Rastet mal wieder aus, sonst bleibt die Service-Wüste

vom 27.07.2011, 20:11 Uhr

Obwohl Coolness kein typisch deutscher Wesenszug ist, bleiben die Deutschen cool, wenn etwas mit dem Service nicht stimmt. Sie bleiben gelassener als andere Europäer, als die Franzosen, Niederländer, Briten und Italiener, ja selbst als die Amerikaner. Auch wenn sie vom Schalterpersonal ignoriert werden oder die Verkäuferin sie vertröstet, bleibt der Deutsche gelassen. Er ist geduldig und muckt nicht auf. Tut er es aber doch, verlangt er den Vorgesetzten zu sprechen. So reagiert haben in der Vergangenheit 48 Prozent der Bundesbürger, die befragt wurden. Warum ist das so, dass sie sich Frechheiten durch Personal, das sie für ihre Unverschämtheit auch noch bezahlen, bieten lassen. Und sich dann an den Vorgesetzten wenden, statt gleich mit den Leuten selbst zu sprechen? Dadurch wird die These gestützt, dass die Deutschen autoritätshörig sind.

Im Vergleich zu Kanadiern, Briten, Australiern, die türenschlagend und wutentbrannt den Laden verlassen, bleibt der Deutsche freundlich. Er knallt nicht den Telefonhörer auf, was andere wohl machen. Nur sieben Prozent der Deutschen pöbelten Servicemitarbeiter schon einmal an und beschimpften sie. Nur die Franzosen sind zurückhaltender, aber sie drohen häufiger als andere, die Verträge zu kündigen und zur Konkurrenz zu gehen. Das käme für die Deutschen nur als letztes Mittel in Betracht und auch nur dann, wenn selbst mit dem Vorgesetzten nicht zu reden wäre.

Deutschland als Servicewüste kennen Telefonkunden, Kaufhausbesucher, Bahnfahrer und andere. Sie wissen, dass es so ist. Wer im Laden nie randaliert und sachlich bleibt, die Sau nie raus lässt, wird keinen dazu bewegen, auch den Dienstleiter nicht, etwas zu ändern. Vielleicht hängt das Problem damit zusammen. Wutausbrüche wären hier und da durchaus in übergeordnetem Interesse. Verspannt euch nicht, sondern tut es. Solltet ihr Hemmungen haben, bleibt cool und sagt, es wäre eine Anordnung vom Vorgesetzten. Habt ihr schon einmal Probleme gehabt, zum Beispiel bei einer Reklamation, und seid ihr da ausgerastet oder cool geblieben? Hat mal jemand so richtig auf den Putz geklopft und mit dem Geschäftsführer gesprochen? Und, hat das was geholfen?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich bin eigentlich auch ein ruhiger und sachlicher Mensch, es sei denn ich weiß das ich zu 100% Recht habe, dann kann ich auch schon mal ungemütlich werden und komischerweise funktioniert dies dann auf einmal. Das blöde daran ist, das sich die Leute einfach von irgendwelchen Sachen einschüchtern lassen die so gar nicht stimmen und wenn man weiß was für Rechte man hat und diese dann auch Stur versucht durch zu drücken, dann geben die auch nach.

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» alkalie1 » Beiträge: 5526 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


@Neveltje, da scheinen deine Landsleute ja sehr geduldig und und tolerant zu sein. Meiner Meinung nach ist das ein ganz schlechter Service, der da geboten wird. Ich kann mich doch nicht erst in eine lange Kassenschlange einreihen, um meine Einkäufe zu bezahlen, anschließend in die nächste Schlange gehen, weil ich dort meine Zigaretten erhalte wo auch die Rabattbücher durchgesehen und ausgezahlt werden. Das ist wirklich zu viel. Da würden nicht nur Deutsche ausrasten, sondern auch andere und mit Recht. Ich bin ein sehr geduldiger und höflicher Mensch, aber ich lasse mir durch solche Vorkommnisse nicht meine Zeit stehlen. Das nächste Mal würde ich in ein anderes Geschäft gehen. Aber vielleicht gibt es die Wartezeit von zehn Minuten mit voller Absicht für Zigaretten, damit manch einer sich abwendet und keine Zigaretten mehr kauft. Mag sein, dass der Zigarettenkonsum auf diese Art eingedämmt werden soll. Nicht schlecht ausgedacht.

