Schulassistent - wie funktioniert dies genau?
In einem Stellenangebot habe ich gerade gelesen, dass man bei der Integration von Schülern, die ein Defizit aufweisen, eine Schulassistenz beantragen kann. Genauer gesagt geht es um Kinder und Jugendliche, die wohl eine geistige Behinderung haben, was aber nicht weiter näher erläutert wurde. Nun ist dazu unter anderem eine pädagogische Ausbildung notwendig, um einen Schüler wohl zur Hand zu gehen, und ihn dabei zu unterstützen, wenn es darum geht, dass er zur Schule geht. Ich stelle es mir an sich so vor, dass man eben für den einen Schüler da ist und ihn im Unterricht begleitet, vielleicht auch zwischen Lehrer und Schüler oder zwischen den Schülern an sich vermittelt.
Aber wie sieht so etwas nun praktisch aus? Wer hat Erfahrung im Bereich der Schulassistenz und kann mehr dazu sagen, auch gern von selbst Betroffenen, die eine Schulassistenz benötigten? Welche Erfahrungen wurden gemacht? Wie funktioniert eine solche Eingliederung in der Praxis?
Ich hatte in meinem allgemeinen Schulpraktikum eine Schülerin mit einem Integrationshelfer. Das müsste so etwas sein wie der von dir angesprochene Schulassistenz wenn ich das so lese. Denn die Schulassistenten die ich so kenne haben die Aufgabe, die Kopien anzufertigen und die Post zu verteilen und den Hausmeister zu unterstützen. Aber du schreibst ja von der Begleitung eines Schülers und ich kenne das eben nur als Integrationshelfer, also berichte ich dir einmal davon.
Ein Integrationshelfer begleitete Schülerinnen und Schüler mit einer Beeinträchtigung im Schulalltag. Dabei kann es sich um eine körperliche Beeinträchtigung handeln. Dann hat der Integrationshelfer nicht viel zu tun, er schiebt vielleicht den Rollstuhl, hilft beim Umkleiden für den Sportunterricht oder sorgt dafür, dass zum Beispiel eine blinde Schülerin immer ausreichend viel Spezialmaterial zur Verfügung hat und diktiert ihr den Tafelanschrieb noch einmal, falls sie nicht im Unterricht mitkommt. Auch Hilfe zum Umgang mit dem Material leistet der Integrationshelfer.
Bei einer geistigen Beeinträchtigung werden die Tätigkeiten umfangreicher. Es soll ja durch die Inklusionspflicht in Deutschland nun so vorgegangen werden, dass alle Kinder gemeinsam in einer Regelschule unterrichtet werden und Sonderschulen und Förderschulen sollen abgebaut werden in den nächsten Jahren. Dann brauchen viele Schülerinnen und Schüler besondere Hilfe, um im Unterricht mit kommen zu können. Und genau dafür ist dann ein Integrationshelfer da: Er oder sie hilft dem Schüler oder der Schülerin bei allen anfallenden Aufgaben, erklärt vertiefend, wenn es Probleme gibt und sucht im Idealfall auch gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern nach Gestaltungsmöglichkeiten für den Unterricht, damit auch beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler gefördert und gefordert werden können.
Ich denke, dass dies ein sehr schwieriger und anstrengender Job sein kann und ich habe großen Respekt vor jedem, der sich ernsthaft damit auseinander setzt und sich für diese Arbeit interessiert! Es ist ein sehr intensiver Umgang mit dem beeinträchtigtem Kind gefordert und ich muss ganz ehrlich zugeben, dass das für mich nichts wäre.
Ja, das Stellenangebot ist genauso beschrieben, es ist da von einer Schulassistenz die Rede und das Berufsbild beziehungsweise das Aufgabengebiet wird näher erläutert, eben, dass es sich um eine Integration für Schüler handelt. Ich gehe aber hier einfach davon aus, dass es sich um geistig behinderte Schüler handelt, die dennoch eine Regel- oder Integrationsschule besuchen können, da der Träger mit geistig behinderten Menschen zusammenarbeitet. Den Träger kenne ich an sich, daher gehe ich davon aus, dass es eben schon so ist, wie Du es auch beschrieben hattest und was auch so meinen persönlichen Vorstellungen sehr nahe kommt.
Dass diese Sonder- und Förderschulen abgebaut werden sollen, wusste ich noch nicht und finde ich auch sehr interessant. Ob das so in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen. Aber ich frage mich gerade, ob dann ein solcher Integrationshelfer nicht auch den Unterricht stört und vielleicht die Mitschüler in ihrer Konzentration stört und so weiter. Mir fehlt da einiges an Vorstellungskraft, wie es in der Praxis funktionieren soll, obwohl ich zu Ausbildungszeiten eine junge Frau in meinem Abschlussjahr hatte, die eine solche Einzelbetreuung inklusive Integration hatte. Allerdings hatte ich mit ihr nichts weiter zu tun gehabt.
