Ungekündigte Stellung - schlechtere Aussichten auf den Job?
Früher, vor 20 Jahren, hat man gesagt, dass man bessere Aussichten hat einen Job zu bekommen, wenn man in die Bewerbung mit reingeschrieben hat, dass man in ungekündigter Stellung ist. Arbeitslose wurden da eher seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen als Leute, die sich einfach nur verändern wollten. In den heutigen Stellenangeboten steht aber heute oft, dass Bewerber, die Arbeitslosengeld beziehen bevorzugt behandelt werden.
Früher galt wohl eine ungekündigte Stellung so viel, weil es Zuverlässigkeit ausstrahlte und man eben damit einen Arbeitnehmer bekam, der sich nicht auf die "faule Haut" legt und arbeiten will.
Ein Bekannter von mir hat sich beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet, weil er sich beruflich verändern will. Er bekommt keine Bezüge vom Arbeitsamt und da wurde ihm schon von dem Arbeitsvermittler gesagt, dass es schwer sein wird, wenn er eine neue Stellung haben will. Denn meist werden Leute bevorzugt, die Bezüge vom Arbeitsamt bekommen.
Denkt ihr, dass man heute wirklich weniger die Chance hat sich beruflich zu verändern, wenn man in ungekündigter Stellung ist? Wie sollte man denn in der Bewerbung die Formulierung machen, dass man eben nicht sofort in der Firma anfangen kann, weil man eben auch noch in einer festen Anstellung arbeitet? Sollte man heute wirklich froh sein, wenn man Arbeit hat und dann in dieser Firma bleiben, auch wenn man sich verändern will, weil man einfach keine Chance hat?
Ehrlich gesagt habe ich noch nie eine Stellenanzeige gelesen, bei der explizit steht, dass Arbeitslose bevorzugt behandelt werden würden. Es kann durchaus sein, gerade bei öffentlichen Arbeitgebern, dass in den Anzeigen geschrieben wird, dass Frauen oder Männer (je nach Branche) bevorzugt behandelt werden. Ebenso schwerbehinderte Bewerber, was sogar in Anzeigen von Unternehmen aus der Privatwirtschaft vereinzelt zu finden wäre. Wohingegen bei Arbeitslosen ich mir so was höchstens bei geförderten Projekten vorstellen könnte. Und dann würde ich eher annehmen, dass diese ihre potentiellen Bewerber direkt vom Arbeitsamt empfehlen lassen.
Was dann dein Bekannter erzählt/macht, ist letztlich auch eher ungewöhnlich. Aus einer bestehenden, ungekündigten Stelle heraus beim Arbeitsamt vorstellig zu werden, um Stellenangebote zu bekommen, weil man sich verändern will, funktioniert eigentlich nur bei Vollbeschäftigung. Denn das Arbeitsamt wird daran gemessen, Arbeitslose aus der Erwerbslosigkeit in Arbeit zu bringen bzw. von der Bezieherliste von Arbeitslosengeld zu streichen (das geht dann auch ohne die erfolgreiche Vermittlung einer Stelle). Den Bekannten hingegen kann man weder von der Liste streichen noch muss der in ein Beschäftigungsverhältnis gebracht werden, nachdem dieses ja schon besteht. Welche Motivation außer Langeweile sollte nun ein Fallmanager haben, deinem Bekannten realistische und passende Stellen anzubieten, wenn der Vermittlung der Agentur selbst gar keinen Vorteil bringt?
Wer aus einer festen Anstellung Veränderung sucht, was legitim und gut ist, der bewirbt sich doch direkt bei den in Frage kommenden Unternehmen und geht nicht den Umweg über das Arbeitsamt, zumal so ja von Vorneweg viele Stellen wegfallen, weil eben gar nicht alle Unternehmen dem Arbeitsamt (bzw. Arbeitsagentur) offene Stellen mitteilen. Bzw. bekommt die Arbeitsagentur die offenen Stellen auch nur über die Ausschreibungen in den lokalen Zeitungen mit. Schneller, besser und selbstbestimmter ist es da für den Bekannten, diese Sache auch selbst in die Hand zu nehmen.
