Extra nicht auf Beerdigung gehen?
So wie Dir ging es mir vor einigen Jahren, als meine Oma starb. Es handelte sich damals um den ersten Todesfall in meiner Familie, den ich miterlebt habe und ich war auch der Meinung, meine Oma in guter und vor allem lebendiger Erinnerung zu halten und deshalb nicht auf ihre Beerdigung gehen zu wollen. Ich glaubte, dass das Begräbnis sich mehr in meine Erinnerung brennen und alles, was ich ansonsten noch an Erinnerungen an meine Großmutter hatte, überlagern würde, also weniger greifbar sein würde. Nach einigen Gesprächen mit meinen Eltern über diese Gedanken bin ich dann aber doch zur Beerdigung mitgegangen, denn ich wollte das nicht irgendwann bereuen.
Im Grunde genommen weiß man eben nicht, ob man nicht doch irgendwann das Gefühl bekommt, besser Abschied genommen zu haben, denn eine Beerdigung ist leider in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, von einem Menschen Abschied zu nehmen. Da es aber auch wiederum nur eine einzige Beerdigung gibt, hat man eben nur eine Möglichkeit, daran teilzunehmen und man kann sich das nicht noch einmal anders überlegen, wenn das Begräbnis schon vorüber ist. Dann ist es geschehen und man war nicht dabei – damit aber über Jahre klarzukommen, wollte ich mir nicht antun, also bin ich damals eben mitgegangen.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass das genau die richtige Entscheidung war. Ich habe damals zwar versucht, eine rationale Entscheidung gegen meine Gefühle zu treffen und dabei habe ich in der Regel auch ein ganz blödes Gefühl. Aber in diesem Fall muss ich sagen, dass das Begräbnis meiner Großmutter doch ein wichtiges Mittel für mich war, um ihren Tod überhaupt zu realisieren und zu begreifen, dass sie nun wirklich gestorben ist und auch nicht mehr zurückkommen wird. Die Beerdigung war für mich ein bedeutsamer Weg, Abschied von ihr zu nehmen, was ich vorher nicht auf diese Art und Weise für möglich gehalten hätte. Aber ich denke, dass das Begraben eines Menschen, so merkwürdig es sich auch anhört, eben auch ein Stück weit Gras über diese Angelegenheit streut und langsam erwachsen lässt, sodass ich selbst eher das Gefühl hatte, nun nach der Beerdigung auch wirklich mit all dem Trauern langsam abschließen zu können.
Insofern würde ich wohl auf die Beerdigung dieses Mannes gehen, sofern Du ihn in irgendeiner Weise kanntest und einen Bezug zu ihm hattest. In einem ähnlichen Fall wie Deinem habe ich mich damals gegen die Teilnahme an einer Beerdigung entschieden, weil ich anderen Menschen, die einen größeren Anteil am Leben des damals noch sehr jungen Verstorbenen hatten, entsprechend Platz lassen wollte. Es erschien mir einfach respektvoller, mich nicht als trauernde Hinterbliebene eines Menschen zu präsentieren, die zwar betroffen und geradezu schockiert von diesem Tod, der von einem Unfall verursacht wurde, war, aber gleichzeitig eben nicht genug Bezug zum Verstorbenen hatte, um entsprechend mit Würde und Pietät an dieser Beerdigung teilzunehmen, vielleicht kann man es am ehesten so beschreiben.
Ich hätte nun kein grundsätzliches Problem damit, auf eine solche Beerdigung zu gehen. Dennoch würde ich es nicht tun. Wie ich jemanden in Erinnerung halte, ist nicht davon abhängig, ob ich zu der Beerdigung gegangen bin oder nicht. Ich finde auch solche Gedanken an den Zustand des Verstorbenen nicht schlimm, ich könnte mir auch problemlos jemanden anschauen, der einen schweren Unfall gehabt hat. Dadurch behalte ich denjenigen auch nicht in anderer Erinnerung als das sonst der Fall wäre, wenn die Leiche weitgehend intakt ist. Leichen sind für mich kein schlimmer Anblick, gerade wenn man nicht emotional mit der Person verbunden war. Ich habe auch kein Problem mit dem Tod, zumindest nicht mit dem Tod anderer Menschen.
Vor allem handelt es sich in diesem Fall ja um einen weitgehend Fremden, da finde ich solche Bedenken als Außenstehender auch ein bisschen übertrieben - es geht doch nur um einen toten Menschen, einen sehr flüchtigen Bekannten noch dazu. Wenn Familienangehörige solche Gedanken haben, kann ich das verstehen, bei Fremden finde ich das schon etwas merkwürdig. Auch der Gedanke, jemanden in Erinnerung behalten zu wollen, ist für mich eher etwas, das ich im Zusammenhang mit engen Angehörigen kenne, nicht aber bei Leuten, die mit dem Verstorbenen praktisch nichts zu tun hatten. Dass du mit dem Vater des Mannes mehr zu tun hast oder hattest, ändert meiner Meinung nach nichts an der Tatsache, dass es sich hier für dich um einen nahezu fremden Menschen gehandelt hat.
Ich habe mich auch gefragt, ob es sich bei dieser Beerdigung um eine von den Veranstaltungen handelt, die von vielen Leuten einfach nur aus reiner Höflichkeit (oder dem, was dafür gehalten wird) besucht werden. Gerade wenn eine Beerdigung von mehreren hundert Personen besucht wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass das alles Leute sind, denen wirklich etwas daran liegt, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Viele werden einfach hingehen, weil man das eben so macht. Ich bin gegen solche Pflichtbesuche aus reiner Höflichkeit.
Ich persönlich hätte diese Beerdigung nicht besucht. Wenn ich zu Lebzeiten mit der Person nichts zu tun hatte, interessiert mich auch die Beerdigung nicht. Ich fände es sogar fast ein bisschen schäbig und verlogen, sich dann dort zwischen die ehrlich trauernden Menschen, also die direkten Familienangehörigen, zu mischen. Ich bin auch der Meinung, dass zu einer Beerdigung eher Leute gehen sollten, die zu dem Verstorbenen wirklich eine Verbindung hatten, also Familienmitglieder und enge Freunde.
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