Betreutes Wohnen in den meisten Familien ein Tabuthema?
Ich bin ja nun schon in einem Alter, wo ich mit älteren Leuten umgeben bin. Gerade bei meinen Freundinnen, die noch beide Elternteile und auch Schwiegerelternteile haben ist es schon zum thema geworden, dass die Eltern oder Schwiegereltern irgendwann mal in ein Seniorenheim gehen sollten, weil die Kinder alle berufstätig sind, ist es schon schwer die Eltern oder Schwiegereltern zu betreuen.
Als meine Schwiegermutter nicht mehr alleine alles machen konnte, ist sie in ein Wohnhaus gezogen, welches an der Caritas angeschlossen war. Sie hatte einen Pieper, wenn was war und konnte die Leute dadurch rufen. Ansonsten habe ich sie gepflegt, aber dennoch hätte ich die Pflege auch der Caritas übergeben können. Die wären dann mehrmals am Tag gekommen und hätten ihr geholfen. Als ich das meinen Freundinnen erzählte waren sie erst mal schon neugierig, aber dennoch haben sie da direkt abgewunken und meinten, dass die Eltern oder Schwiegereltern sich damit abfinden sollten, dass sie in ein Seniorenheim kommen, wenn sie nicht mehr alleine alles machen können.
Warum ist dieses betreute Wohnen so ein Tabuthema? Gibt es das nicht in jeder Stadt? Ist es für die alten Leute nicht besser, weil sie immer noch ihre eigene Wohnung haben und nicht nur ein Zimmerchen, dass Krankenhausflair hat? Warum wird das in den meisten Familien erst gar nicht in Erwägung gezogen, sondern direkt abgeblockt?
Also ich weiß nicht wie du zu der Annahme kommst, das ein Zimmer im Pflegeheim aussieht wie Krankenhaus. Denn das ist nicht der übliche Standard, da die Leute bei Einzug auch ihre eigenen Möbel mitbringen dürfen. Einzig das Bett zeugt von der Pflege. Wobei ich selbst nur bedingt meine Mutter pflegen könnte, da ich sonst ja meinen eigenen Job aufgeben müsste. Ich weiß, dass dies meine Mutter nie akzeptieren würde.
Allerdings würde ich es auch nicht als Tabuthema bezeichnen. Denn solange kein wirklicher Bedarf ist, muss man sich doch nicht mit dem Thema auseinandersetzen. Was nutzt es denn, wenn man Pläne für das betreute Wohnen, macht? Man weiß doch vorher gar nicht, ob es dann wirklich so umsetzbar ist. Wobei ich solche Einrichtungen sehr gut finde, da die älteren Leute ansonsten ihr Leben halt noch selbst gestalten können.
Ich frage mich auch gerade, warum man sich über ein Thema Gedanken machen sollte, dass irgendwann in der Zukunft vielleicht mal relevant wird oder auch nicht. Das hat doch nun mit "Tabuthema" oder "abblocken" überhaupt nichts zu tun, wenn man in der Gegenwart lebt.
Die Erfahrungen, die ich mit Einrichtungen zum Betreuten Wohnen gemacht habe, sind jedenfalls die, dass dort nur Menschen leben, die noch einen gewissen Grad an Selbständigkeit haben und die klar im Kopf sind. Ich denke, dass so eine Wohnung für jemanden, der rund um die Uhr Pflege braucht oder auch für jemanden, der wegen Demenz rund um die Uhr eine Aufsicht braucht, überhaupt keine Option wäre.
In unserer Familie ist das betreute Wohnen oder die Pflege von Angehörigen gar kein Tabuthema. Meine Großmutter hat ihre Schwiegermutter bis zu ihrem Tod fast zehn Jahre lang gepflegt und dafür auch ihre Arbeitsstelle gekündigt. Kurz nachdem sie wieder ihre Arbeit aufgenommen hatte wurde dann ihr Schwiegervater zum schweren Pflegefall, um den kümmert sich nun halbtags meine Mutter, schließlich ist es ja auch ihr Großvater und es käme für niemanden in Frage, ihn einfach in ein Heim ab zu schieben. Dann würden wir eher einen Pflegedienst kommen lassen.
Als meine andere Urgroßmutter einen Schlaganfall erlitten hatte, da wollten wir eigentlich zu ihr ziehen um sie zu pflegen, damit sie in ihrem Haus wohnen bleiben könnte. Nur gab es eben auch noch das Problem mit meinem Urgroßvater, der nun einmal nicht ihr Mann ist, welches man aber sicherlich hätte lösen können. Da aber viele Freundinnen, Freunde und Nachbarn meiner Urgroßmutter bereits in einem Altenheim lebten wollte sie dort auch hinziehen und dann war das so auch schon in Ordnung. Wir hätten sie aber nicht dort hin verlagert, wenn es nicht auch ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen wäre.
Meine eine Großmutter hat eine eigene Krankenschwester, die den ganzen Tag bei ihr im Haus ist und sich um sie kümmert. Außerdem erledigt sie für meinen Onkel den gesamten Haushalt, er spart sich also seine Putzfrau ein und außerdem ist das Gehalt der Krankenschwester geringer als die Kosten für ein Pflegeheim. Wenn meine Eltern später einmal Pflege benötigen, dann werde ich sie auch nicht in ein heim stecken. Ich werde es vermutlich psychisch nicht hin bekommen, mich selber um sie zu kümmern und sie zu pflegen. Aber ich würde sie auf gar keinen Fall einfach so abschieben, sondern ich würde sie häuslich pflegen lassen.
