Occupy Wall Street - schon mitbekommen?
In letzter Zeit haben wir ja einiges an sozialen Protestbewegungen in Europa und angrenzenden Ländern gesehen. Der einzige mir bekannte Protest in Deutschland (Berlin), war leider eher eine wirklich winzige (Lach)Nummer.
Und nun tut sich was in den USA. Vor etwa zwei Wochen haben sich immerhin ca. 3000 Menschen am Battery Park in New York getroffen, mit der Absicht, die Wall Street zu besetzen. Ganz bis dahin haben sie es nicht geschafft, aber sie haben sich recht erfolgreich in einem nahen (leider wohl privaten) Park breit gemacht. Im Prinzip geht es um den friedlichen Protest gegen das herrschende Finanzsystem und gegen die Verantwortlichen der Wirtschaftskrise. Etwas dünn, aber so etwas formuliert sich ja auch gerne erst mit der Zeit. Stärkere Aufmerksamkeit in den Medien gab es eigentlich erst zu dem Zeitpunkt, als es einen Polizeieinsatz gegen die Demonstranten gab, der neben zahlreichen Verhaftungen darin gipfelte, dass ein Beamter Pfefferspray gegen harmlose Demonstrantinnen einsetzte. Entsprechende Videos machten sofort die Runde, schnell war der betreffende Polizist namentlich bekannt und der Protest wurde noch größer und bekannter.
Inzwischen wird die Sache immer organisierter, mehrere Hundert Demonstranten sollen inzwischen dort campieren. Da es in der Nähe von Wen es interessiert, der schaue sich mal die Internetseite der Bewegung an: OccupyWallStreet oder NYC General Assembly. Interessant auch als Einführung, der Film zur Protestbewegung. Es gibt auch einen LiveStream zur GlobalRevolution. Ob da wirklich was daraus wird, muss man abwarten. Die Polizei scheint jedoch eher die harte Schiene fahren zu wollen. Die Leute werden wohl ziemlich überwacht und es hat schon einiges an Festnahmen gegeben. Ich weiß gar nicht, ob man als Tourist überhaupt dorthin kommen kann. Das alles ist nahe an Ground Zero und ich habe mir sagen lassen, dass man dort oder zur Freiheitsstatue als Tourist nur noch mit Anmeldung Zugang finden kann. Genaueres weiß ich aber nicht. Wie auch immer, ich finde das alles äußerst interessant und man sollte ein Auge darauf haben.
Ich bin bis heute in den gängigen Medien noch nicht über diesbezügliche Nachrichten gestolpert. Aber das will nichts heißen, schließlich liest man nicht alles. Habt ihr von der Sache schon gehört oder ist das völlig neu für euch?
Vielleicht noch eine kleine Warnung: Wenn man sich auf einer der protestnahen Seiten anmelden und irgendwie aktiv werden will, sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass Verkehr und Inhalt solcher Seiten sicherlich auch überwacht werden. Es ist also, wie immer bei so etwas, anzuraten, sich möglichst nicht völlig leicht identifizierbar machen.
Ich habe diese Protest- Aktion von Anfang an sehr interessiert verfolgt und muss leider sagen, dass der Sprung in die Massenmedien leider noch nicht gelungen ist. In den einschlägigen Internetforen, Newstickern usw. besonders aus dem Bereich der IT- Sicherheit, lese ich häufig Berichte über die laufenden Proteste und meinen Kollegen aus dem Bereich der Informatik scheint diese Bewegung, genau wie mir, gut bekannt zu sein. Sobald ich mich aber mit anderen Leuten unterhalte, weiß kaum jemand das an der Wall Street gerade protestiert wird.
Ich vermute das wir einfach abgestumpft sind. Es gibt so viele schlechte und traurige Nachrichten im Fernsehen und der Zeitung über Kriege, Hungersnöte etc. das so eine Nachricht im allgemeinen Nachrichtenstrom untergeht. Es erscheint in Anbetracht des Chaos auf der ganzen Welt nicht so wahnsinnig spannend, dass ein kleiner Haufen vor der Wall Street protestiert wenn gleichzeitig in anderen Ländern Menschen unter Lebensgefahr für den Sturz ihres herrschenden Regimes kämpfen.
Als in den letzten Tagen dann doch mal über diese Demo berichtet wurde, geschah das nur mit Augenmerk auf die Polizeigewalt, das eigentliche Anliegen der Demonstranten ging in der Aufregung über gewalttätige Polizisten fast unter. Die kurze mediale Aufmerksamkeit hatte aber glücklicherweise zur Folge, das mittlerweile fast alle Demonstranten wieder freigelassen wurden und die Polizei nun betont zurückhaltend agiert.