Ansonsten ist es heute durchaus immer noch so, dass Arbeitslosigkeit als selbstverschuldeter Makel gilt und die Arbeitslosigkeit im besten Fall die Chancen auf eine Stelle nicht verschlechtert. Sollte die Arbeitslosigkeit (genauer: Erwerbslosigkeit) länger andauern, dann verschlechtern sich die Chancen weiter! Und ab einem bestimmten Zeitpunkt gilt man praktisch auch von Amts wegen als unvermittelbar.
Ich habe jetzt schon das ein oder andere Mal den Job gewechselt und jedes Mal war ich in unbefristeter und ungekündigter Stellung. Das war bei den neuen Arbeitgebern nie ein Problem und es wurde bei dem Vorstellungsgespräch gezielt danach gefragt, wie lange denn die Kündigungsfrist sei. Denn es ist ja schon wichtig für die neuen Arbeitgeber zu wissen, wann man voll anfangen kann zu arbeiten.
Allerdings hatte ich bereits in meinem Lebenslauf gezielt darauf hingewiesen, dass ich eben ungekündigt angestellt bin. Meiner Meinung nach gehört es in jeden vollständigen Lebenslauf, in welchen Angestelltenverhältnis man sich befindet. Oder auch, dass man arbeitssuchend ist, wenn dies der Fall sein sollte.
Wie es zur Zeit auf dem Arbeitsmarkt aussieht, kann ich gar nicht beurteilen. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass man als Arbeitssuchender ohne Bezüge des Amtes weniger Chancen hat, als jemand, der in einer festen Anstellung ist. In meinen Augen kommt es auf Qualifikation, Engagement und Eigeninitiative an. Es kommt auch immer darauf an, warum und wie lange man beim Arbeitsamt als Arbeitssuchend gemeldet ist und warum man eventuell keine Bezüge bekommt. Das kann ja mehrere Gründe haben, die es zu betrachten gilt. Fest steht, je länger man arbeitssuchend ist, umso schlechter stehen die Chancen, vom Arbeitsamt vermittelt zu werden. Ob mit oder ohne Bezüge, es ist wesentlich einfacher aus einer festen Anstellung heraus eine neue Arbeitsstelle zu suchen, als aus der Arbeitslosigkeit.
Eine Rolle mag hier sicherlich die Förderung spielen: Wenn Bewerber eingestellt werden, die zuvor mindestens sechs Wochen arbeitslos waren, dann kann das Unternehmern eine Weile lang Zuschüsse für den neuen Mitarbeiter erhalten. Da kann es schon sein, dass der Bewerber, für den eine Förderung erhältlich ist, gegenüber dem fest Angestellten bevorzugt wird, wenn die Qualifikationen sich nicht wesentlich unterscheiden.
Zum anderen ist es vielleicht auch so, dass Unternehmer den Eindruck haben, dass jemand, der noch fest angestellt ist, es ja gar nicht unbedingt nötig hat, eine neue Stelle zu suchen. Und wenn ein Arbeitsplatz zu vergeben ist, dann hilft man eventuell lieber jemandem, aus der Erwerbslosigkeit herauszukommen, als jemandem, der mit seinem vorherigen Job einfach nur unzufrieden war.
Auch könnte man vermuten, dass ein Bewerber, der sich beruflich verbessern will, dann sehr hohe Ansprüche an den neuen Arbeitsplatz mitbringt und das dann auch etwas abschreckend wirkt. Somit ist ja klar, dass der Bewerber dann auch Forderungen hat, die das neue Unternehmen möglicherweise nicht erfüllen kann und der Bewerber sich schnell wieder etwas Neues sucht. Als Firmeninhaber hat man möglicherweise die Sorge, so jemand springt wieder ab, sobald er merkt, dass nicht alles den eigenen Wünschen entspricht.
Diamante hat geschrieben:In den heutigen Stellenangeboten steht aber heute oft, dass Bewerber, die Arbeitslosengeld beziehen bevorzugt behandelt werden.
Wo hast du das denn her? Ich habe das noch niemals gesehen, und ich war bis letzte Woche noch auf der Suche nach einer neuen Anstellung. Gilt das vielleicht nur für bestimmte Branchen? Für meine jedenfalls definitiv nicht. Ich habe übrigens - aus ungekündigter und unbefristeter Anstellung - in weniger als 4 Wochen eine neue Stelle gefunden, in die ich direkt übergehen kann sobald ich hier aus der Stelle "rauskomme" mit Kündigungsfrist etc. Bei meinem Fall kann man also keineswegs davon sprechen, dass ich als Festangestellte nicht so bevorzugt in Frage käme gegenüber Arbeitslosen bzw. Arbeitssuchenden. Bei nur zwei Bewerbungen zwei Vorstellungsgespräche und zwei Angebote, von denen ich mich für das mir besser passende entschieden habe, sind schon eine ziemlich gute Quote.
