Nokia schließt auch den Bochum-Ersatz

vom 29.09.2011, 14:35 Uhr

Eigentlich kann ich mich auf den Aufschrei noch recht gut erinnern, den es gab, als sich der Handy-Hersteller öffentlich dazu geäußert hat, seinen Produktionsstandort in Nordrhein-Westfalen (Bochum) zu schließen um im billigeren Rumänien einen neuen Produktionsstandort hochzuziehen. Das ist jetzt geschätzte 3-4 Jahre her (2008?). Skandalös war hierbei nicht die Logik, der Nokia gefolgt ist, sondern die Tatsache, dass sehr viele Gelder an Nokia geflossen sind, um sie überhaupt zu einer Produktion in Bochum zu bewegen! Das die dann bei der nächsten Gelegenheit weiter ziehen würden, sobald sie rechtlich dazu in der Lage waren, war ja letztlich abzusehen.

Jedenfalls scheint Nokia auch in Rumänien nicht das Glück gehabt zu haben, welches sie sich versprochen hatten. Wie in Bochum auch wird hier ein neu errichtetes Werk (keine vier Jahre im Betrieb!) aufgegeben und es wird - wie einst in Bochum - eine unheimlich große Zahl an Arbeitern entlassen. Dies scheint regelmäßig ein "Abfallprodukt" zu sein, um welches sich dann der jeweilige Heimatstaat kümmern darf.

Soll man so einem Konzern noch viel Glück wünschen? Jetzt versucht Nokia sein Glück hauptsächlich in Asien. Ob die Produktionsbedingungen dort noch mal besser sind, als sie in Rumänien waren? Es muss ja eine regelmäßige Steigerung in Sachen Produktivität, Qualität oder sonstigem geben. Sonst würde sich der Aufwand doch nicht lohnen. Und man riskiert jedes Mal wenigstens kurzfristig einen Imageverlust.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:[...] Jetzt versucht Nokia sein Glück hauptsächlich in Asien. Ob die Produktionsbedingungen dort noch mal besser sind, als sie in Rumänien waren? Es muss ja eine regelmäßige Steigerung in Sachen Produktivität, Qualität oder sonstigem geben. Sonst würde sich der Aufwand doch nicht lohnen. Und man riskiert jedes Mal wenigstens kurzfristig einen Imageverlust.

Das mit dem Imageverlust kannst du vergessen. Die RTL-Kiddies denken von heute bis morgen, maximal. Es geht bei diesem Spiel weder um Produktionsbedingungen noch um Qualität.

Das primäre Ziel der meisten Unternehmen ist die Gewinnmaximierung. Eine soziale Verantwortung spielt in solchen Organisationen nur sehr selten eine Rolle. Da muss man sich dann nicht wundern, wenn Unternehmen dem Geld hinterherrennen. So war doch auch Nokia nach Deutschland gekommen. Alleine deswegen war doch schon die Aufregung unseres damaligen Arbeiterführers Rüttgers ziemlich bigott. Wenn ich recht erinnere, waren Lohnkosten damals nicht das Argument für das Verlassen Deutschlands. Die spielen eine sehr untergeordnete Rolle in der Handyproduktion. Ich meine, mich an Zahlen von ca. 5% zu erinnern. Die rennen einfach nur den Subventionstöpfen hinterher. Und jetzt rennen sie halt nach Asien, da wo alle Handyproduzenten sitzen.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich werde den Verdacht nicht los, dass Nokia sich das Werk in Rumänien nur bauen ließ, weil man damit wieder etliche Millionen aus dem EU-Fördertopf abgreifen konnte. Dem Unternehmen ist es letztendlich doch egal, wie viel Arbeitsplätze dadurch wieder kaputtgehen.

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Richtlinie2 hat geschrieben:Das mit dem Imageverlust kannst du vergessen.

Das sehe ich etwas optimistischer und hoffe aufrichtig, dass der Marktführer von einst nur 2-3 Lernschleifen braucht um zu lernen, dass sie ihre gewünschte Position im Markt nicht erreichen, wenn sie sich jenseits der Technik wie die Axt im Wald benehmen. Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall - und im freien Fall ist Nokia schon. Schade, wenn der Hochmut mit- aber nicht abfällt.

Richtlinie2 hat geschrieben:Es geht bei diesem Spiel weder um Produktionsbedingungen noch um Qualität. Das primäre Ziel der meisten Unternehmen ist die Gewinnmaximierung.

Das ist der Preis unserer Wirtschaftsordnung. Und das kann man nicht bei einem einzelnen Unternehmen kritisieren und bei anderen hoch loben. Die Gewinnmaximierung kann daher ein "legitimes" Ziel sein. Traurig wenn die Wahl der Mittel hier aber so gewählt wird, dass auch Kahlschläge an den Orten in Kauf genommen werden, welche man mit Produktionsstandorten beglückt hat. So was ist bislang eher von Unternehmungen auf afrikanischem Gebiet bekannt.

Richtlinie2 hat geschrieben:Eine soziale Verantwortung spielt in solchen Organisationen nur sehr selten eine Rolle.

