Könntet ihr euch das Leben als Nomade vorstellen?
Nomaden haben im Gegensatz zu anderen Menschen kein Zuhause. Sie ziehen in kurzen Zeitabständen von Ort zu Ort, um sich dort nach kurzem Aufenthalt wieder auf den Weg zu machen. Sie haben überhaupt kein festes Zuhause. Sie wohnen quasi dort, wo sie gerade sind und das ist immer woanders. Ich denke ich könnte mir das Leben als Nomade nicht vorstellen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Wäre ich gleich von Anfang an in einer Nomadenfamilie aufgewachsen und das herumreisen gewöhnt, so hätte ich damit sicherlich keine Probleme mehr. Aber ich lebe nun schon seit 16 Jahren in meinen Heimatdorf und wäre hier nicht mehr wegzudenken. Ich habe hier meine Familie und meine Freunde. Es wäre schrecklich für mich ständig weg ziehen zu müssen, alles hinter mir lassen zu müssen und den Kontakt mit den Menschen um mich abbrechen zu müssen.
Könntet ihr euch das Leben als Nomade vorstellen? Wäre das etwas für euch? Würde es euch gefallen ständig herum zu ziehen und so viel von der Welt zu sehen oder möchtet ihr euch auch an Menschen binden und könntet euch nicht vorstellen euer Zuhause ständig wechseln zu müssen?
Ich könnte es mir nur vorstellen, wenn ich es nicht alleine machen würde, sondern mit einem Partner oder einigen Freunden. Einige Bezugspersonen würden mir da völlig ausreichen. So hätte ich Gelegenheit einiges von der Welt zu sehen, verschiedene Menschen kennenzulernen. Die Frage ist dann, wo man nachts schlafen, tagsüber essen, wo sich waschen sollte? Deshalb kann ich mir bei Beantwortung dieser grundlegend existentiellen Fragen nur vorstellen, das Ganze in einem Wohnwagen machen zu können. Sozusagen ein mobiles Zuhause. Auf der anderen Seite, wie kann man bei einem solchen Leben denn Geld verdienen? Kurzfristige Gelegenheitsjobs im Dienstleistungsbereich dauern sowieso einige Wochen an, sodass sich das Weiterziehen auch in diesem Rhythmus vollziehen muss. Auf der anderen Seite ist es sowieso schwer, dann auch solche Jobs zu bekommen.
Demnach müsste man sich auf eher wenig Geld einstellen und "spartanisch" leben. Man müsste ein Mensch sein, der sich am Leben als solches erfreut, unabhängig vom materiellen Glück. Nur die Grundbedürfnisse wären befriedigt. Eine solche Lebensweise könnte ich mir demnach nur in warmen Regionen vorstellen. An Orten mit viel Natur, recht wenig Stadtleben. Einem Ort mit Strand, wo diese ganze Konsumsphäre nicht im Vordergrund steht.
Die Zirkusmenschen leben ja ein solches Leben. Nur verdienen sie direkt damit Geld, weil sie nun mal dort etwas anbieten, wo sie sind. Da ist es einfacher, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Aber da ich nun mal nicht so aufgewachsen bin, kann ich mir einen Wandel in dieser Hinsicht nicht vorstellen, dafür ist es zu spät.
Ich kann mir ein Leben nicht vorstellen, in dem ich in recht kurzen Abständen immer wieder umziehe. Ich fühle mich hier ganz wohl, ich habe meine Familie in der Nähe wohnen und meine Freunde wohnen ebenfalls in meiner Nähe. Mir gefällt meine Wohnung sehr gut und auch der Stadtteil, in dem ich wohne. Ich bin hier schon aufgewachsen und bisher nur zwei mal umgezogen, einmal, da war ich noch klein, etwa drei Jahre alt und dann als ich auch der elterlichen Wohnung ausgezogen bin und ich wohne immer noch in der ersten Wohnung, in der ich mich wirklich so wohl fühle das ich auch sagen kann, dass ich hier auch wohnen bleiben möchte.
