Jugendwohnheime/ betreutes Wohnen - Erfahrungen gesucht

vom 31.01.2012, 22:45 Uhr

Meine Freundin, 16 Jahre alt, hält es zu hause nicht mehr aus. Der Stiefvater ist nur mit ihr am schimpfen und ihm ist auch schon die Hand ausgerutscht und die Mutter kümmert sich nur um die Zwillinge, die auch vom Stiefvater sind und erst 5 Jahre alt sind. Sie muss ständig auf die Zwillinge aufpassen und will zu hause raus. Nun hat sie sich durchgerungen nächste Woche zum Jugendamt zu gehen um es dort zu schildern und sie denkt, dass sie dann wohl in ein Jugendwohnheim kommt, was dem betreuten Wohnen gleichzusetzen ist.

Hat jemand hier Erfahrung mit solchen Jugendwohnheimen bzw. mit betreutem Wohnen? Wenn es nicht das Gleiche sein sollte, dann wäre es interessant zu wissen, wo der Unterschied liegt und wie dann in den einzelnen Einrichtungen die Erfahrung bei euch ist. Was ist schlecht und was ist gut dort? Ist man dort gut aufgehoben oder kommt man zwangsläufig auch mit Jugendlichen zusammen, die einen auf die schife Bahn bringen könnten?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich habe selbst zwei Jahre lang in betreuten Wohngruppen gelebt und habe zwei ganz verschiedene Erfahrungen gemacht. Ich bin im Alter von 13 Jahren von zu Hause ausgezogen, weil meine Mutter alkoholabhängig war und es deswegen zwischen ihr und mir immer zu Streitsituationen kam. Sie selbst war es, die das Jugendamt gebeten hat mich in ein betreutes Wohnheim aufzunehmen, da sie sich mit meiner Erziehung überfordert fühlte.

Die erste Wohngruppe wo ich lebte war eine evangelische Einrichtung die für Kinder im Alter von fünf bis 18 Jahren geeignet war. Das jüngste Kind war sechs Jahre alt, die älteste Bewohnerin 17. Mit 13 gehörte ich als rebellischer Teenager zur mittleren Altersgruppe. Es handelte sich um ein großes Haus mit zwei gemischten Wohngruppen, Jungs und Mädchen waren also zusammen untergebracht. Insgesamt gab es acht Betreuer die für uns zuständig waren, von denen auch in der Nacht immer einer Bereitschaftdienst hatte und in der Gruppe schlief.

Die Betreuer kümmerten sich akzeptabel um die Belange der Jugendlichen, es bestand enger Kontakt mit den Schulen und Arbeitsstellen und auch die Wohnsituation war angenehm. Jeder Teenager hatte einen eigenen Raum, bei Personen über 16 Jahre bestand die Möglichkeit ein Appartement zu bekommen, in dem sich eine kleine Küche befand, um die Selbstständigkeit zu erhöhen.

Problematisch war in dieser Wohngruppe die Tatsache, dass die Gruppen gemischt waren, so dass ich leider sexuelle Übergriffe von einem kriminellen Mitbewohner erfahren musste. Hier haben die Betreuer leider zu schlecht und spät reagiert, erst nach der Festnahme der betreffenden Person schenkte man mir Gehör. Das war auch der Grund warum ich dann in eine etwas weniger betreute Form der Wohngruppe wechselte.

Die zweite Einrichtung war von einem staatlichen Träger finanziert, positiv für mich war, dass die Gebete vor den Mahlzeiten wegfielen und auch keine sonntäglichen Gottesdienste mehr stattfanden. In dieser Wohngruppe waren die Betreuer nur tagsüber anwesend, Nachts und in den Morgenstunden waren die Jugendlichen alleine im Haus und auf sich selbst gestellt. Ich war eine Ausnahme in diesem Projekt, normalerweise werden Teenager erst ab 16 dort aufgenommen.

In meiner zweiten Wohngruppe waren die Bewohner auch gemischten Geschlechts, allerdings handelte es sich ausschließlich um wirklich geistig reife Teenager, die ihre Privilegien zu schätzen wussten. Wir sind selbstständig zur Schule gegangen morgens, haben uns die Hausarbeiten eingeteilt und auch daran gehalten. Es war ein sehr vernünftiger Umgangston untereinander und es hat mir Spaß gemacht dort zu leben. Die Betreuer waren notfalls auch Nachts telefonisch erreichbar, einen solchen Notfall habe ich aber nie mitbekommen.

Mein Fazit ist: Wenn es im eigenen Elternhaus aus diversen Gründen nicht mehr aushaltbar ist, kann eine Wohngruppe eine echt gute Alternative sein. Das Jugendamt sollte aber mit Bedacht auswählen, welche Teenager in welche Gruppen gesteckt werden. Es war sehr unklug mich damals als 13 jähriges Mädchen zusammen mit einer siebenjährigen und einer 17 jährigen in eine Gruppe 17 jähriger Jungs zu stecken, die Folgen habe ich bis heute nicht verdaut. Ich glaube aber, dass solche Dinge Einzelfälle sind und die Betreuung in solchen Gruppen wirklich gut und angemessen stattfindet.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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