Aktuell in Deutschland nur 16,5% der Bevölkerung unter 18
Es ist schon erschreckend. Zwar wusste ich, dass es um die "Gebärfreudigkeit" der Deutschen nicht sonderlich gut bestellt ist, aber das wir uns europaweit tatsächlich auf dem letzten Platz liegen (mit Abstand) habe ich heute erfahren. In einer Nachrichtensendung der ARD wurde das thematisiert.
Was mich interessieren würde sind die Gründe! Wir haben Elterngeld, Kindergeld, Kinderfreibeträge usw. An der finanziellen Situation kann es nicht liegen. Die Zahl der Betreuungsplätze steigt, es gibt private, staatliche, kirchliche Kitas und Tagesmütter. Verglichen mit so ziemlich jedem anderen Land das mir einfällt, haben wir ideale Voraussetzungen um haufenweise glückliche Kinder zu bekommen.
Andererseits spüre ich immer wieder eine große Verunsicherung bei vielen Menschen. Eine Freundin von mir überlegt seit sechs Jahren ob sie und ihr Freund (seit 12 Jahren ein Paar) Kinder bekommen sollen oder nicht. Von einer riesigen Angst es finanziell nicht "stemmen" zu können bis hin zu einem Grundmisstrauen der Gesellschaft gegenüber gibt es tausend Gründe sich letztendlich doch gegen Kinder zu entscheiden.
Ich selbst halte das Kinder/Menschenbild das in DE noch immer herrscht für mitverantwortlich an der Misere. Viele halten Erziehung für eine Art Krieg, in dem jede Form von Schwäche sofort mit einem bösartigen Tyrannenkind bestraft wird. Hat man die Wahl zwischen dem Luxus eines doppelten Einkommens ohne große Verpflichtungen und Erziehungskrieg mit bösartigen, nervenden Kindertyrannen fällt die Entscheidung gar nicht so schwer.
Der Däne Jesper Juul hat den deutschen Eltern mal geraten "Genießt Eure Kinder doch einfach mal!" Vielleicht ist das kein schlechter Tipp. Was meint Ihr? Woran liegt die kollektive Kinderlosigkeit der Deutschen?
Wordoholic hat geschrieben:[...] Wir haben Elterngeld, Kindergeld, Kinderfreibeträge usw. An der finanziellen Situation kann es nicht liegen. Die Zahl der Betreuungsplätze steigt, es gibt private, staatliche, kirchliche Kitas und Tagesmütter. [...]
Ich denke, es gibt einen ziemlich engen Zusammenhang zwischen der Geburtenrate auf der einen Seite und der Berufsperspektive junger Leute und der Möglichkeit, Famlie und Beruf irgendwie in Einklang zu bringen. Und da sieht es nun wirklich nicht so rosig aus in Deutschland. Als Teil der Generation Praktikum ist ein Leben doch kaum noch planbar. Kein Land der Union hat eine solche Stagnation der Löhne und solche einen Druck auf die Sicherheit der Arbeitsplätze erlebt, wie unser Land in den letzten 10 Jahren. Man könnte den Eindruck gewinnen, da bröselt langsam aber sicher der Boden unter den Füßen weg. Unsere Gesellschaft wird prekarisiert. Schau dir doch nur an, was an den Schulen los ist: Hü, Hott, Hott, Hü. In der Situation gebärt es sich schlecht. Und vegiss nicht: Kinder sind in Deutschland bekanntermaßen das Armutsrisiko Nr. 1 für Frauen (ich glaube, das war Feststellung der OECD, bin aber nicht mehr sicher).
Ich denke nicht, dass es in erster Linie am Geld liegt, auch die Konkurrenz zwischen Luxus vs. Kind halte ich für absurd. Heute ist auch ein doppeltes Einkommen kein Garant für Luxus mehr. Einen Arbeitsplatz ist man heute schneller los, als man bis 3 zählen kann und das Abrutschen in die Armut ist unter ungünstigen Umständen eine Sache von knapp über einem Jahr. Da nützen dann auch all die von dir genannte Instrumente nichts mehr, die ohnehin in vielen Fällen eher denen zugute kommen, die es ohnehin nicht zwingend benötigen.
