Auslandsjob als Reiseleiterin? Erfahrungen?

vom 11.10.2011, 22:10 Uhr

Die Tochter einer Bekannten möchte gerne Reiseleiterin im Ausland werden. Sie macht in diesem Schuljahr das Abitur und möchte erstmal gerne wissen was sie studieren muss, damit sie Reiseleiterin im Ausland machen kann. Dann möchte sie Erfahrungen von anderen Leuten, die als Reiseleiter im Ausland gearbeitet haben. Kennt ihr vielleicht selber Reiseleiter, die im Ausland gearbeitet haben oder arbeiten? Habt ihr diesen Job selber mal gemacht oder macht ihn?

Wo könnte sie sich nach Erfahrungen in diesem Bereich erkundigen. Im Bekanntenkreis gibt es Leute, die davon abraten, weil dieser Beruf keine Zukunft haben soll und sie nur schikaniert werden würde. Was denkt ihr darüber?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Eigentlich sollte man meinen, dass Abiturienten oder Schulabgänger mit einem Berufswunsch selbst in der Lage sind, sich über die notwendigen Qualifikationen zu informieren. Meines Wissens nach wird die Tochter Deiner Bekannten zwei Möglichkeiten haben, um einen Auslandsjob als Reiseleiterin zu erhalten. Das erste wäre, sie kümmert sich um eine Ausbildung als Reiseverkehrskauffrau. Die Dauer wäre wohl drei Jahre, kann aber sicherlich aufgrund des Abiturs um ein gutes halbes Jahr verkürzt werden. Dadurch könnte die Tochter Deiner Bekannten auch die Möglichkeit erhalten, im Ausland tätig zu werden.

Das andere, was mir noch spontan einfallen würde, wäre ein Studium im Touristikbereich. Vielleicht wird dieser Studiengang auch an einer Universität in der Nähe des Wohnortes von der Tochter Deiner Bekannten angeboten. Ob das nun aber sinnvoller, als die Ausbildung wäre, ist abzuwägen. Am besten sucht sie sich einen Gesprächstermin mit einem fähigen Berater von der Arbeitsagentur, der ihr die einzelnen Möglichkeiten noch genauer aufzeigt.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Um am Flughafen herumzustehen und Schildchen hochzuhalten, Rundfahrten, Partys und Leihwagen zu vertickern an Touris und Beschwerdeformulare auszufüllen, braucht man kein Studium! Sinn macht es natürlich, wenn man sich vor Ort verständigen kann- sowohl mit den Gästen, als auch mit den Einheimischen. Wer für einen deutschen Veranstalter arbeitet, kann von deutschen Gästen ausgehen, gutes bis sehr gutes Englisch ist überall im Tourismus empfehlenswert und wenn man die Landessprache spricht, ist dies sicherlich hilfreich bis gefordert. Wenn die Reiseleitung bei der Inselrundfahrt nicht in der Lage ist, die Eintritte zu zahlen oder sich mit den Angestellten zu verständigen, kommt das nicht gut.

Informieren kann man sich auf den Homepages der jeweiligen Veranstalter. Je nachdem wo man arbeitet, sind die Voraussetzungen unterschiedlich: der Kinderreiseleiter auf Rügen macht andere Dinge, als derjenige der Partybusse duch Lloret de Mar von Disko zu Disko begleitet und nochmal ganz anders ist ein Job im Nobel-Resort.

Es empfiehlt sich, selbst schon mal eine Reise gemacht zu haben und Menschen live in seinem Traumjob gesehen zu haben. Dann merkt man schnell, dass es egal ist, ob und was man studiert hat- "vor Ort" (wo auch immer das ist) kommt es auf ganz andere Dinge an.

Man ist allein in der Ferne. Keine Mama mehr da, die sich kümmert, kein Partner, keine Freunde. Gäste kommen und gehen, in der Hochsaison manchmal täglich! Mal fährt man morgens um halb 4 los, um ab 5 Uhr morgens am Flughafen zu stehen, spät abends kommt dann noch ein Notfall rein, weil einem Touri der Blinddarm geplatzt ist und die Gäste völlig hilflos im griechischen oder ägyptischem Krankenhaus stehen. Das Krankenhaus will Geld, die Leute verstehen nichts, bei der Krankenkasse ist keiner zu erreichen und alle stehen kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Und am nächsten Morgen geht es dann weiter mit Sprechstunde, Flughafendienst, Begrüßungscocktails und/oder Notfällen.

Ob man studiert hat oder drei Jahre in einem Reisebüro gesessen hat, ist den Einheimischen, mit denen man als Reiseleiterin in Flughafentransferbussen, an Hotelrezeptionen, Krankenhäusern, Polizeidienststellen und an Ausflugsorten Kontakt hat, meistens ziemlich egal. Den Touristen auch.

Viele machen es eine Zeitlang, wenige bleiben länger. Je nach Einsatzort sind die meisten Hotels im Winter zu. Manche entdecken den Alkohol für sich, einige die Drogen, einige finden einen Weg und schaffen es dauerhaft Fuß zu fassen. Will ich das und wenn ja für lange und wo auf der Welt? Das würde ich mich fragen.

