Auswandern den Kindern gegenüber egoistisch?
Meine Mutter sieht sich gerne „Goodbye Deutschland“ und andere Sendungen über das Auswandern im Allgemeinen an. Über Gehalt und Niveau dieser Formate lässt sich ja bekanntlich streiten, mir geht es gerade aber nur um einen bestimmten Aspekt. Wenn man sich diese Sendungen ansieht, dann fällt oft auf, dass die Eltern Feuer und Flamme für das Auswanderungsziel sind, ihre Kinder, vor allem diejenigen im Teenager-Alter, der ganzen Angelegenheit aber eher kritisch gegenüberstehen und lieber in Deutschland bleiben möchten. Wenn sich dieser Wunsch einrichten lässt, bleiben sie oft bei Großeltern oder älteren Geschwistern zurück, die in der Nähe der alten Heimat leben, oft lässt sich das aber nicht auf diese Weise verwirklichen, sodass die Kinder mit ihren Eltern zusammen in das unbekannte Land übersiedeln müssen. Diese Familien werden ja nicht bis in die Ewigkeit verfolgt, aber es ist dann schon auffallend, dass die Jugendlichen auch in den ersten Wochen im Ausland nicht wirklich auftauen und sich in die Heimat zurücksehnen.
Wenn ich mir vorstelle, meine Eltern würden jetzt auf einmal auf die Idee kommen, mit mir ins Ausland gehen zu wollen, am besten noch auf die andere Seite des Erdballs, dann wäre das wirklich eine ziemlich fürchterliche Vorstellung für mich und ich würde mich wohl auch sträuben. Immerhin habe ich eine Bande zu meiner Heimatstadt geknüpft und mir ein eigenes, soziales Umfeld aufgebaut, zu dem natürlich auch enge Freunde gehören, die ich ungern missen möchte. Bei meiner Partnerschaft handelt es sich zwar um eine Fernbeziehung mit nicht zu verachtender Entfernung, es ist aber unbestritten, dass ich von meinem jetzigen Standort aus schneller bei meinem Partner bin, als würde ich außerhalb Europas leben. Zusätzlich stehe ich derzeit ein paar Monate vor meinem Abschluss und eine Auswanderung zum jetzigen Zeitpunkt würde für mich mehrere Jahre Verlust bedeuten, würde ich doch meine Abschlussprüfungen nicht mehr ablegen können und müsste zuerst die neue Sprache lernen, bevor ich es im jeweiligen Land versuchen kann.
Viele der gezeigten Kandidaten wandern ja aber auch nicht völlig ohne Grund aus, sie haben oft mit finanziellen Schwierigkeiten oder Arbeitslosigkeit zu kämpfen und hoffen auf eine bessere und sichere Existenz im Ausland. Oftmals ist es nur ein Hoffnungsschimmer, aber gelegentlich werden ja auch Menschen gezeigt, denen im Ausland bereits ein fester Job zugesichert wurde, den sie sich dann natürlich auch nicht unbedingt entgehen lassen wollen. Es gibt dann auch noch die Sorte, die in Deutschland eigentlich ein einigermaßen sorgenfreies Leben führen können und auswandern, obwohl sie an ihrem Ziel noch keinerlei Sicherung ihrer Existenz verbuchen können, aber auch dabei handelt es sich ja ein Stück weit um einen Lebenstraum der Eltern, den man dann nach Möglichkeit auch respektieren sollte.
Wie man ja unschwer erkennen kann, steht in solchen Situationen immer ein gewisser Konflikt im Raum und ich selbst bin mir nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Wie hättet ihr es als Jugendlicher empfunden, wenn eure Eltern gegen euren Willen mit euch ausgewandert wären? Habt ihr vielleicht schon Erfahrungen damit gemacht? Wie würdet ihr danach vermutlich zu euren Eltern stehen? Und wie sieht es mit den Eltern aus? Handeln sie egoistisch, wenn sie Jugendliche ab einem gewissen Alter einfach aus ihrer Umgebung zerren und damit nicht nur den Freundeskreis, sondern auch die schulische Ausbildung gefährden? Welche Position, also Teenager oder Eltern, hätte bei euch da Priorität?