Nein, ich denke, es sind die miesen Zukunftsaussichten und die Unsicherheit, die unser Leben zunehmend beherrschen. Dir ist bekannt, die Mittelschicht bröselt bei uns und das alles hat natürlich Folgen.
Wordoholic hat geschrieben:[...]Der Däne Jesper Juul hat den deutschen Eltern mal geraten "Genießt Eure Kinder doch einfach mal!" Vielleicht ist das kein schlechter Tipp. Was meint Ihr? Woran liegt die kollektive Kinderlosigkeit der Deutschen?
In Dänemark herrscht(e) auch ein ganz anderes Weltbild. Die Dänen haben ein ganz anderes Sozialsystem. Das allerdings will unsere Politik offensichtlich nicht. Und solange wir solche Leute wählen, bitteschön. Kinder werden doch hier nicht als Belastung empfunden, da wird nur ein Popanz aufgebaut. Wir haben auch keine kollektive Kinderlosigkeit und die Geburtenziffer ist ggü. 2009 ja sogar wieder gestiegen. Wir liegen nur auf dem letzten Platz.
Ich würde nicht soweit gehen und behaupten, dass eine kollektive Kinderlosigkeit in Deutschland herrscht. Vielleicht mag das bei dir im Umfeld auf den ersten Blick ja so aussehen, bei mir im Umfeld sehe ich sehr viele Menschen, sowohl Freunde, als auch Bekannte, die Kinder haben oder auf jeden Fall haben möchten. Ich bin der Meinung dass da ein anderer Grund hinter dieser Zahl 16,5 Prozent steckt. Und das ist der demographische Wandel.
Der demographische Wandel beschreibt die Tendenz der Entwicklung der Bevölkerung. Diese Entwicklung tendiert zu mehr älteren als jüngeren Menschen. Dass dabei die Geburtenrate recht niedrig ist, ist nur ein kleiner (aber auch entscheidender) Faktor. Hinzu kommen noch die steigende Lebenserwartung, Migrationen und Auswanderungen als beispielhafte Faktoren. Dies alles sind Gründe dafür, warum es "nur noch" so wenige Jugendliche gibt. Die Entwicklung wird sich meiner Meinung nach auch in den nächsten Jahren so fortsetzen.
Die Ursache liegt wo ganz anders, nämlich in der fehlenden Förderung der Geburt von Kindern. Es ist in Deutschland eher aus der Mode geraten, Kinder zu bekommen und überall wird mit der großen Karriere für Frauen geworben. Seien wir doch mal ehrlich, warum gibt es in Führungsetagen immer noch nicht genügend Frauen?.
Weil Sie nicht qualifiziert genug sind, definitiv nein, denn es gibt mehr Frauen die ihr Abitur machen als Männer soweit mir bekannt ist. Es liegt viel mehr daran, dass die Akzeptanz das Frauen ein Kinder bekommen können, sehr gering ist. Gar kein Vergleich zu Schweden, bei dem sogar der Arbeitgeber die individuelle Betreuung in die Wege leitet.
Fördermaßnahmen, die weitgehend genug sind , vor allen Dingen für junge Frauen gibt es auch nicht. Es wird den Frauen ja förmlich vorgelebt das es normal ist im Beruf aufzusteigen und auf sich selber zu achten für später. Aber bei vielen Frauen gerät dann auch irgendwann das Thema Kinder aus den Augen.
Deutschland soll ja sogar eines der kinderunfreundlichsten Länder in ganz Europa sein, wie eine Studie zuletzt raus fand. Es liegt einfach daran, dass die Wertevorstellungen und Ethiken sich so verschoben haben das Kinder mittlerweile fast schon ein Tabu Thema sind. "Ja nicht zu früh, du musst aufpassen" , das wird den Kindern heute schon am Frühstückstisch erzählt.
