen anderen Personen und natürlich den Umständen die Schuld an ihrer scheinbaren Armut.
Scheinbar, denn zu gern würde ich diese Familien mal fragen, wo die Dame des Hauses denn alle 2 Wochen zum Nageldesign geht - ich würde da auch gern Modell sein. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass einerseits kein Geld vorhanden ist, andererseits aber stets Top gestylte Fingernägel zur Schau gestellt werden. Oder welcher Tabakkonzern die Rauchwaren zur Verfügung stellt, oder wo es kostenlose Pools gibt, oder wer Neuwagen für Familien sponsert, oder, oder, oder. Die Liste ließe sich wohl endlos fortsetzen.
Schon häufig ist mir aufgefallen, dass es denen, die am lautesten jammern meist gar nicht so schlecht geht. Diejenigen, die wirklich Grund hätten sich zu beschweren, nehmen ihre Situation meist hin und verlieren kaum ein Wort darüber. Ist Euch das auch schon aufgefallen? Kann man das verallgemeinern oder sind die von mir beobachteten Fälle allesamt Ausnahmen?
Also mir kommt dieses Verhalten auch sehr bekannt vor. Die Personen oder Familien, die am meisten herum jammern geben oft Geld für alles mögliche aus, meist für Sachen die in meinen Augen völlig unnötig sind.
Ich kenne nämlich auch eine Familie, die nur am jammern ist wie wenig Geld sie haben. Aber die Tochter bekommt zum zehnten Geburtstag einen Mp3 - Player für stolze 120 Euro, die Mutter rennt alle vier Wochen zum Frisör und lässt dann auch noch gleich 100 Euro dort. Alle haben immer die neusten Handys, nicht etwa mit Vertrag, nein, da werden mal eben 500 Euro für ein Handy ohne Vertrag hingeblättert.
Aber ich kenne auch jemanden, eine alleinerziehende Mutter mit einem 7 - jährigen Kind, die wirklich nicht viel haben. Die Mutter muss an allen Ecken und Enden sparen und versucht ständig irgendetwas um die Haushaltskasse zu füllen. Der Vater zahlt nur unregelmäßig Unterhalt und sie hat 2 Jobs um sich und ihr Kind über Wasser zu halten. Sie kämpft sich durch, aber ich habe sie noch nie jammern hören.
Ich frage mich gerade, an welchem Punkt für euch das Jammern anfängt. Nicht nur Leute, die ohnehin schon am Existenzminimum lebten, sind durch die Finanzkrise (falls dieses Modewort wirklich zutreffend ist) betroffen.
Jammern finde ich generell nicht gut, ganz gleich, ob es scheinbar berechtigt ist, oder sich eher nach dem berühmten jammern auf hohem Niveau anhört. In Deutschland geht es den Menschen im weltweiten Vergleich nach wie vor sehr gut, daher ist die Einschätzung, ab wann jemand das Recht hat, sich über seine Lage zu beklagen, in jedem Fall recht individuell.
Jeder Mensch hat einen individuellen Lebensstil, dieser ist manchmal notwendigerweise recht günstig, in anderen Fällen hingegen eher etwas kostenintensiver. Und für jeden bedeutet eine Verschlechterung der finanziellen Situation das Aufgeben des alten Lebensstils und ist mit gewissen Einschränkungen verbunden. Ich finde es unangebracht, darüber zu urteilen, was sich ein scheinbar wohlhabender Mensch leisten darf und was nicht. Wenn er sich das Zweitauto oder das kleine Segelboot nicht mehr leisten kann, ist das für ihn eben auch ein enormer Faktor.
Hallo Nachtflugzeug, es geht nicht darum die Leute abzuurteilen, sondern einzig um die Vorstellung, dass diejenigen die am lautesten jammern dies oft genug durch ihr eigenes Handeln ad absurdum führen. Beispielsweise jammern Bekannte von mir über die Höhe der Heizkosten, beklagen dass sie gar nicht wüssten wie sie die zahlen sollten - und das stundenlang. Ein paar Tage später schwärmen sie von ihrem neuen Kühlschrank, den sie mal eben so gekauft haben (man gönnt sich ja sonst nichts) und die Heizkosten sind auch längst beglichen. Dafür gibt es dann aber neue Krisen zu beklagen.
Im übrigen habe ich solche Beobachtungen unabhängig von Finanzkrisen gemacht und nicht erst in der letzten Zeit. Und diese Beobachtungen machte ich nicht nur Menschen, die sich in ihrem Lebensstil einschränken mussten, sondern überwiegend an Menschen, deren Lebensstil immer in den gleichen geordneten Bahnen verlief. Ein Schalk wer Böses dabei denkt.
Verallgemeinern kann man vieles in der Regel nicht, weil man vielleicht Menschen auch damit Unrecht tut. Nachvollziehen kann man die Überlegung schon, denn ich kenne einige Menschen die wirklich sehr wenig haben sich aber darüber nicht beklagen, sondern immer versuchen das Beste aus dieser Situation zu machen und Menschen denen es gut geht, die beklagen sich dann.
Generell bin ich aber der Meinung man verallgemeinert eher zu schnell, und da ich kein Freund davon bin mache ich es auch nicht, denn wie schon gesagt, man kann dadurch auch einigen Unrecht tun.
Ich kann da uneingeschränkt Recht geben. Die Erfahrungen habe ich auch schon mehr als einmal gemacht, dass die Leute doch mehr zur Verfügung haben, welche am meisten über finanzielle Engpässe reden. Ein aktuelles Beispiel habe ich in der Klasse einer meiner Töchter. Bei allen Dingen, welche für die Schule extra bezahlt werden müssen, kommen Ausflüchte, dass man ja erst dann und dann wieder Geld bekommen würde.
Allerdings bekommt die Tochter täglich reichlich Geld mit, damit sie sich ihr Frühstück beim Bäcker in der Nähe kaufen kann. Auf Nachfragen der Klassenlehrerin erzählt das Kind auch noch, dass die Mutter morgens keine Zeit hätte das Frühstück zu richten. Ok, es ist eine Großfamilie, aber wenn die Mutter schon keiner bezahlten Arbeit nachgeht, sollte man doch die Versorgung der Familie am Morgen schaffen. Zumal es auch wesentlich preiswerter ist, als der Gang zum Bäcker.
Aber auch bei meiner Verwandtschaft war das schon immer ein leidiges Thema. Man machte im Jahr mehr krank, als das man seinem Halbtagsjob nachging und beschwerte sich gleichzeitig darüber, was sich meine Eltern alles leisten konnten. Wobei meine Eltern beide Vollzeit und im Schichtdienst tätig waren. Aber Schuld an dem Zustand hatten diese Jammerer nicht selbst, sondern nur die Anderen.
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