Herta Müller erhält den Nobelpreis für Literatur

vom 08.10.2009, 16:30 Uhr

Hallo,

völlig überraschend wurde heute die deutsche Schriftstellerin Herta Müller als diesjährige Trägerin des Nobelpreises für Literatur bekannt gegeben. Ausschlaggebend für diese Entscheidung des schwedischen Nobelpreiskomitees war/ ist ihr in diesem Jahr erschienenes Werk "Atemschaukel", in dem es um die Leiden eines Insassen in einem sowjetischen Gefangenenlager geht. Auch andere Werke der inzwischen 56-jährigen, in Rumänien geborenen Autorin beschäftigen sich mit dem Leben in Diktaturen.

Ehrlich gesagt muss ich gestehen, dass ich von der Autorin bis zum heutigen Tag nichts gelesen habe und mir auch der Name nur sehr dunkel ein Begriff war. Vielleicht hat ja jemand von euch schon etwas von ihr gelesen und kann hier einige Leseeindrücke schildern? Ihre Themen finde ich sehr interessant und ich könnte mir durchaus vorstellen, wenn ich in den nächsten Tagen wieder in eine Buchhandlung komme, mir etwas zu kaufen. Wie sieht es denn bei euch aus? Lasst ihr euch von dieser Auszeichnung für die deutsche Autorin beeinflussen und lest demnächst auch eines ihrer Werke?

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich muss zugeben, dass ich Herta Müller auch nur durch die Medien kenne, eben weil sie den Literaturnobelpreis verliehen bekommen hat. Die "Atemschaukel" habe ich auf Anraten meiner Deutsch-Lehrerin gelesen und ich bin sehr beeindruckt von der literarischen Umsetzung dieses Themas. In diesem Buch gibt es einen wunderbaren, hoffnungmachenden und zugleich trotzdem so rätselhaften Satz: "Die Tatsachen hätten, als sie geschahen, die Wörter, mit denen man sie später aufschreibt, gar nicht ertragen."

Was diese Geschichte über die Deportationen so authentisch wirken lässt, ist ihre Sprache. Besonders das Rumänische prägt zumindest manche Titel ihrer Bücher. Diese Titel sind oftmals verblüffende Wendungen, bei denen man denken könnte, da sei in der deutschen Formulierung leicht, ganz leicht was verrutscht. Sie legt auch immer sehr viel Wert auf den Wortklang. In einem Interview meinte sie einmal, dass ihr beispielsweise "Wörter" besser gefallen als "Worte", obwohl man ja eigentlich "Worte" sagt.

Aus ihrem Buch "Herztier" hat mich folgender Satz gepackt: "Jedem sticht die Leiche des Diktators wie das eigene verdorbene Leben durch die Stirn." Das ist wirklich etwas ungemein Verdinglichtes, fast schon Plastisches.

Richtig Notiz genommen habe ich von Herta Müller aber eigentlich erst durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Darin ging es um einen Kongress der CDu/CSU-Fraktion im Bundestag, auf dem beispielsweise Hellmuth Karasek oder der Bundestagspräsident Norbert Lammer zum Thema "Sprache ist Heimat" redeten. Dazu war auch Frau Müller eingeladen.

Diese Konferenz war bis zur Rede von Herta Müller eine einzige Lobhudelei auf das Deutsche, seine Kultur- und Integrationskraft usw. Die Nobelpreisträgerin sagte dazu, dass heutige Politiker, die nicht das Problem der Emigration, Existenzängste oder die Not des Vertriebenseins kennengelernt haben, vorsichtiger mit dem Motto "Sprache ist Heimat" umgehen sollten.

Und auch da ist mir wieder ein Satz in Erinnerung geblieben: "Nicht die Sprache an sich ist Heimat, sondern das, was gesprochen wird." Sie betonte, dass es nicht um die Erhaltung des deutschen Volkes gehe, sondern um das Bedürfnis der Menschen, sich frei auszudrücken.

Was mich an dieser Frau unter anderem beeindruckt, ist, dass sie sich mit ihrer Meinung auch offen gegen Politiker stellt - was sie sich mit ihrem Nobelpreis vermutlich auch leisten kann. Zusammen mit ihrem - für mich anschaulichen und zum Nachdenken anregenden - Schreibstil kann ich eine klare Empfehlung für jedes ihrer Romane und jede ihrer Erzählungen abgeben.

» derpianist93 » Beiträge: 112 » Talkpoints: 0,76 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^