Diese Feststellung wurde durch American Express, eine Kreditkartenfirma, getroffen. Ich konnte leider nicht feststellen, ob es sich um eine Studie oder dergleichen handelt. Wie sie das nun festgestellt haben – vielleicht aufgrund einer Befragung über die Kreditkarte? - ich habe keine Ahnung. Den Artikel habe ich gelesen in „DIE ZEIT“.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich habe aufgehört, von anderen mehr als Funktionserfüllung zu erwarten. Es ist ja schon eine Leistung, wenn eine Sache an sich funktioniert. Meine Erfahrung ist auch, dass es dem Deutschen geradezu verdächtig ist, wenn man es ihm zu gemütlich macht. Da ist irgendwo eine gehörige Portion Masochismus versteckt.

Ich war gerade in den USA und habe die für mich immer wieder paradiesischen Zustände in vollen Zügen genossen. Freundlichkeit allerorten, Hilfsbereitschaft, Zurückhaltung, und Selbstverständlichkeiten, die bei uns unmöglich sind. Manchmal natürlich auch nur bemüht, aber man kann nicht von jedem immer einen Topp-Tag verlangen. Das tue auch ich nicht. Aber die Grundeinstellung ist dort eine andere.

Meine Frau hat es z. B. nicht geschafft, die Servicemitarbeiterin und den Manager beim Autovermieter hochgehen zu lassen. Stellt euch das in Deutschland vor: Die Servicemitarbeiterin belabert mich erst 10 Minuten lang, ich solle doch nicht die Riesenkarre nehmen, die ich bestellt habe, führt mich bei vollem Betrieb zu mehreren Autos, aber ich beharre fest auf meinem richtig fetten SUV (so ein Ding mit 3 Sitzreihen) - wir zelten auch, da braucht man Platz. Nein, ich will den Spritfresser! Okay, sie macht die Papiere fertig, bemüht sich, mir ein paar Versicherungen anzudrehen "No way!". Dann wird das Auto gebracht, ein ziemlicher Trümmer, aber Topp-Ausstattung: Leder, Kamera, Satellit, 4 WD, Klimaautomatik, V8 mit 320 PS und und und. Aber: Ein bisschen Dreck und Glasscherben, wie meine Frau schnell feststellt. Meine Frau, wie sie leibt und lebt: "Den will ich nicht!". Ich rein: "Den nicht!" Die Mitarbeiterin holt den Manager: "Kein Problem und Entschuldigung für Glas und Dreck!", wobei er es nicht mal geprüft hat, man stellt das Urteil des Kunden nicht in Frage. 2, 3 Anrufe, neuer Wagen kommt in 5 Minuten. Neue Verträge werden gemacht. Wagen kommt, aber ist beschissen ausgestattet. Ich gucke dumm, fluche innerlich, meine Frau grämt das Gewissen. Ich fummle derweil am Wagen rum, trete die Fußbremse (was bei uns Handbremse ist), kriege sich nicht wieder los (da gibt es mindestens 2 Methoden). Die Gelegenheit ergreift meine bessere Hälfte. Geht rein zum Service: "Die Bremse ist im Eimer!" Ich suche derweil jemanden, der mir bei der Bremse hilft. Nach 5 Minuten hilft mir eine Einweiserin, ich renne rein: "Alles in Ordnung, kann losgehen!", Servicemitarbeiterin, Manager, meine Frau schauen mich ungläubig an, schon den neuen Vertrag für das alte Auto in den Händen. Hat meine Frau tatsächlich den alten Wagen wieder besorgt und jetzt sah es so aus, als wolle ich den mit der Bremse wieder. Das hat die Leute da elend Zeit gekostet, die haben aber komplett die Ruhe behalten, haben sich an keiner Stelle lustig gemacht und uns immer das Gefühl gegeben, helfen zu wollen, obwohl die Aktion ja ziemlich bekloppt war. Das ist eben Amerika und das ist der Grund warum ich auch wieder bei Alamo bestellen werde.

Lustigerweise haben ausgerechnet wir Deutschen bei den Amis ein Stein im Brett, was Freundlichkeit angeht. Ich kann das absolut nicht nachvollziehen, denn was mir in den USA an einem Tag begegnet, das kriege ich hier in 5 Jahren nicht zusammen. Aber mir wurde schon mehrfach berichtet, dass Deutschland auch wegen unserer Freundlichkeit bei den Amis ein sehr beliebtes Reiseland ist. Mich gruselt.

Es hat nach dem Urlaub genau 2 Minuten aus dem Flughafen Düsseldorf raus gebraucht, bis mir die erste Unverschämtheit gegen übertrat. Als dem Taxifahrer klar wurde, dass das nur eine 8 Euro Fahrt wird, hatte er eigentlich keinen Bock mehr und das hat er uns deutlich gezeigt. Er fuhr wie ein Henker, alles, was die Karre her gab und maulte nur herum. Da gab es dann von meiner Frau als Dank auch nur 1 Euro Trinkgeld für dieses Fast-Attentat, was ihn endgültig in die Luft gehen ließ. Mit quietschenden Reifen und fluchend raste er davon. Ausladen durfte ich natürlich alleine.

