Absichtlich / auf Kommando weinen

Ich kann auf Kommando weinen, das weiß ich noch, weil ich die Masche früher als Kind immer versucht habe durchzuziehen. Jedoch hat es nach einiger Zeit nicht mehr geklappt und meine Eltern haben mich durchschaut, weil ich es anscheinend zu häufig gemacht habe.

Ich finde es auch nicht gut, wenn Erwachsene das schamlos ausnutzen um jemand anderen zu erweichen und zu etwas zu überreden. Wenn man gar nicht weinen muss, dann sollte man auch nicht weinen. Da bin ich auch deiner Meinung und sage, dass es fast genau so schlimm wie Lügen ist.

Ich bin in jeder Hinsicht eine sehr schlechte Schauspielerin und kann deshalb auch nicht auf Knopfdruck weinen. Allerdings kommt bei mir noch "erschwerend" hinzu, dass ich ohnehin eher eine kühle Art habe und nie freiwillig vor anderen Menschen weinen würde. Nicht einmal bei der Beerdigung meiner Uroma konnte ich weinen, weil es mir - so seltsam es auch klingt - vor den anderen Menschen äußerst unangenehm wäre. Ich glaube, ich kann Tränen wesentlich besser zurückhalten als sie rauszupressen.

Mir fällt eine einzige Ausnahme ein, nämlich meine Trennung. Als ich verlassen worden war, habe ich natürlich hemmungslos geweint. Das Ganze ging ununterbrochen zwei Stunden lang, bis ich mich halbwegs beruhigt hatte. Die Tränen wurden natürlich nicht auf Kommando geweint, sondern aus echter Trauer oder besser gesagt Verzweiflung. Die Tage darauf war ich so sentimental, dass ich wirklich jederzeit auf Knopfdruck losweinen konnte. Das lag aber eher daran, dass mir die ganze Zeit nach weinen zumute war und ich die Tränen einfach zu jedem beliebigen Zeitpunkt laufen lassen konnte. Ausgenutzt habe ich das ganz sicher nicht.

Selbst wenn ich auf Knopdruck heulen könnte, würde ich es nicht tun. Das ist doch sinnlos, weil das doch irgendwann nicht mehr glaubwürdig ist. Im schlimmsten Fall weint man dann wirklich, weil es einem dreckig geht und keiner nimmt einen mehr ernst! Außerdem wirkt man dann schnell hysterisch, was ich auch nicht möchte.

Die Methode mit den zu lange offen gehaltenen Augen stelle ich mir übrigens schwierig vor. Wenn ich eine Weile nicht blinzle, werden meine Augen feucht und brennen ein wenig, aber richtige Tränen kommen dabei nicht. Und wenn man wirklich weint, läuft dazu ja noch die Nase und das kann man doch nicht simulieren.

Ich bin eigentlich eher sehr sentimental und dementsprechend nah am Wasser gebaut. Deswegen reichen mir eigentlich schon die kleinsten Situationen, die mich zum Weinen bringen, was auch der Grund dafür ist, dass man mir früher auch immer zugeschrieben hat, dass ich auf Knopfdruck weinen könnte, obwohl das fast immer eher unabsichtlich passierte und nicht gewollt. Ich konnte noch nie auf Knopfdruck weinen, trotz meiner Sentimentalität, und habe auch noch nie geweint, um etwas zu erreichen.

Als mein kleinerer Bruder dann dieses Mittel des Weinens auf Knopfdruck entdeckte, war es dann vorbei mit der Idylle daheim. Er heulte bei jeder Kleinigkeit, bei der er etwas zu seinen Gunsten erreichen wollte. Entweder behauptete er mit den größten Tränen im Gesicht, dass ich ihn geschlagen oder verärgert hätte. Wegen der darauffolgenden "Schimpfe" war es dann meistens ich, der wirklich weinte. Ansonsten weinte er natürlich in jeder Situation des Alltags, im Supermarkt, weil er die Süßigkeiten haben wollte und im Spielzeugladen, weil er doch unbedingt dieses und jenes haben wollte. Die Liste an Beispielen wäre noch ewig weiterzuführen. Heute sieht das leider nicht besser aus, er ist zwar schon älter aber als Außenstehender würde man sicher sehen, dass er sein Schauspiel wirklich perfekt beherrscht.

