Bewerbung aus ungekündigter Stellung zu gefährlich?
Ich bin seit 20 Jahren beim gleichen mittelständischen Arbeitgeber (ca 60 Mitarbeiter) in einer Stadt mit ca. 130000 Einwohnern und spüre jetzt den unbändigen Drang die Stelle zu wechseln. Allerdings ist mein jetziger Chef in mehreren lokalen Marketingclubs und Businessclubs und zumindest in der näheren Umgebung bekannt wie ein bunter Hund. Als Softwareentwickler kann ich mich in fast jeder Branche und bei fast jeder Größenordnung von Unternehmen bewerben. Da ich Zeugnisse beilegen muss, erfährt natürlich jeder potentielle neue Arbeitgeber wo ich zur Zeit arbeite.
Wie ist Eure Meinung: Besteht die Gefahr, das eine Bewerbung im lokalen Umfeld sofort zu meinem jetzigen Chef durchsickert? Gibt es bei Euch evtl. schon Erfahrungen hierzu?
Wenn dein Chef wirklich so bekannt ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass dein Chef auch davon erfährt.
Es geht uns natürlich absolut nichts an, aber du hast sicherlich einen Grund, warum du die Stelle wechseln willst und unter Umständen halte ich es durchaus für sinnvoll, dass deinem Chef gegenüber auch zu sagen. Natürlich nur, wenn wirklich feststeht, dass du dich woanders bewerben willst und die Chance, dass du genommen wirst auch entsprechend hoch ist.
Erfahren wird er es früher oder später eben sowieso. Im idealfall erst, wenn du die neue Stelle antreten willst und im schlimmsten Falle eben schon davor. Und dann wäre es natürlich besser, wenn man das vorher mal anspricht.
Unter Umständen ist er vielleicht auch bereit das zu ändern, was dich dazu bewegt, die Stelle zu wechseln.
Ich verstehe in deinem Fall nicht ganz, was die Geheimniskrämerei gegenüber deinem Chef soll? Ich denke, es wäre ihm gegenüber nur fair, wenn du ihn damit konfrontierst, dass du in Erwägung ziehst, eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Daran ist doch nichts Verwerfliches.
Ich bezweifle sehr stark, dass dein derzeitiger Chef dir irgendwelche Hürden in den Weg legen wird, wenn du ihn konkret ansprichst und gute Gründe für deinen Wechsel angeben kannst, etwa andere Gehaltsvorstellungen oder ein schlechtes Betriebsklima. In beiden Gründen könnte dein derzeitiger Chef dir eventuell sogar entgegenkommen.
Da du auch ein möglichst aktuelles Arbeitszeugnis bei deinen potentiellen neuen Arbeitsstellen vorlegen musst, wird spätestens dann dein Chef davon erfahren, wenn du ihn nach einem aktuellen Arbeitszeugnis fragst bzw. eines anfertigen lässt. Um peinliche Situationen zu vermeiden, solltest du offen und ehrlich sein. Ich denke persönlich, dass das noch am meisten bringt. Dann wird er auch keinen Drang verspüren, dich in seinem Bekanntenkreis und Business-Club zu denunzieren. Im Gegenteil. Vielleicht lobt er dich auch in höchsten Tönen, wenn deine Arbeit gut war. Und jeder Neuanfang kann eine Chance sein.
Nun ja, ich denke, die Gefahr dürfte immer bestehen. Denn Dein eventuell zukünftiger Arbeitgeber braucht ja nur bei Deinem aktuellen Arbeitgeber anzurufen und schon ist es passiert. In Deinem Fall ist die Wahrscheinlichkeit natürlich noch höher, so, wie Du die Situation beschreibst. In einem Ort, wo jeder jeden kennt und Dein Chef dann auch noch so bekannt ist. Aber ich würde mich davon trotzdem nicht abschrecken lassen. Du wirst ja sicher Deine Gründe haben, weshalb Du die Stelle wechseln möchtest. Und im Falle eines Falles, dass es eventuell doch raus kommt, kannst Du Dir ja schon im Vorfeld die richtigen Worte zurecht legen, falls Dich Dein Chef darauf anspricht. Und er kann es Dir ja nun kaum verwehren, wenn Du Dich beruflich verändern möchtest.