Es liegt auch vielmehr an den Frauen, die in jungen Jahren lieber Karriere machen wollen, als die Kinder zuhause zu hüten. Und das Kinderkriegen hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte durchaus nach hinten verschoben. Während früher eben viele Frauen die Kinder mit Mitte 20 bekommen haben, bekommen heute die meisten Frauen ihre Kinder erst mit Anfang 30.
Dass so wenig Kinder geboren werden, kann ich irgendwie nicht nachvollziehen. Als unser Kleiner geboren wurde, war der Kreißsaal jeden Tag immer ausgebucht und die Kinder kamen einfach reihenweise auf die Welt.
Manchmal habe ich sowieso den Eindruck, dass Deutschland immer mehr zum kinderfeindlichen Land wird. Es fängt doch schon bei der Bildung an. Begabte Kinder werden einfach nicht genug gefördert und würden bestimmt mehr Engagement zeigen, wenn es denn die Möglichkeit dafür gäbe.
kowalski6 hat geschrieben:Es liegt auch vielmehr an den Frauen, die in jungen Jahren lieber Karriere machen wollen, als die Kinder zuhause zu hüten.
Hallo! Frauen! Aufgewacht! Wo sind Teer und Federn?
Nun machst du es dir aber etwas leicht und verwechselst Ursache und Wirkung. Du müsstest dich doch mindestens fragen, warum wollen Frauen lieber Karriere machen, statt Kinder zu hüten? Vielleicht, weil man es ihnen jahrelang eingetrichtert hat, weil Kinder bekommen heute für Frauen ein Armutsrisiko darstellt, weil Beruf und Kind immer noch ziemlich schwer zu vereinbaren sind, weil Menschen heute nur noch nach ihrem wirtschaftlichen Wert beurteilt werden und ein Kind da wie ein Klotz am Bein ist? Weil in unserem Land eine berechtigte Angst vor Verarmung besteht?
Davon ab, müsste man bei diesem antiquierten Gedanken ohnehin von selber auf den Trichter kommen und fragen: Warum die Frau? Zwar müssen immer noch Frauen die Kinder austragen und gebären, aber auch der Mann darf dann die Folgen übernehem. Es ist zwar leichter geworden, das zu tun, aber irgendwie wird es auch immer noch als relativ exotisch angesehen.
Ob nicht eher da der Hase im Pfeffer liegt? Natürlich ist es leicht, die Schuld auf die Frau an sich zu schieben, aber ich finde, das greift nicht. Die Sache ist deutlich komplizierter.
Also ich finde, hier in Deutschland ist es trotz der ganzen Werbung nicht wirklich gut um Kinderkrippen etc. bestellt. Man sieht doch immer öfter, dass Kindergärten geschlossen werden. Auch wird man hier als Frau schon eingespannt, sich zu entscheiden, ob man lieber Karriere scheffelt und einigermaßen unabhängig ist, oder ob man lieber einen auf Kinderfrau macht und zu hause bleibt. In Frankreich ist es weit besser geregelt als hierzulande. Dort können Frauen locker arbeiten und ihr Kind betreuen lassen. Und offensichtlich besser als hier in Deutschland, da die Geburtenzahlen nicht so niedrig sind.
Dennoch glaube ich, ist auch die mangelnde Kinderfreundlichkeit ein Grund. Kaum, dass man irgendwo mit einem Kind hingeht, und es fängt an zu schreien, lästern die Leute, dass die Eltern das Kind nicht bändigen können und dass sie mit ihrer Bargage doch zu hause bleiben und erziehen sollen. Auch in Hotel sind die Leute nicht übermäßig nett, wenn man mit einem Kind dort hinkommt, weil es ganz einfach immer Umstände macht.
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