Ich habe mir die Sendung auch das ein oder andere Mal angeschaut und hatte oft den Eindruck, dass die Auswanderer oder potentiellen Auswanderer sich nicht so wirklich viele Gedanken über alles gemacht haben. Der Schritt, dauerhaft ins Ausland zu gehen, ist ein ganz wesentliches, lebensveränderndes Ereignis und da sollten die Interessen anderer berücksichtigt werden.
Ich fände es schrecklich, wenn man mich mit 14 oder 15 aus meiner gewohnten Umgebung gerissen und einfach in ein anderes Land mitgenommen hätte. Da wäre ich bestimmt lieber bei anderen Verwandten in Deutschland geblieben. Die Kinder verlieren damit ja alle ihre Freunde, eine vielleicht schon vorhandene Beziehung, ihren Lebensmittelpunkt und müssen mit einer fremden Mentalität, ungewohnten Sprache und einem anderen Schulsystem zurecht kommen.
Da dürfen Eltern meiner Ansicht nach nicht so egoistisch sein und ihre Abenteuerlust über das Wohlergehen der Kinder stellen. Wer den Lebenstraum hat, ins Ausland zu gehen, sollte besser erst auswandern und dann dort Kinder bekommen oder zumindest schon dann umzuiehen, wenn die Kinder noch so klein sind, dass sie sich schnell einleben können. Ansonsten empfinde ich es als wirklich egoistischen Eingriff in das Wohlergehen der Kinder.
Ich kenne die Sendung und muss sagen, dass ich sie eigentlich ganz gerne mal ansehe. Ich habe mich beim Schauen aber auch schon das ein oder andere Mal gefragt, ob die Eltern da nicht etwas egoistisch sind. Man sieht wirklich oft Kinder, die da gar nicht so freudig auf die Entscheidung reagieren.
Man muss halt auch schauen, aus welchem Grund die Eltern auswandern und wohin. Sicherlich ist es nicht schön, wenn man als Kind all seine Freunde zurück lassen muss, aber das müssen die Eltern so gesehen ja auch. Viel schwieriger finde ich da immer die Verständigungsprobleme. Sicherlich lernen Kinder leichter noch Sprachen als erwachsene Menschen, aber gerade ältere Kinder haben oft Probleme Kontakte zu schließen, wenn man sich über nichts unterhalten kann, weil man die Sprache nicht kennt. Und die Eltern kommen auch irgendwie nie auf die Idee, im Vorfeld einen Sprachkurs zu machen. Den machen sie, wenn überhaupt erst wenn sie schon im Land sind.
Ich kann aber verstehen, wenn der finanzielle Aspekt ein Problem darstellt und man aber arbeiten will. Ich kann auch verstehen, dass man die Kinder dann mitnehmen will. Kind können da in einem gewissen Alter eben noch nicht bestimmen, wo sie hinwollen und wenn man in eine andere Stadt zieht, ist es doch das gleiche Problem, nur das man eben die Sprache kann. Würde man eben die Sprache vorher lernen, wäre es jetzt nicht so verwerflich.
Ich finde es allerdings viel besser, wenn man mit so einer Entscheidung wartet, bis die Kinder alt genug sind und entscheiden können, ob sie in Deutschland bleiben wollen oder mit wollen. Das wäre dann ab 18 Jahre der Fall, wobei ich es besser finden würde, wenn es noch ein paar Jahre später wäre, sodass die Kinder wirklich aus dem Haus sind. Wenn man Kinder bekommt, muss man bis zu einem gewissen Grad meiner Meinung nach schon sesshaft sein, weil manche Kinder damit eben schon Probleme haben können.
In einer Familie war es zum Beispiel bei der Sendung so, dass die Eltern für sich einfach nur einen Neuanfang wollten, weil die Ehe gekriselt hat. Nun musste die Tochter, die sich wohl in der Oberstufe befand, wenn ich mich recht erinnere, bei Freunden leben, während die Eltern eine Stunde weiter weg wohnten. Sie wollten die Tochter auch nicht zu sich holen, weil sie ja Zeit für sich wollten. Die Tochter war zu jung um in Deutschland zu bleiben und wurde nun in einem fremden Land zu Freunden abgeschoben - bei sowas platzt mir dann ja schon die Hutschnur, muss ich sagen.
Da hätte man auch noch 1-2 Jahre warten können, bis die Tochter erwachsen ist und in Deutschland bleiben kann. Aber das eigene Kind sollte über allem stehen und nicht abgeschoben werden. Das war purer Egoismus und ich als Kind hätte meinen Eltern das auch mehr als übel genommen.