Dieses Problem oder diese Angewohnheit, die du dort beschreibst, kenne ich nur zur Genüge, von allen möglichen Menschen in meinem Umkreis, vor allem aber eben von kleineren und kindischen Leuten. So kann das mein Bruder auch recht gut. Er muss dafür nicht einmal besonders lange die Augen auf machen, manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass etwas mit seinem Schmerzempfinden nicht so ganz in Ordnung zu sein scheint . Da braucht es nur einen kleinen Klaps auf den Hintern, wenn die Mutter in der Nähe ist und man sich sowieso im Moment nur in den Haaren liegt, dann geht das Geheule schneller los, als man glaubt und das nervt natürlich enorm.

Ich selbst könnte das nie. Ich weine schon so eher selten und wenn ich dann einmal weine, kommen die Tränen meistens nicht sofort, sondern eher nach längerer Zeit, zum Beispiel wenn ich über das gerade Geschehene erst so ein wenig beginne nachzudenken und dann fließen die Tränen erst bei mir. Auf Knopfdruck weinen finde ich ebenfalls wie du sogar noch schlimmer als lügen, weil man bei dem absichtlichen Weinen auch noch hinterhältig wird. So sehe ich das zumindest, aber man kann nun einmal wenig gegen diese Art der "Täuschung" machen.

Ich selbst kann sicherlich nicht auf Kommando weinen und tue mich mit dem Weinen überhaupt recht schwer. Tränen kommen mir in der Regel nur bei absolut schmerzhafter Trauer, wenn eines meiner Tiere stirbt, beispielsweise, und ich dabei bin und weiß, dass es jetzt seine letzten Atemzüge tut und dann für immer gegangen ist.

Als Kind habe ich allerdings ein paarmal versucht, mir dieses Weinen aus einer Situation heraus und eher abrupt anzutrainieren, weil es eine Phase gab, in der meine Schwestern und ich unbedingt Schauspielerinnen werden wollten, und da gehört es natürlich dazu, dass wir auf Kommando weinen können. Geschafft hat es keiner von uns so, dass das glaubhaft aussah und ich habe es seitdem auch nicht mehr versucht, weil ich nicht wüsste, wofür ich das brauchen sollte.

Wenn Menschen auf Kommando weinen können und das auch für ihre Zwecke nutzen, finde ich das nämlich eher armselig. Wer es nötig hat, einen anderen Menschen auf diese Weise emotional unter Druck zu setzen und das auch entsprechend aus taktischen Gründen für sich zu nutzen weiß, für den kann ich nichts anderes übrig haben als Verachtung und Abscheu. Allerdings kenne ich glücklicherweise auch keinen Menschen, der das nötig hat, worüber ich auch wirklich froh bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ernsthaft und länger mit jemandem befreundet sein könnte, der so ein Verhalten und solche Maßnahmen nötig hat, und ich denke, dass das auch gleichzeitig bedeuten dürfte, dass jemand sich einfach nicht sonderlich gut mit Worten durchsetzen und einfach überzeugen kann.

Vielleicht will ich gerade, weil ich so denke, auch nicht selbst auf Kommando weinen können oder weiß wenigstens nicht, wozu ich das können sollte, wenn nicht eben aus einem Grund wie dem oben genannten, der sich auf einen bestimmten Beruf bezieht, der ein solches Können voraussetzt. Es ist mir nicht ganz unwichtig, mich durchsetzen zu können, weil ich überzeugend argumentiere. Und wenn mir das nicht gelingt, dann sind entweder meine Argumente nicht die richtigen oder ich kann aus irgendwelchen anderen Gründen nicht überzeugen.

Dann muss ich aber doch wenigstens die entsprechende Charakterstärke haben und auch zeigen können, um damit umgehen zu können, dass ich jetzt eben die schlechtere Position habe. Ich muss also irgendwie verlieren können. Und ich nehme das gern in Kauf und habe die Fähigkeit verlieren zu können, doch deutlich lieber als auf solche unrühmlichen Tricks zurückzugreifen, nur, um doch noch meinen Willen zu bekommen, das allerdings auf eine solch niederträchtige Art.

Ich kann so was überhaupt nicht und sehe da auch keinen Sinn darin. Meine kleine Schwester jedoch kann dies sehr gut und nutzt dies auch schamlos aus. Ich kann nicht verstehen das man so was überhaupt machen kann und dann auch noch Zweckgesteuert für sich aus nutzt. Ich finde es gibt andere Wege wie ein Gespräch die dazu führen eine Sache zu klären und nicht so.