Auch wurde uns vor zwei Jahren in der Berufsschule kurz vor Ende der Ausbildung von meiner Deutschlehrerin nochmal fest eingetrichtert, dass wir immer unbedingt dazu schreiben sollen (solange es der Wahrheit entspricht versteht sich) "... bewerbe mich aus ungekündigter Anstellung ...", weil dies immer ein Vorteil sei. Was hier beschrieben wird scheint also bei dieser Lehrerin und ihren Kollegen an meiner damaligen Berufsschule jedenfalls noch nicht angekommen zu sein.
Die einzige Erklärung, die ich mir für so eine Stellenausschreibung geben könnte, wäre die von Zitronengras angesprochene Förderung, die das Unternehmen unter gewissen Umständen bekommen kann, wenn es einen solchen Bewerber einstellt. Ich könnte mir allerdings nicht vorstellen, dass irgendeine Firma genau damit hausieren geht, dass sie auf die Förderungen scharf sind, und deshalb glaube ich auch nicht, dass dieser Umstand dann explizit in der Stellenausschreibung erwähnt werden würde.
Dass Bezieher von Arbeitslosengeld bevorzugt behandelt werden habe ich leider schon oft gelesen. Ich habe auch gerade danach gesucht und auf die Schnelle eine solche Anzeige nicht finden können. Aber selbst in der lokalen Zeitung bei den Stellenanzeigen steht oft dieser Zusatz dabei. So selten scheint es also gar nicht zu sein. Denn ich habe gerade in letzter Zeit die Stellenanzeigen auch selber viel gelesen und weiß es also nicht nur von meinem Bekannten.
Diamante hat geschrieben:Dass Bezieher von Arbeitslosengeld bevorzugt behandelt werden habe ich leider schon oft gelesen.
Auch wenn ich dieser Aussage kaum Glauben schenken kann, würde mich das wirklich schon deshalb sehr wundern, weil ein Arbeitgeber eben keinen Vorteil daraus ziehen kann und es keinen Sinn macht, dass dieser so einen Zusatz formuliert, nachdem es ja noch nicht mal eine formale Möglichkeit gibt, mit der der potentielle Arbeitgeber glaubhaft die Richtigkeit der Angabe prüfen kann. Etwas ganz anderes wäre der Hinweis darauf, dass z.B. Schwerbehinderte oder Frauen/Männer bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden würden. Hier gibt es durchaus gesetzliche Anreize für Betriebe ab einer bestimmten Größe. Sofern du also doch noch so eine Anzeige entdeckst, wäre das sicher eine Bereicherung wenn du dies hier bekannt machst.
Kann es sein, dass du die Aussage Arbeitslose mit Vermittlungsgutschein werden bevorzugt behandelt oder so mit der Aussage Arbeitslose werden bevorzugt eingestellt, irgendwie verwechselst? Die Aussage, dass bevorzugt Arbeitslose eingestellt werden, habe ich persönlich noch nie bei öffentlichen Stellenanzeigen in Zeitungen und ähnlichem gelesen.
Fakt ist, es gibt einige Firmen die damit Geld verdienen, wenn sie Arbeitslosen einen Arbeitsplatz vermitteln. Verdienen tut daran nur die Firma. Der Arbeitgeber sieht davon selten einen Cent. Bezahlt wird die Firma entweder von der Agentur für Arbeit über einen Vermittlungsgutschein oder von demjenigen, der den Arbeitsplatz sucht. Beide Varianten sind möglich. Allerdings ist bei solchen Tätigkeiten eher mit einem befristetem Vertrag zu rechnen.
