Zwangsadoptionen in der ehemaligen DDR

vom 01.10.2009, 07:49 Uhr

Tag der deutschen Einheit kommt näher und im Fernsehen kommen wieder Filme und Berichte von der ehemaligen DDR. Unter anderem war gestern Abend ein Film im ARD "Jenseits der Mauer", der von einer Zwangsadoption handelte. Mein Mann kommt selber aus der DDR. Er gilt dort auch als Republikflüchtiger. Er wollte ein paar Wochen vor Mauerfall mit seiner damaligen Frau und 2 Kindern flüchten und wurde dann für 3 Wochen ins Gefängnis gesteckt. Seine damalige Frau konnte aber bei den Kindern bleiben und als mein Mann dann entlassen wurde, haben sie Ausreiseantrag gestellt und dann kam der Mauerfall dazwischen und sie konnten auch so gehen.

Mein Mann meinte, dass er selber nie etwas mitbekommen hat von einer Zwangsadoption oder dass Kinder den Eltern weggenommen wurden und dann an irgendwelche Leute gegeben wurden. Hatten sie einfach nur Glück, dass die damals noch kleinen Kinder bei ihnen bleiben durften?

Kann es sein, dass, die Bürger der ehemaligen DDR wirklich von all dem nichts mitbekommen haben? Wie konnte das denn verheimlicht werden? Gibt es hier unter uns auch betroffene Kinder, die damals adoptiert wurden oder gar betroffene Eltern, die ihr Kind nicht mehr wiedergesehen haben?

Ich stelle mir das einfach schrecklich vor, wenn man mir das Kind wegnimmt. Oder so wie in dem Film vor die Wahl stellt. Entweder mit dem Sohn die DDR verlassen und Tochter wird zur Adoption freigegeben, oder 6 1/2 Jahre Gefängnis und beide Kinder werden zur Adoption freigegeben.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Also meine Mutter hat mich in der ehemaligen DDR mit 16 Jahren bekommen. Ihre Mutter schmiß sie daraufhin raus und meine Mutter kam bei der Mutter ihres Freundes unter. Ich selbst mußte direkt nach der Geburt ins Heim, da meine Mutter noch zu jung war und meine Oma sich geweigert hat, die Vormundschaft zu übernehmen. Meine Mutter durfte mich jedes Wochenende besuchen. Mit ihrer Volljährigkeit und einem Beruf, 15 Monate später, durfte sie mich mit nach Hause nehmen. Obwohl die Beziehung zu meinem Vater längst in die Brüche gegangen war, durfte sie weiterhin bei seiner Mutter wohnen.

Ich denke, wenn es in der ehem. DDR wirklich so extrem gewesen wäre mit Zwangsadoptionen, hätte meine Mutter mich nach der Entbindung nicht mehr sehen dürfen. Ich habe mein komplettes erstes Lebensjahr im Heim verbracht. Um später etwas davon mitzubekommen, wie es bei anderen Menschen lief, war ich noch zu klein. Als die Mauer fiel, war ich 9 Jahre alt. 4 Jahre später haben wir die ehemalige DDR verlassen.

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» merlinda » Beiträge: 530 » Talkpoints: 0,41 » Auszeichnung für 500 Beiträge


@Diamante
Da dein Mann aus der ehemaligen DDR kommt, sollte er doch eigentlich auch wissen, das man dann ein Redeverbot bekommen hat. Und Kinder, welche zur Zwangsadoption kamen, kamen eben auch von Eltern, welche nicht Staatskonform waren. Sprich diese wurden, wenn sie denn ausreisen wollten, eben abgeschoben. Oftmals auch von der BRD freigekauft. Oder sie sassen über Jahre im Knast, meist in Bautzen. Und dort wurden sie schon darauf vorbereitet, was ihnen blüht, wenn sie reden.

Übrigens wurde diese Thematik in dem Film "Die Frau vom Checkpoint Charly" sehr gut verarbeitet. Und der Film kam mittlerweile schon einige Mal im Fernsehen. Genauso wenig ist die Thematik um diese Jahreszeit neu. Es wird jedes Jahr wieder gebracht. Vorallem auch, weil es noch genug Eltern gibt, die ihre Kinder suchen, weil es damals zur Zwangsadoption kam.

Die Eltern, welche dann in den Westen konnten, hatten damals eigentlich die Wahl zwischen Westen und Knast. Haben sie die Adoptionspapiere unterschrieben, dann durften sie raus aus der DDR. Haben sie nicht unterschrieben war Bautzen das Ziel. Aber in beiden Fällen waren die Kinder weg.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Naja, in Filmen wird ja immer sehr übertrieben, denke ich. Mein Mann ist auch kurz vor der Wende mit seiner damaligen Frau und den Kindern auf den Weg in den Westen gewesen, als er geschnappt wurde. Die Frau kam kurz in Haft bzw. zur Vernehmung und mein Mann 3 Wochen. Als er raus kam ist die Mauer kurz vor dem Fallen gewesen und die Frau und die Kinder warteten auf ihn. Also nichts von wegen Kinder wegnehmen. Schließlich war die Mauer ja noch da und die Grenzen noch geschlossen, als sie in Haft kamen. Auch als er raus kam und der Ausreiseantrag wurde gestellt. Ist doch komisch.