Winny2311 hat geschrieben:Sicherlich ist es nicht schön, wenn man als Kind all seine Freunde zurück lassen muss, aber das müssen die Eltern so gesehen ja auch.
Nun ja, das sehe ich dann doch ein bisschen anders, immerhin war es eben doch auf eine gewisse Weise und aus welchen Gründen auch immer eine mehr oder minder freiwillig getroffene Entscheidung der Eltern, zu der es immer eine Alternative gegeben hätte. Die Entscheidung, möglicherweise alte Freunde aufzugeben, wurde vielleicht nicht gerne, aber zumindest freiwillig getroffen, während Kinder, die von ihren Eltern ins Ausland mitgenommen werden, keine große Wahl haben, insofern sie nicht bei anderen Verwandten unterkommen können, da sehe ich schon einen Unterschied. Zudem hat ein Elternpaar, zumindest wenn die Ehe nicht total kriselt, noch einander und in dem jeweils Anderen einen guten Freund und Zuhörer, während ein Teenager im schlimmsten Fall nicht nur seine Freunde, sondern auch einen festen Partner zurücklässt und somit völlig alleine wäre.
Winny2311 hat geschrieben:wenn man in eine andere Stadt zieht, ist es doch das gleiche Problem, nur das man eben die Sprache kann.
Auch hier muss ich dir dann doch ein wenig widersprechen, denn einen Umzug in eine andere Stadt fände ich als Teenager vielleicht auch nicht toll, könnte ihn aber noch irgendwie verschmerzen. Gerade wenn man nicht komplett ans andere Ende des Landes zieht, sind die Zugverbindungen innerhalb Deutschlands inzwischen so gut, dass ich mit ein bisschen Kleingeld in einigen wenigen Stunden wieder zurück in meiner alten Heimat wäre und dort zumindest alle paar Wochen meine Freunde und einen eventuellen Partner besuchen könnte. Natürlich wird das nie dasselbe sein und ich bin mir fast sicher, dass viele Freundschaften das nicht überleben würden, aber immerhin könnte ich die Engsten weiterhin halten. Auch schulisch ist das lange nicht so eine große Herausforderung und ich könnte meine Ausbildung gut fortsetzen, wenn auch mit einigen kleinen Einschränkungen. Natürlich unterscheiden sich die Lehrpläne außerhalb der Bundesländer, aber die Sprache ist immerhin dieselbe und fachliche Inhalte können sehr schnell nachgeholt oder in Fächern, die nicht relevant für die Abschlussprüfung sind, ausgeblendet werden.
Winny2311 hat geschrieben:Würde man eben die Sprache vorher lernen, wäre es jetzt
nicht so verwerflich.
Da stimme ich grundsätzlich völlig mit dir über ein, wobei ich trotzdem finde, dass es einen riesigen Einschnitt in das Leben der Kinder darstellt, ihre Ausbildung in einer anderen Sprache fortsetzen zu müssen. Wenn ich mir jetzt überlege, dass ich seit acht Jahren Englisch lerne, mein Englisch aber bestimmt noch nicht gut genug wäre, um einen wirklich hochwertigen Aufsatz zu schreiben oder einen komplizierten, wissenschaftlichen Text zu verstehen, dann will ich mir nicht vorstellen, wie es Kindern ergeht, die erst ein Jahr lang einen Sprachkurs nebenbei gemacht haben. Andererseits erleichtern natürlich auch schon kleine Brocken der Sprache den Einstieg ins neue Leben ungemein, zumal sie auch beim Knüpfen sozialer Kontakte unglaublich behilflich sein können. Allerdings habe ich oft den Eindruck, dass die Jobangebote oder spontanen Entschlüsse eben so plötzlich kommen, dass für einen Intensivkurs kaum Zeit bleibt.
Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht grundsätzlich gegen das Auswandern und sehe auch ein, dass es in gewissen Fällen nötig sein kann, um die Existenz zu sichern, gerade, wenn die Kinder der Familie eben das Alter schon überschritten haben, in dem man Sprachen spielerisch im Kindergarten und in der Grundschule lernen kann und sich soziale Kontakte wie von selbst ergeben, sehe ich das dann aber doch eher kritisch, weil ich niemanden kenne, der glücklich damit war, im Teenager-Alter aus seiner Heimat gerissen zu werden, von dem schulischen Zeitverlust mal ganz zu schweigen. Wie seht ihr das denn? Bis zu welchem Alter könnte man denn ein Kind wirklich mitnehmen, ohne dass es schulisch und sozial wirklich ernste Konsequenzen gibt? Und wo wäre da Schluss?