Langzeitarbeitslose werden noch mal speziell gefördert. Hier zahlt die Agentur für Arbeit an den Arbeitgeber Geld. Das Gehalt des Arbeitnehmers wird also nicht voll vom Arbeitgeber getragen, sondern finanziert sich durch den Zuschuss von der Agentur für Arbeit. Scheint teilweise ein lukratives Geschäft zu sein. Ich habe bisher Arbeitnehmer erlebt, die halt ein paar Monate in einem Betrieb waren, bis halt der Zuschuss ausgelaufen ist. Kann sein das es da mittlerweile eine Klausel gibt, dass der Arbeitnehmer auch noch X Monate nach dem Auslaufen des Zuschusses angestellt sein muss. Dann wird er aber spätestens gekündigt und man sucht einen neuen Langzeitarbeitslosen, für den man den Zuschuss bekommt. Den Vorgang habe ich auch schon von Arbeitgebern erlebt.
Da du aber bewusst nur Arbeitslose geschrieben hast und nicht Langzeitarbeitslose, scheint es sich eventuell nicht um solche Arbeitgeber zu handeln. Aber selbst wenn, hat man auch hier kaum Aussicht auf eine längerfristige Beschäftigung. Hier geht es den Betrieben in der Regel darum möglichst kostengünstig an Arbeitskräfte zu kommen.
Einziger Sinn bewusst nur Arbeitslose einzustellen wäre aus meiner Sicht, dass man möglichst schnell eine Stelle zu besetzen hat. Wenn jemand aber noch an einen bestehenden Vertrag gebunden ist, der eventuell längere Kündigungsfristen hat, kann man nicht umgehend bei dem neuen Arbeitgeber anfangen.
Ich selber habe ich mich auf einige Stellen beworben, die mir das Arbeitsamt zugeschickt hatte. Eines hatten fast alle Arbeitgeber gleich. Mir wurde meistens umgehend gesagt, wie positiv überrascht man über mich sei, da die potentiellen Arbeitnehmer, die vom Arbeitsamt geschickt werden, sonst wohl eher nichts sind. Oder halt Leute die sich bewerben müssen.
Sich aus ungekündigter Stellung bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, hat durchaus seine Vorteile. Nämlich dann, wenn man möglichst bequem möglichst viele Jobangebote haben möchte. Wobei viele Firmen ihre Stellen als letztes bei der Agentur für Arbeit melden, sondern lieber auf anderen Portalen oder in anderen Medien auf die Suche gehen. So lange man in ungekündigter Stellung ist, kann man den "Service" der Agentur für Arbeit aber ohne Druck in Gebrauch nehmen.
LittleSister hat geschrieben:Kann es sein, dass du die Aussage Arbeitslose mit Vermittlungsgutschein werden bevorzugt behandelt oder so mit der Aussage Arbeitslose werden bevorzugt eingestellt, irgendwie verwechselst?
Trotz meines eigentlich unerschütterlichen Glaubens an das Gute im Menschen ist tatsächlich diese Form der Bevorzugung von (Langzeit)Arbeitslosen die einzige Form, die ich mir in dem Zusammenhang vorstellen kann. Das ist dann ein Geschäftsmodell auf Kosten der Allgemeinheit und auch auf Kosten der Hoffnungen der Arbeitslosen. Denn, ohne jetzt wirklich in böser Absicht hier alle die sich um die Vermittlung von Arbeitslosen bemühen über einen Kamm scheren zu wollen, bei den "Angeboten" geht es in erster Linie um das Geld welches der Vermittlungsschein verspricht. Um eine nachhaltige, sinnvolle und zukunftssichere Tätigkeit für die Vermittelten geht es nicht! Es ist dann wirklich Mies mit jenen Geschäfte (auf deren Kosten) zu machen, die selbst nahe am Abgrund stehen.
Also aus meiner eigenen Erfahrung denke ich, dass sich da nichts geändert hat. Im Grunde hat man die besseren Chancen, wenn man einen festen Job vorweisen kann. Deswegen lohnt es sich auch sich zu bewerben, wenn man eigentlich nicht angesprochen wird. Denn der erste Eindruck zählt und den Pluspunkt hat man auf jeden Fall.
Allerdings weiß ich, dass viele Arbeitgeber auch gerne Arbeitslose nehmen, weil sie dann eine Förderung vom Amt erhalten und sich so ein teil der Gehaltes sparen. Ganz selten wird es jemanden geben, der einen Arbeitslosen wirklich aus Überzeugung, dass er einfach lieber diesem helfen möchte, nehmen wird.
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