Ein wirklich ständiges Weiterziehen von einem Ort zum nächsten innerhalb kürzester Zeit wäre für mich auch nichts, das ich mir ernsthaft vorstellen könnte. In jungen Jahren, als ich Anfang zwanzig war, hätte ich mir so eine Art Rundreise durch Frankreich ganz gut vorstellen können, aber mittlerweile ist nicht einmal mehr das eine Vorstellung, die ich in irgendeiner Weise reizvoll finden kann. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um den Gedanken, ständig mein Zuhause wechseln zu müssen, denn wenn ich jemand wäre, der lebt wie ein Nomade, dann würde ich mich schon gar nicht erst irgendwo entsprechend einrichten, dass ich dort ein Zuhause habe. Ich denke, als jemand, der immer wieder seine Zelte an einem Ort abbricht und irgendwo ganz neu aufbaut, lebt man eher nach dem Motto „Home is where my heart is“, was im Prinzip hier wohl gleichbedeutend damit sein dürfte, dass man sich eigentlich überall wohlfühlen kann. Und ich denke, dass man diesen Heimatgedanken gar nicht erst aufkommen lassen kann und wird, wenn man lebt wie ein Nomade.
Für mich ist das nun aber wie gesagt nicht wirklich vorstellbar und ich durch viele Umzüge vom Norden in den Süden Deutschlands in meiner Kindheit und Jugend, dass es wirklich alles andere als angenehm ist, wenn man immer wieder seinen Wohnort wechselt, sich überall erst wieder neu zurechtfinden muss, neue Menschen kennenlernt und all das. Klar kann das auch bereichernd sein und vielleicht kann man das als Erwachsener auch wiederum anders einordnen als eben als Kind oder Jugendlicher, wo man diese Entscheidung, weiterzuziehen, ja wohl doch in eher wenigen Fällen selbst trifft, sondern eher mitgezogen wird.
Viel von der Welt zu sehen finde ich an dieser Vorstellung übrigens noch den reizvollsten Aspekt, denn die Welt interessiert mich nun tatsächlich sehr und ich kann ja auch dem Reisen durchaus so einiges abgewinnen. Ich möchte mich nur nicht überall erst häuslich niederlassen wollen, um dann nach kurzer Zeit wieder weiterzuziehen. Wenn ich so etwas nun irgendwann dennoch tun sollte, dann würde ich es eher in Form einer Rundreise durch eine Gegend in Betracht ziehen, die mich verlockt, sie mir einmal näher anzusehen. Ich würde mich dort aber sicherlich rein mental schon gar nicht niederlassen können, sondern wissen, dass mein Zuhause dort ist, wo mein Herz ist, also eben zu Hause – hier in meiner Umgebung mit meinen Freunden und meinen engsten Verwandten um mich herum.
Ob du es glaubst oder nicht, manchmal, wenn mir alles über den Kopf wächst, wünsche ich mir genau das. Dann wünsche ich mir, mit einem vernünftigen Startkapital in der Tasche einfach alles hinter mir zu lassen, niemandem etwas zu sagen, höchstens einen kleinen Brief dazulassen und loszureisen und die Welt zu sehen. Von Ort zu Ort reisen, ständig neue Kontakte knüpfen, mal gute, mal schlechte. Gelegenheitsjobs annehmen, also immer irgendetwas anderes tun, was für andere vielleicht als Albtraum klingt, könnte für mich der Traum auf Erden sein. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass man sich am Ende eines solchen Nomandenlebens besonders erfüllt fühlen kann, da man das Leben keineswegs sinnfrei verbracht hat. Genau davor habe ich auch oft Angst. Man könnte am Ende sagen, dass man so viel gesehen, erlebt, so viele Menschen kennengelernt hat.
Mich erinnert diese Frage an eine Kurzgeschichte mit dem Namen San Salvador, in der der Protagonist auch mit dem Gedanken spielt, alles hinter sich zu lassen und nach San Salvador abzuhauen. Natürlich ist das nicht unbedingt mit einem Nomadenleben vergleichbar, aber es gibt halt Parallelen. Die Realität bringt mich dann aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. So ein Leben ist natürlich auch nicht das Leichteste, man muss ständig schauen, wie man über die Runden kommt usw. Außerdem müsste man dann natürlich auch Familie und Freunde hinter sich lassen.
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