Mir ist sowas schon mal passiert. Mit 17 Jahren hat meine Mama nach Deutschland geheiratet hat und ich musste mitgehen, da ich nicht volljährig war. Ich weiß daher wie sich sowas anfühlt, schließlich war ich noch ein Teenager. Wenn sich irgendwelche Eltern dazu entscheiden ohne dem, dass sie überhaupt die eigene Kinder fragen was sie darüber halten, dann weiß ich auch nicht mehr. Es ist wirklich sehr egoistisch. Denn so ein Kind verliert alles. Es kommt ins Land, dessen Sprache sie nicht können. Dort werden sie zur Schule gehen, ohne ein Wort zu verstehen. Bis man eine Sprache perfekt beherrscht, dass dauert. Außerdem die alle Freunde, die sind dann auch weg. Sich eine neue Freundschaft ist sicherlich kein Problem, aber trotzdem tut es sehr weh. Ich finde dass sich da die Eltern die auswandern möchten richtig viel Zeit nehmen sollten und alles mit dem Rest der Familie besprechen sollten. Am besten noch paar Monate vorher, so hätte man zu mindestens irgendwo noch die Möglichkeit die Sprache zu lernen und die Zeit, sich von allem alten verabschieden.
Ich finde, dass es ganz darauf ankommt, wie alt das Kind ist. Befindet es sich noch im Kindergartenalter, ist es denke ich kein schlimmer Schritt - aus Kindersicht betrachtet. In dem Alter lernen sie die andere Kultur noch ohne Vorbehalte kennen, sind offen für Veränderungen. Ist das Kind allerdings mitten in der Pubertät, fände ich es ehrlich gesagt ein absolutes Unding, ein Kind aus dem Freundeskreis, dem eigenen Land, etc. zu reißen. Nach der Schulzeit, wenn das Kind erwachsen ist, kann man es gern mit Absprache vom Kind machen. Notfalls bleibt das Kind in Deutschland zurück, studiert, macht seine Ausbildung fertig, o.Ä.
Ich denke nicht, dass man so pauschal sagen kann, dass man den Kindern recht egoistisch ist, wenn man deren Wünsche nicht oder nur teilweise umsetzt. Letzten Endes ist es doch so, dass (fast) alle Eltern gute Eltern sein wollen und das gelingt nun einmal am besten, wenn es den Eltern auch gut geht. Wenn sie dann ihre Zukunft nicht mehr in Deutschland sehen sondern im Ausland dann ist das erst einmal völlig in Ordnung.
Außerdem denke ich, dass in diesen Sendungen auch nur ein kleiner Ausschnitt gezeigt wird. Ich denke, dass da in den Familien schon viel vorher besprochen wird. Zumindest ich könnte mir nicht vorstellen, dass die Erwachsenen eine solche Entscheidung einfach allein treffen ohne dass die Kinder mit einbezogen werden. Daher würde ich schon in einem gewissen Maße Rücksicht auf die Kinder nehmen. Allerdings hätte diese Rücksicht bei Kindern im Teenageralter auch Grenzen. Denn gerade das ist ja das Alter, in dem sich Teenager vermehrt von ihren Eltern abnabeln. Daher würde ich auch schon etwas egoistischer sein.
Davon abgesehen denke ich, dass so manche rational durchaus sinnvolle Entscheidung in einer solch emotionalen Situation wie einer Trennung trotzdem noch einmal in Zweifel gezogen wird, wenn die Entscheidung dann auch tatsächlich in die Tat umgesetzt wird. Denn wenn man erst einmal mit den weniger angenehmen Auswirkungen einer Entscheidung in Berührung kommt, dann sieht die Entscheidung schon wieder anders aus und wird auch eher in Zweifel gezogen.