Für mich ist so etwas wohl auch nichts, weil ich mich im Unterricht wohl eher unwohl fühlen würde und keine großartige Stütze wäre. Aber ich finde solche Arbeit einfach interessant, und auch wichtig. Die Betreuung könnte ich dennoch so nicht übernehmen, wobei eine Einzelbetreuung auch etwas wäre, was für mich in Frage kommen könnte.
Also bei meiner Schülerin saß ihr Assistent direkt neben ihr und beide saßen ganz vorne am Ende der Tischreihe. Im ersten Moment war ich natürlich etwas irritiert, warum ein Erwachsener neben ihr im Unterricht sitzt und ich habe dann auch kurz nachgefragt und mir wurde die Situation erklärt.
Gestört hat mich ihr Assistent dann später überhaupt nicht mehr. Die beiden haben sich leise unterhalten und das ist in einer Klasse ja auch nichts wirklich ungewöhnliches. Ich war sogar ganz froh, dass ich mich nicht immer um dieses Mädchen kümmern musste, nicht weil ich Berührungsängste gehabt hätte, aber weil ich ganz einfach keine Erfahrung mit solchen Personen habe und alleine total überfordert gewesen wäre.
Ich bin zwar nicht geistig behindert, sondern blind, hatte aber in meinem ersten Jahr des Gymnasiums ebenfalls eine Integrationshilfe, die mir bei verschiedenen Kleinigkeiten zur Hand gehen sollte. Allerdings wurde damals keine Fachkraft benötigt, sondern mir wurde eine junge Frau zugeteilt, die ihr freiwilliges, soziales Jahr machte, aber das genügte eigentlich auch vollkommen. Ihre Aufgaben bestanden eigentlich nur darin, mich zu den Einzelnen Klassenräumen zu begleiten und mir bei Kleinigkeiten im Unterricht zu helfen, eben beispielsweise eine Tafelanschrift zu diktieren oder eine Zeichnung im Buch zu beschreiben. Weil sie mit diesen Tätigkeiten kaum ausgelastet war und ich ihre Hilfe weniger und weniger benötigte, suchte sie sich andere Aufgabenfelder, für die sie nicht zuständig gewesen wäre, und bereitete mir verschiedene Schulbücher und Arbeitshefte in der benötigten, digitalen Form auf.
Ich hatte nie Probleme mit meiner damaligen Integrationshilfe und wir entwickelten ein sehr gutes und inniges Verhältnis zueinander, allerdings will ich nicht bestreiten, dass es auch Nachteile durch sie gab. Erst einmal schottete ich mich durch sie sehr von meinen Mitschülern ab. Als blinde Person ist es mir nur sehr schwer möglich, selbstständig Menschen anzusprechen, deswegen bin ich darauf angewiesen, dass man auf mich zukommt. Die meisten dieser ersten Kontakte laufen nun einmal über das Helfen ab, Mitschüler fragen zum Beispiel, ob man mit in die Pause kommen möchte, oder ob man alleine zum nächsten Unterrichtsraum findet. Wenn aber immer eine erwachsene Person in der Nähe sitzt, dann sehen sie diese Notwendigkeit nicht und der Kontakt zu den Altersgenossen kommt erst gar nicht zu Stande. Kinder wollen in der Pause weit entfernt von erwachsenen sein und eine Integrationshilfe ist somit für eine Kontaktaufnahme eher ein Hemmschuh. Somit blieb ich durch die Integrationshilfe immer eine Außenseiterin.
In deinem oben genannten Beispiel wurde nun eine vollständig ausgebildete und erfahrene Integrationshilfe gesucht, was im Umgang mit geistig behinderten Menschen unumgänglich ist, gerade bei körperlich behinderten Menschen werden aber eher junge Menschen im Rahmen einer freiwilligen Tätigkeit eingesetzt. Sie haben kaum Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen und erlernen alles erst beim Kontakt mit dem jeweiligen Schulkind. Das kann bedeuten, dass sie anfänglich noch recht hilflos sind, was gerade auch jüngere Kinder verunsichern kann. Ich hatte zum Beispiel den Fall, dass meine Schulbegleitung mir viel mehr abnehmen wollte als nötig, so wollte sie meine Tasche packen und mir die Schuhe binden. Gut, das ließ sich relativ schnell klären, aber ich kenne auch Kinder, die die Unwissenheit ihrer Assistenz ausnutzen und sich regelrecht bedienen lassen. Darunter leidet dann oft ein nicht zu verachtender Teil der Selbstständigkeit.
Die Politik spricht immer von Inklusion, an den Schulen macht man es sich aber meiner Meinung nach viel zu einfach damit. Die behinderten Schüler bekommen eine Integrationshilfe, die über die praktischen Schwierigkeiten hinweghilft, aber wirklich einbezogen werden die behinderten Mitschüler in der Regel dann doch nicht. Wenn Lehrer trotz eines blinden Schülers ihren Unterricht nur auf Graphiken aufbauen, weil die Integrationshilfe das ja sowieso erklärt, oder nach der Einschulung kaum eine Stunde geopfert wird, damit sich die Klasse mit der Behinderung auseinandersetzen kann, dann ist die Inklusion ganz eindeutig nicht geglückt, auch wenn eine Integrationshilfe über die Schwierigkeiten hinweghelfen kann.
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