Und hier hätte ich die Hoffnung gehabt, dass die Verantwortlichen nach der fragwürdigen Aktion in Deutschland gelernt hätten. Denn natürlich bringt die "soziale Verantwortung" keinem Unternehmen direkt Vorteile. Und vermutlich lacht man sich über so ein Konstrukt von "sozialer Verantwortung" auf den Vorstandstoiletten kaputt! Aber wenigstens als "Marketinginstrument" hätte man es verwenden können.

Richtlinie2 hat geschrieben:So war doch auch Nokia nach Deutschland gekommen. Alleine deswegen war doch schon die Aufregung unseres damaligen Arbeiterführers Rüttgers ziemlich bigott.

Das ist schon richtig. Selbstverständlich glauben nur wenige um Rüttgers herum, dass Nokia Bochum als Standort ausgewählt hatte, weil es das schönste und lebenswerteste Städtchen der Bundesrepublik war. Doch mir wäre es gar nicht um die Kritik von damals gegangen. Vielmehr treibt mich die Verwunderung, dass Unternehmen auch dann nicht aus der Vergangenheit lernen (wollen), wenn die Zeichen so stehen, dass offensichtlich nur radikale Änderungen den Fortbestand des Unternehmens sichern können. Nokia ist nun wirklich nicht mehr in einer Position der wirtschaftlichen Stärke.

Richtlinie2 hat geschrieben:Wenn ich recht erinnere, waren Lohnkosten damals nicht das Argument für das Verlassen Deutschlands.

Die Lohnkosten wurden aber tatsächlich ins Spiel gebracht. Ob das jetzt in Rumänien auch so ist, weiß ich im Moment nicht. Die Geschehnisse ließen sich ja in Deutschland leichter verfolgen. Auch was im Umfeld eben passiert ist.

Richtlinie2 hat geschrieben:Die rennen einfach nur den Subventionstöpfen hinterher.

Das Blöde ist natürlich, dass das kein ausgereiftes Businessmodell ist, welches nachhaltig für Erfolg sorgen kann. Wenn dort Abteilungen damit beschäftigt sind, sich Steuermodelle, Fördersysteme und andere Zugabesysteme anzuschauen, dann kann es passieren, dass man in seinen "Kernkompetenzen" manche Entwicklung verpennt. Mein Vorschlag wäre ja, dass Nokia mal schaut, ob es eine Kostenrechnungs-Simulations-App im iStore gibt.

Richtlinie2 hat geschrieben:Und jetzt rennen sie halt nach Asien, da wo alle Handyproduzenten sitzen.

Wobei hier die Hersteller entweder Zulieferer sind oder aber sowieso asiatische Unternehmen sind. Das ist Nokia ja letztlich (noch) nicht. Nun zu glauben, der Erfolg läge an der "Aura des Produktionsstandorts" traue ich aber den Nokia-Entscheidern nicht zu. Vielleicht glaube ich aber auch zu sehr an das Gute in jedem Menschen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:
Richtlinie2 hat geschrieben:Es geht bei diesem Spiel weder um Produktionsbedingungen noch um Qualität. Das primäre Ziel der meisten Unternehmen ist die Gewinnmaximierung.

Das ist der Preis unserer Wirtschaftsordnung. Und das kann man nicht bei einem einzelnen Unternehmen kritisieren und bei anderen hoch loben.

Weshalb ich ja auch die Kritik an Nokia überflüssig, bigott und verlogen finde. Nokia handelt in dem ihm möglichen Rahmen. Und dieser Rahmen ist seit Jahren politisch gewollt und gefördert. Wenn man wirtschaftliche Hindernisse abbaut, Märkte öffnet und uns das dann als Freiheit verkauft, dann darf man sich nicht wundern, wenn Wirtschaftssubjekte genau diese Freiheiten nutzen. Sich dann hinterher hinzustellen und mit dem Finger auf den "Bösewicht" zu zeigen, dass ist das wirklich perfide daran. Nokia würde das ja nicht tun, wenn es nicht für betriebswirtschaftlich sinnvoll erachtet würde. Ein Imageverlust auf dem wichtigen Absatzmarkt Deutschland wird man da berücksichtigt haben.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


@Richtlinie2
Es geht aber dann letztlich um den "Grad" der Gewinnmaximierung. Das mag genauso schwammig sein, wie die Berufung auf etwas wie die "soziale Marktwirtschaft" (so in die Richtung: "wasch mich, mach mich aber nicht nass"). Aber wenn Unternehmen so deutlich zeigen, dass die Arbeitskräfte aber auch die Standorte völlig egal sind und das noch nicht einmal der Eindruck von Nachhaltigkeit vermittelt werden soll, dann ist "Kritik" am Unternehmen angebracht. Insbesondere dann, wenn man sich nicht traut, die Systemfrage zu stellen! Aber wenigstens innerhalb der gegebenen (und dann von mir aus auch selbst auferlegten Systemgrenzen) sollte man wissen, wie weit das Spiel der Profitmaximierung betrieben werden darf, ohne dass es zu Randale kommt.

Und gerade hier in solchen Fällen wäre es am Staat, klare Schranken aufzuzeigen und sich nicht dem "Diktat" der Märkte zu unterwerfen. Denn die Abhängigkeit ist ja nicht einseitig. Nicht allein der Staat braucht den Markt. Der Markt bedarf auch eines Staates bzw. eines Staatswesens, um sich sicher entfalten zu können.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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