Als ein Tabuthema würde ich das betreute Wohnen oder überhaupt Wohnen im Alter nicht bezeichnen. Für meine Eltern steht jetzt schon fest, dass sie beizeiten solch eine Alternative wählen werden. Wo genau das ist, steht nun noch nicht fest, da es sowohl in unserer Kommune als auch in der Nachbarkommune jeweils eine schöne Einrichtung gibt - ich finde die in der Nachbarstadt fast noch schöner. Allerdings wird bei uns noch lange nicht ständig darüber gesprochen, es wurde schon einmal angesprochen und wenn es akuter wird, dann werden wir noch einmal ausführlich darüber sprechen, aber eben noch nicht im Moment.
Und so kenne ich etliche Familien, in denen Wohnformen im Alter durchaus ein Thema sind und einige wenige in denen trotz Schlaganfällen und anderen Vorkommnissen dieses Thema tatsächlich tabuisiert werden. Dabei sind erstere Familien in der Regel solche, in denen es schon einmal einen Pflegefall gab und die daher ziemlich genau wissen, welche Anstrengungen damit verbunden sind. Wenn es ein Tabuthema ist, dann kann das verschiedene Ursachen haben, vielleicht auch falsche Vorstellungen, aber das ist nicht die einzige Ursache.
Bei uns in der Familie ist es aber auch so, dass meine Oma lange Zeit in einem Altenheim gelebt hat. und daher wissen wir, dass solche Heime heute erst recht kein Krankenhausflair haben (das hatten sie übrigens auch vor 20 Jahren nicht für die Bewohner, die noch selbstständig waren). Natürlich sind die Zimmer alten- und pflegegerecht eingerichtet, aber das geht auch wunderbar ohne Krankenhausfeeling und die Einrichtung könnte auch in den eigenen vier Wänden so stehen.
Wie eben bei den meisten Tabuthemen mangelt es dabei in den meisten Fällen total an den nötigen Informationen. Die Alternative des betreuten Wohnen ist eine gute Alternative, denn selbst bei plötzlichen Erkrankungen bekommt man dort sofort die geeignete Hilfe. In einer ganz normalen Wohnung muss man sich selbst darum kümmern. Ein ganz anderer Punkt ist eben auch der Mietpreis, denn dieser ist eben nun einmal etwas höher angesiedelt als bei einer ganz normalen Wohnung. So spielt eben das liebe Geld eine Rolle und so kann eben bei einigen Familien dieses Thema auch schnell zum Tabuthema werden.
Meine Eltern sind ja auch vor ein paar Wochen in eine andere Wohnung gezogen wo es für sie etwas leichter ist die Treppenstufen zu steigen. Ich hätte es wirklich gerne gesehen wenn sie gleich in das betreute Wohnen eingestiegen wären, aber sie waren der Meinung dass es rausgeschmissenes Geld ist und sie die dort angeboten Leistungen überhaupt nicht brauchen. Sie haben sich sogar eine Wohnung dort angeschaut und die Leistungspakete studiert, aber ich hatte von Anfang an den Eindruck dass sie das nur mir zu Gefallen taten.
Meine Eltern sind beide knapp über Siebzig aber sehr schlecht zurecht. Mein Vater kann kaum noch Laufen, er bewegt sich nur im Schneckentempo und mit langen Pausen. Treppensteigen geht gar nicht mehr, auch in der Wohnung bewegt er sich kaum noch. Meine Mutter ist praktisch lebensuntüchtig, nur um mal ein Beispiel zu nennen ist sie nicht einmal in der Lage den Fernseher einzuschalten. Sie stürzt auch ständig über ihre eigenen Füße, kauft bei jedem Vertreter der an der Haustür klingelt und ist auch sonst zu nichts zu bewegen was den Haushalt angeht so dass mein Vater alles alleine machen muss. Ich will gar nicht daran denken wenn einem von beiden etwas passiert.
Ich kann schon verstehen dass so ein betreutes Wohnen in den Augen der Senioren die letzte Station vor dem Altersheim bedeutet und dass sie das nicht gerne eingestehen. Auch ist es sicherlich nicht so toll ständig noch gebrechlichere Menschen um sich zu haben und den Leichenwagen oder die Schnelle Medizinische Hilfe vorfahren zu sehen. Aber leider habe ich auch den Eindruck dass sie es einfach nicht wahrhaben wollen dass sie eigentlich nicht mehr in der Lage sind einen Haushalt zu führen. Mein Vater regte sich darüber auf dass er den Fahrstuhl bezahlen muss obwohl er doch eigentlich so etwas noch nicht braucht. Auch ist die inkludierte Haushaltshilfe die stundenweise ein paar Arbeiten erledigt doch überflüssig weil sie das natürlich auch selber machen können. Das hier nicht nur Staub gewischt und abgesaugt wird ist ihnen dabei leider entgangen denn die Fenster müssen auch geputzt oder die Gardinen gewaschen werden. Die angebotenen Betreuungsmöglichkeiten wie gemeinsame Aktivitäten oder ein Arzt im Haus sind natürlich auch alle überflüssig, ebenso der Hausmeister der die täglichen kleinen Reparaturen erledigt. Was will man dazu noch sagen, ich sehe ja wenn ich sie besuche was alles im Argen liegt. Machen kann ich da auch nichts, sie möchten es ja so haben wie es jetzt ist und mit Zwang zu agieren haben sie auch nicht verdient. Im Prinzip wird über das Thema betreutes Wohnen nicht mehr bei uns gesprochen, das ist endgültig erst einmal abgehakt
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