Natürlich ist es aber trotzdem immer hart, wenn man ohne die gewohnten Freunde zurück lassen muss und an einem anderen Ort neu beginnen muss. Nur ist das in der heutigen Zeit doch weniger ein Problem, da mit Internet und den Diensten Telefon und Mail eine Kommunikation einfacher und vor allen Dingen weitestgehend kostenlos möglich. Daher ist man ja erst einmal nicht gleich allein auf der Welt. Außerdem schließen gerade junge Menschen doch recht schnell wieder Kontakte, da sie doch auf Abstand mit den Eltern gehen und ohnehin Bezugspersonen außerhalb der eigenen Familie suchen.
Zusätzlich ist es auch so, dass es sicher in dem Leben der jungen Menschen nicht das letzte Mal bleiben wird, dass sie einen Neustart wagen müssen. Wenn sie dann beim ersten Mal noch darin begleitet werden, dann finde ich das schon eine gute Übung für das spätere Leben, sorgt das doch im Regelfall für ein ganz anderes Selbstbewusstsein, wenn man eine solche Situation schon einmal erfolgreich gemeistert hat.
Vielleicht liegt meine Einstellung auch darin begründet, dass gerade mein Kleiner schon häufiger von mir in fremde Umgebungen mitgeschleppt wurde und entsprechend auch schon mal in fremde (teilweise internationale) Kindergärten ging. So wie ich das sehe, hat es dem Jungen nicht geschadet, denn er hat nur den normalen Respekt vor fremden Situationen, überwindet diesen aber immer und geht noch gestärkter daraus hervor. Daher denke ich auch, dass mit der passenden elterlichen Begleitung nichts an einer Auswanderung egoistisch ist.
@JotJot: Nun, ich habe ja nicht gesagt, dass Auswandern grundsätzlich immer egoistisch von den Eltern ist und das jedes Kind ganz automatisch darunter leidet. Dass dein Sohn durch deine Reisen viel mitnehmen konnte und ein hohes Selbstbewusstsein entwickelt hat, bezweifle ich an sich gar nicht, ich möchte aber schon anmerken, dass er sich zu diesem Zeitpunkt ja in einem Alter befand, in dem er relativ wenig zu verlieren hatte, wenn wir von der Kindergartenzeit sprechen. Wenn ich Kinder in diesem Alter beobachte, stelle ich fest, dass sie oft sehr schnell Kontakte knüpfen und Sprachbarrieren da keine große Rolle zu spielen scheinen. Auch schulisch versäumte dein Sohn ja dann nichts und zog seine Ausbildungszeit nicht unnötig in die Länge. Du hast ja andernorts schon geschrieben, dass dein Sohn sehr wissbegierig und aufgeweckt ist, somit war es vielleicht wirklich eine gute Entscheidung. Ich könnte mir aber vorstellen, dass du anders reagiert hättest, wäre dein Sohn ohnehin schon sehr introvertiert und schüchtern und stünde schulisch schon kurz vor dem Ziel.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich übrigens an eine Familie aus dem Bekanntenkreis. Der Vater, ein Gymnasiallehrer, wollte unbedingt zwei Jahre in Mittelamerika unterrichten, was dann auch gegen den Willen der Kinder durchgesetzt wurde. Kompromiss war hier aber, dass die Kinder eine deutsche Schule besuchen konnten, um ihre Ausbildung einigermaßen unbehelligt fortsetzen zu können. Diese Schule hielt sich eben an einen deutschen Lehrplan und unterrichtete die Kinder zusätzlich in der Landessprache. Die Kinder betrachten diesen Auslandsaufenthalt im Nachhinein als schöne Erfahrung und sprechen heute auch immer noch Teile der Fremdsprache, sie sagen aber selbst, dass der Einstieg schwieriger gewesen wäre, hätten sie das Angebot dieser Schule nicht wahrnehmen können. Man hätte eben doch sehr viel Zeit mit dem Lernen der Landessprache verloren und das Knüpfen neuer Kontakte wäre aufgrund der sprachlichen Schwierigkeiten über lange Zeit gar nicht möglich gewesen.