Wir Deutschen sind schon speziell.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich glaube das eigentlich nicht. Die Deutschen sind um Einiges weniger relaxed wenn es mal wieder nicht vorwärts geht, als zum Beispiel die Niederländer. Meiner Erfahrung nach sind die Deutschen nämlich immer die Ersten, die meckern. Wenn zum Beispiel die Kassiererin mal wieder lieber ein Pläuschchen hält statt zu arbeiten.

Die Niederländer hingegen sind die sittsamsten Schlangensteher, die mir bisher untergekommen sind. Mit Ausnahme von Engländern vielleicht. Kein Gedrängel, kein Gemurre und das auch nicht, wenn die Bedienung einfach nur sichtlich keine Lust hat, sich mit den Kunden zu beschäftigen. Bestes Beispiel sind die holländischen Supermärkte. Viele von euch werden wissen, dass es in den Niederlanden ja diese Rabattmärkchen gibt. Wenn man ein Heft voll hat, kann man es ein wechseln und bekommt je nachdem Geld für ein volles Heft oder irgendwelchen Kram wie Strandtücher oder Kochtöpfe. Jedenfalls wird jedes einzelne dieser Heftchen geprüft - macht ja auch Sinn. Aber dafür gibst keinen extra Schalter. Nein, da wird mit dem Rabattheftchen zur größten Stoßzeit einfach mal die Servicekasse blockiert. An dieser gibt es aber leider - und zwar nur da - auch die Zigaretten und Müllbeutel (anderes Abfallsystem). Das heißt, nachdem man sowieso schon Ewigkeiten an der Kasse angestanden hatte um seinen Einkauf zu bezahlen, darf man sich dann in die Schlange einreihen, an deren Spitze eine freundliche Omi tonnenweise Rabattheftchen aus ihrem Korb kramt.

So was wäre in Deutschland de facto nicht möglich! Spätestens ab einer Wartezeit von einer Minute würden die Leute so unruhig werden, dass eine zweite Kraft den Verkauf übernehmen würde. Vielleicht wird nicht sofort kräftig rumposaunt, aber man kann sich ja auch nonverbal mitteilen und seinen Unmut äußern. In den Niederlanden finden das alle normal, dass man mal locker zehn Minuten durch den halben Laden für eine Schachtel Zigaretten ansteht.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass es eigentlich in Deutschland keine Servicewüste gibt. Andere Länder sind viel schlimmer (s. Beispiel Niederlande). Nur jammern wir einfach immer viel zu viel darüber und sind dadurch schon so negativ eingestellt, dass im Service einfach nichts gut genug laufen kann. Selbst wenn alles gut läuft. Denn merke: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Ich persönlich habe bisher immer die Erfahrung gemacht, dass wenn ich nett zu den Leuten vom Service bin, sei es im Geschäft oder bei den so gefürchteten Kundenhotlines, dass mir dann immer sehr schnell, sehr kompetent und sehr freundlich geholfen wurde.

Klar, die ein oder andere Ausnahme gibst schon. Aber es ist doch überall im Leben so, es kann nicht nur Gute geben. Aber dann hau ich einfach mal richtig auf den Putz und irgendwie läufst dann auch immer - vielleicht bin ich einfach zu Deutsch ;)

» Neveltje » Beiträge: 90 » Talkpoints: 52,84 »


Neveltje hat geschrieben:[...] Meiner Erfahrung nach sind die Deutschen nämlich immer die Ersten, die meckern. Wenn zum Beispiel die Kassiererin mal wieder lieber ein Pläuschchen hält statt zu arbeiten.

Kassiererinnen können in Deutschland sprechen? Meinst du mit Kunden? Ui! 5 Euro in die Kaffeekasse, wenn die mal "Guten Tag" sagen, 10 Euro, wenn sie es bis zum "Auf Wiedersehen!" schaffen. Dazwischen auch noch was? Da tanz ich aber Tango auf dem Rollband. Und jetzt die Kür: Die Kassiererin spricht mich an - sie - mich, während ich suchend vor einem Regal stehe, ob sie mir helfen könne. Da mach ich mich auch noch nackig auf dem Rollband.

Eine amerikanische Kassenkraft schafft es übrigens i. d. R. das Pläuschchen komplett ohne Verzögerung während des Kassiervorgangs abzuwickeln, packt dir sogar häufig noch selber die Klamotten ein. Danach weißt du genau, was die am Wochenende so vorhat und was da auf den Grill kommt.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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