Schikane ist für jeden etwas anderes. Wenn man sich um eine feiernde Meute kümmert, kommen andere Probleme auf einen zu, als im Nobelhotel. Die einen beschweren sich, wenn ein Fleck unterm Waschtisch ist, die anderen schaffen es im Suff einen Waschtisch aus der Wand zu reißen und freuen sich, weil sie im Zimmer ein Planschbecken haben :lol:. Ehestreit, medizinische Notfälle, Streik, politische Auseinandersetzungen, Heimweh, krabbelnden und fliegende Insekten und anderes Getier, zu lauter Sex der Zimmernachbarn , schlechtes Wetter, zu kaltes Wasser, zu warmes Bier, zu eintöniges Essen oder zu ungewöhnliches- man muss für jedes Problem einen Lösungsansatz haben. Lernen kann man das nur bedingt. Verkaufen sollte man können. Das man das im Studium lernt, wage ich zu bezweifeln.

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» Trisa » Beiträge: 3273 » Talkpoints: 21,86 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Du meinst also, es macht mehr Sinn, auf eigene Faust in ein unbekanntes Land zu fahren und dort Schildchen hochzuhalten und vor Ort nach einer Beschäftigung als Reiseleiterin anzufragen? Eine gewisse sachliche Ausbildung wird schon nicht das Schlechteste sein, ohne Ausbildung oder auch Studium wird es grundlegend schwer, überhaupt eine Arbeit zu finden. Von einer praxisbezogenen Ausbildung habe ich auch nicht gesprochen und dass die meisten Konfrontationen eher auf der zwischenmenschlichen Ebene stattfinden, lehrt in der Tat das Leben und nichts anderes. Aber eine Basis muss vorhanden sein.

Du scheinst ja schon beste Erfahrungen in diesem Bereich gemacht zu haben und die klingen nicht sonderlich positiv, geschweige denn motivierend. Aber es wird sicherlich auch noch andere Erfahrungen geben, die nicht ganz so negativ sind. Zumindest hoffe ich das. Ich jedenfalls würde es nicht glauben wollen, dass es ausschließlich so abgeht und würde mir da schon andere Erfahrungen holen wollen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



steph, ich schrieb, dass man sich auf den Homepages der meisten Veranstalter weiter informieren kann- und natürlich auch bewerben. Ich ging nicht davon aus, dass es nötig ist, dies extra zu erwähnen. Ebenso behaupte ich nicht, dass es schlecht ist. Ich mag Flughäfen und Menschen. Jemanden weiterzuhelfen, ihm schöne Erlebnisse zu verkaufen, Leute zu informieren, mit ihnen gemeinsam Cocktails zu schlürfen und auch mal auf einer Rundfahrt mitzufahren, ist für mich keine schlechte Erfahrung. Es sollte einem nur klar sein, dass man auch gute Laune haben muss, wenn man auf aufgebrachte, nervöse, kranke, bestohlene oder schlecht gelaunte Gäste trifft. Und das man eben alleine in der Ferne ist, wenn man anfängt. Man "kennt" vielleicht jemanden von der Schulung, hat am Anfang Kollegen dabei, aber irgendwie ist man eben doch allein. Man kommt nicht abends sein zu den Eltern oder dem Partner, wenn man abends weg geht, werden andere Sprache gesprochen und man muss mit einer anderen Mentalität klar kommen. Manche können das mit 20 nach dem Abi, andere werden auch mit vielen Vorkenntnissen nicht glücklich in diesem Beruf.

Und dann muss man letztendlich selbst entscheiden, ob man nur mal in den Semesterferien beim Jugendreiseveranstalter oder ähnliches jobben möchte oder ob man sich für einen langjährigen Job und damit ein Leben im Ausland entscheidet. Und je nachdem, was man möchte, muss man sich für einen Reiseveranstalter oder eine Agentur entscheiden. Je nach Gästen/Veranstalter unterscheidet sich auch das Arbeiten sehr voneinander! Im Partyhotel werden andere Dinge gewünscht als im Kultururlaub. Die jeweiligen Vorgehensweisen lernt man vom Veranstalter.

Um einen Job zu bekommen, gibt es keine vorgeschriebene Ausbildung. Wer Sprachen spricht, hat meist Reiseerfahrung, eine sehr gute Schulbildung oder entsprechende Ausbildung. Auch wollen viele erst Leute ab 21 oder 23 einstellen und werden dann jene bevorzugen, die in diesem Alter etwas vorzuweisen haben. Um die Eignung zu testen, gibt es dann Castings. Dabei merkt man im Idealfall auch selbst, ob man mit Mirko vor 20-100 Leuten reden kann, sich auf englisch verständigen und Probleme lösen kann, Menschen überzeugen möchte und gute Ideen hat. Oder aber sich dabei total unwohl fühlt und froh ist, wenn es endlich vorbei ist.

Motivieren muss sich jeder selbst! Kein Motivationsschildchen und die besten Schulungen werden jemanden motivieren, morgens früh auf dem Roller zum nächsten Airport zu düsen- wenn man es selbst nicht will! Eine Ausbeutung ist es meiner Meinung nach auch nicht. Jeder ist selbst dafür verantwortlich welche Verträge eher unterschreibt. Eine 37-Stunden Woche findet man als Reiseleiter nicht. Dafür kann man seine Füße am freien Tag ins Meer und sein Gesicht in die Sonne halten. Ich gehe aber davon aus, dass jemand der Reiseleitung zu seinem Traumjob gemacht hat, sich damit auseinandergesetzt hat und benennen kann, warum er diesen Job machen möchte. Diese Frage darf man auch bei jedem Veranstalter im Casting erwarten.

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» Trisa » Beiträge: 3273 » Talkpoints: 21,86 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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