Gerade auch im Fernsehen, aber auch im weiteren Bekanntenkreis, sieht man allerdings immer wieder, dass solche friedlichen Einigungen nicht erzielt werden können, weil beispielsweise keine Schule dieser Art in der näheren Umgebung des neuen Aufenthaltsortes ist oder das notwendige Kleingeld für einen Schulbesuch fehlt. Bei den oben angeführten Kindern kam ja begünstigend hinzu, dass es sich schon von Anfang an um einen begrenzten Zeitraum handelte, auch das half ungemein, die alten Freundschaften über das Internet aufrechtzuerhalten. Wenn all diese Voraussetzungen aber nicht gegeben sind und die Kinder ohne spezifische Ausbildungsmöglichkeit und Förderung sowie ohne festgesetzten Zeitraum und gegen ihren Willen mitgenommen werden, sehe ich das schon sehr kritisch.
Anemone hat geschrieben:Ich könnte mir aber vorstellen, dass du anders reagiert hättest, wäre dein Sohn ohnehin schon sehr introvertiert und schüchtern
Das war er bis kurz vor dem Schuleintritt. Und viele der Betreuer hielten es daher im Kindergartenalter für keine gute Idee, ihn öfter mal in eine andere Umgebung zu stecken. Sicher war das für mich zu Anfang auch nicht leicht und ich habe da etliche Kritik eingesteckt. Hätte ich aber damals die Aktionen nicht durchgezogen, wäre ich heute nicht so weit, wie ich bin. Damit wäre ich deutlich unzufriedener und sicher auch keine vernünftige Mutter.
Aber ich habe festgestellt, dass es mit der richtigen Unterstützung von Seiten der Eltern auch für eher introvertierte Kinder machbar ist, sich in eine neue Umgebung einzugewöhnen. Und daher steigt dann auch das Selbstbewusstsein. Das hätten dann auch die Kritiker nicht erwartet.
Dass man mit einem kurz vor dem schulischen Abschluss stehenden Kind nicht unbedingt auswandert, ist sicher eine andere Geschichte. Von Eltern, die das wirklich im letzten Schuljahr tun, würde ich dann auch gern mal wissen, warum man dann nicht etwas warten konnte. Das ist sicher richtig. Aber wie schon gesagt, was nützt es dem zum Teil, wenn die Eltern immer unzufriedener werden? Da stellt sich die dann die Frage, was wäre denn ein guter Kompromiss, der wirklich allen gerecht wird?
Gut, dann freut es mich sehr, dass du deinem schüchternen Sohn mit deiner Entscheidung wohl auch ein Stück weit helfen konntest, vielleicht auch, weil du als seine Mutter bestimmt am besten beurteilen konntest, ob er sich an solch einschneidende Veränderungen gewöhnen kann oder nicht. Ich würde das aber keineswegs auf alle introvertierten Kinder übertragen und argumentieren, dass bei allen der Sprung ins kalte Wasser die richtige Medizin ist. Vielleicht auch aufgrund meiner Behinderung hatte ich immer extreme Schwierigkeiten damit, auf andere Kinder zuzugehen, was sich eben erst mit der Zeit und durch die Anwesenheit vertrauter Personen eingependelt hat. Ich weiß nicht, ob eine neue Umgebung den Prozess beschleunigt oder verlangsamt hätte, aber ich könnte mir Letzteres besser vorstellen. Sicher bin ich mir aber darin, dass es schwieriger werden dürfte, introvertierte und zurückhaltende Kinder zu „verpflanzen“, umso älter sie sind.
Du fragst nach einem Kompromiss. Natürlich ist ein solcher nicht immer realisierbar und hängt stark von den Möglichkeiten und Bedürfnissen der einzelnen Parteien ab, trotzdem kann es keine Lösung sein, einen Teenager kompromisslos mitzunehmen. Kompromiss könnte eben der Besuch einer speziellen Schule sein, für den man dann natürlich auch im Vorhinein sparen muss, um ihn finanzieren zu können, bis man im Ausland auf eigenen Beinen steht. Möglich wäre auch, sich zu überlegen, ob man vielleicht in einer anderen Stadt Deutschlands glücklich werden könnte oder das deutschsprachige Ausland in Betracht zieht. Eventuell könnte man in der Tat noch ein bis zwei Jahre warten, bis das Kind volljährig ist, und wenn alle Stricke reißen, könnte man auch über die Unterbringung bei Verwandten nachdenken, wenn das Kind das aus eigenem Antrieb möchte. Sobald ein Kind ein gewisses Alter erreicht hat und die von den Eltern abweichende Meinung begründen kann, sollte man sich schon um eine Lösung bemühen, die zwischen beiden Parteien schlichtet.
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