Ich selber habe vor einem Jahr eine Frau kennengelernt, die auch wegen Republikflucht im Gefängnis saß. Die Frau saß 2 Jahre, als sie dann entlassen wurde, weil die Mauer fiel und die Kinder von ihr waren bei ihrer Mutter so lange. Auch da wurden die Kinder nicht einfach weggenommen und zur Adoption frei gegeben. Weiterhin kenne ich einen Mann, der auch in einem Heim gewesen ist, weil die Mutter zu jung war. Aber deswegen wurde auch er nicht zur Adoption freigegeben.

Außer in Filmen habe ich noch nie etwas von diesen Zwangsadoptionen gehört. Ich kenne sehr viele Menschen aus der früheren DDR und das Thema kommt, wenn man zusammen sitzt auch schon mal auf und komischer Weise kann keiner da irgendwas zu sagen. Irgendwas muss man doch mitbekommen haben, wenn man in der DDR gewohnt hat. Oder können wirklich nur die was darüber sagen, die mit dem Staat zusammen gearbeitet haben?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das klingt jetzt so, als wären in der ehemaligen DDR ständig Kinder entführt und zwangsadoptiert worden usw., so ist es nun auch nicht. Das mag zwar vorgekommen sein – auch wenn man das im Nachhinein schlecht prüfen kann – aber bestimmt nur in besonderen Ausnahmen. Die Frage ist aber, ob das dann wirklich immer zu Unrecht passiert ist.

Es gibt ja immer einen gewissen Prozentsatz an Müttern und Vätern, die mit der Kindererziehung überfordert sind oder einfach auch ihre Kinder vernachlässigen. In besonders schlimmen Fällen würde heutzutage das Jugendamt einschreiten und ebenfalls manchmal das Sorgerecht entziehen bzw. die Kinder zu Pflegeeltern oder in ein Heim geben. Es kann ja mitunter für das Kindeswohl zuträglicher sein, von schlechten Eltern getrennt zu leben als bei ihnen zu bleiben.

Die Eltern, die von so etwas betroffen sind, werden das aber vielleicht auch nicht unbedingt einsehen. Stattdessen wird lieber geschimpft, auf das furchtbare Jugendamt, dass die Kinder „weggenommen“ hat und wie der Staat denn das nur machen könnte usw. Lieber den Fehler im System oder bei anderen zu suchen ist ja leichter als das eigene Erziehungsverhalten zu hinterfragen.

Auch in der DDR wird es ähnliche Institutionen gegeben haben, auch dort hat sicherlich so etwas wie ein Jugendamt existiert. Und bestimmt haben die auch ein Auge darauf gehabt, wie Kinder mit ihren Eltern umgegangen sind und bei Vernachlässigung die Kinder eventuell aus der Familie genommen. Dabei meine ich mit „Vernachlässigung“ aber nicht, dass die Kinder nicht im Sinne des Sozialismus erzogen wurden, sondern so, wie wir den Begriff „vernachlässigt“ auch heute verstehen würden.

Ein gewisser Teil der betroffenen Eltern hat sicherlich auch nicht eingesehen, warum dieser Schritt notwendig war oder war dazu nicht in der Lage, das eigene Verhalten angemessen zu bewerten. Und genauso, wie dann heute auf das Jugendamt geschimpft wird, werden die Eltern es sich leicht gemacht haben und der „bösen DDR“ die Schuld dafür gegeben haben, dass man ihnen die Kinder weggenommen hat. An ihnen selbst hat das natürlich nicht gelegen, das war das fiese „Unrechtssystem“.

So einen Fall habe ich auch in meinem Umfeld. Da gibt es eine Frau, die ab und an schizophrene Psychosen hat und der man deswegen die Kinder weggenommen hat. Zwischendurch ist sie ganz normal, aber man kann Kinder ja nicht bei jemandem lassen, der aller paar Monate völlig am Rad dreht. Dass dieser Schritt notwendig war, sieht sie bis heute nicht ein und schimpft immer fleißig auf die ehemalige DDR, wenn man sie darauf anspricht.

Es mag schon sein, dass man sich damals nicht so viel Mühe gegeben hat, es mit Erziehungshelfern und allen möglichen Mitteln zu versuchen, dass die Kinder in der Familie bleiben können. Aber die Theorie, dass massenweise Kinder aus politischen Gründen zwangsadoptiert wurden, die teile ich nicht. Nur, weil es ein anderes politisches und wirtschaftliches System war, heißt das nicht, dass alles, was da passierte, schlimm und „menschenverachtend“ war.

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