Zwar wird von den Demonstranten immer wieder gerne verkündet, man werde bleiben bis man erhört wird und sich etwas ändert, aber ich glaube mittlerweile kaum noch daran. Die Anzahl der Demonstranten hat ihren Zenit bereits überschritten und solange nichts Unvorhergesehenes passiert und die Welt ihre Aufmerksamkeit auf die Wall Street richtet, gehe ich davon aus, dass sich diese Demo langsam aber sicher von selbst auflösen wird. Schließlich müssen die meisten Leute auch noch arbeiten und ich weiß schon jetzt nicht wie sie es geschafft haben so lange dort auszuhalten. Außerdem beginnt so langsam aber sicher der Winter und ich schätze das wird die Begeisterung einiger Teilnehmer so ziemlich abkühlen lassen.
Zu guter Letzt sieht mir diese ganze Aktion etwas zu sehr nach blindem Aktionismus aus. Keine Frage, ich bin auch nicht mit allem zufrieden was in dieser Hinsicht in der letzten Zeit passiert ist und generell finde ich, dass so eine Demo schon lange fällig war, aber nur gegen das System zu protestieren ohne selbst eine Alternative oder zumindest einen Vorschlag vorbringen zu können erscheint mir nicht zielführend zu sein. Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber bisher habe ich in dieser Hinsicht noch nichts mitbekommen.
Kruemelhaufen hat geschrieben:[...]
Zu guter Letzt sieht mir diese ganze Aktion etwas zu sehr nach blindem Aktionismus aus. Keine Frage, ich bin auch nicht mit allem zufrieden was in dieser Hinsicht in der letzten Zeit passiert ist und generell finde ich, dass so eine Demo schon lange fällig war, aber nur gegen das System zu protestieren ohne selbst eine Alternative oder zumindest einen Vorschlag vorbringen zu können erscheint mir nicht zielführend zu sein. Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber bisher habe ich in dieser Hinsicht noch nichts mitbekommen.
Die Meinungen der Leute sind eben sehr vielfältig und das ist doch auch eine Stärke. Man kann sie nicht so leicht in eine Ecke drängen. Es geht um die Wallstreet, die Ungleichheit in der Gesellschaft, die Macht des Kapitals über die Politik, die Scheindemokratie, den Krieg u. a. Ich finde das leicht verständlich und teile das. Man kann ja nicht erwarten, dass hier eine Art Partei mit fertigem Programm anfängt, auf den Putz zu hauen. Das ganze hat eher was von einer Graswurzelbewegung oder Bürgerbewegung, die gerade anfängt, sich überhaupt erst mal zu finden und zu organisieren.
Die Medien in den USA sind nun am letzten Wochenende aufgewacht und die "Gegenseite" schlachtet diese Vielfalt natürlich bereits als Schwäche aus und stellt die Leute nun als linkste Tea-Party Bewegung grasrauchender Chaoten dar. Die Medien (MSNBC, FOX ...) arbeiten kräftig daran, die Leute zu diskreditieren, sozusagen die erste Eskalationsstufe einer Schmutzkampagne, wenn man jemanden als unglaubwürdig erscheinen lassen möchte. Da werden Interviews gezeigt, die die Leute möglichst bescheuert wirken lassen. Interviews mit sinnvollen Inhalten, werden hingegen nicht gezeigt. Das betrifft z. B. dieses hier, wie der New York Observer (incl. Transcript unten auf der Seite) berichtet. Aber gerade dieses Verhalten zeigt ja, wie sehr sich die Machtstrukturen in den letzten Jahrzehnten verschoben haben und ist Teil des Problems, das die Bewegung nun aufzeigt.
Gestern hat bei uns sogar das Heute-Journal berichtet und v. a. auch die Süddeutsche oder hier der The European. So langsam merkt man, dass sich da was tut. Mir scheint das auch zu langsam vorwärts zu gehen, aber von hier aus können wir kaum beurteilen, wie dynamisch dieses Bewegung ist und wahrgenommen wird. Es geht ja v. a. auch darum, diesen Protest in das ganze Land zu tragen. Alleine über das Internet geht das nicht, aber mit vielen medialen "Feinden" vermutlich auch nicht. Ich finde es extrem interessant und notwendig ohnehin.
Ich versteige mich mal: It's time for ... kind'a revolution. Also spielen wir mal den Occupation Blues.
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