Ich finde es überhaupt nicht schlimm, sich aus einer ungekündigten Stelle heraus zu bewerben. Im Gegenteil, so findet man sogar noch schneller einen neuen Job, als wenn man arbeitslos ist. Man ist so noch nicht aus dem Beruf heraus und kann auch die dementsprechende Berufserfahrung vorweisen. Und jeder weiß einfach, wie wichtig so etwas heutzutage ist. Ohne Berufserfahrung hast Du keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Du möchtest Dich beruflich verändern und da kann Dir kein Mensch, auch nicht Dein jetziger Chef, einen Strick daraus drehen. Außerdem ist es immer besser, sich aus einer ungekündigten Stelle heraus zu bewerben, da Du damit noch abgesichert bist. Denk bitte nicht so viel andere, auch nicht an Deinen Chef, es geht hier um Dich und Deine persönliche Karriere!
Ich würde auch mal versuchen, mehr von diesem Dankbarkeitsgefühl gegenüber einem Arbeitgeber abzuweichen und sich selbst bewusst zu machen, dass man als Arbeitnehmer eben nicht nur dankbar sein muss, einen Job zu haben, sondern dass der Arbeitgeber auch durchaus ein Interesse haben sollte, einen selbst zu behalten, weil man nicht nur seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellt, sondern sich in der Regel im Laufe der Zeit im jeweiligen Unternehmen auch eine ganze Reihe an Qualifikationen und Kenntnissen angeeignet hat, die teilweise auch wirklich unternehmensspezifisch sind.
Schon insofern stellt jeder Mitarbeiter einen Wert für ein Unternehmen dar und es hat ja auch seinen Grund, dass man immer mal wieder um sein Gehalt verhandeln sollte oder nach Fort- und Weiterbildungen fragen kann, die vom Arbeitgeber bezahlt werden sollen. All das dürfte man doch auch nicht mehr tun, wenn man nicht einen erheblichen Wert für ein Unternehmen darstellen würde.
Was befürchtest Du also? Dass Dein Umschauen auf dem Arbeitsmarkt zu Deinem Chef durchdringt, was selbstverständlich sein kann, und dass dieser Dich dann entlässt? Warum sollte er das tun? Ich kenne einige Fälle, in denen Arbeitnehmer ein solches Verfahren aus taktischen Gründen gewählt haben, um entsprechende Gehaltsverhandlungen überhaupt erfolgreich durchführen zu können. Je nachdem, aus welchem Grunde Du nun Deinen Arbeitsplatz wechseln wollen würdest, könnte es Dir also durchaus hilfreich sein, wenn Dein Vorgesetzter von Deinen Plänen erfahren würde.
@ Malcolm: Ich empfinde es nicht als Fairness, den Arbeitgeber über die eigene Suche nach einem neuen Wirkungskreis aufzuklären, weil ich denke, dass „fair“ hier einfach der falsche Begriff ist. Es bestehen hier klare gesetzliche Regulierungen für Kündigungen und vor allem die Fristen, die es diesbezüglich einzuhalten gibt, wenn man seinen Arbeitsplatz dann wirklich verlässt. Ich wüsste also nicht, was es mit Fairness oder dem Gegenteil davon zu tun haben sollte, wenn man entscheidet, dass man in dem Unternehmen, in dem man arbeitet, nicht mehr weiterkommt oder nicht mehr weiterkommen möchte.
An und für sich finde ich es vollkommen in Ordnung sich aus einer ungekündigten Stelle heraus zu bewerben. Ist doch klar, dass man, wenn man sich umorientieren oder einfach etwas Neues ausprobieren möchte, nicht einfach kündigt und dann arbeitslos dasteht bis man etwas anderes findet.
Allerdings wäre es mir schon etwa unangenehm, wenn mein aktueller Chef davon Wind bekommt. Ich sage so etwas gerne persönlich, wenn ich die neue Stelle schon habe. Andererseits sollte dein Chef es gewohnt sein, dass Arbeitskräfte kommen und gehen. Ich denke, er sieht das weniger dramatisch als du. Schön ist es für ihn vielleicht nicht, wenn er erfährt, dass du woanders nach einer Stelle suchst, aber das gehört einfach dazu.
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