Ich bekomme einfach kein "Nein" raus!

vom 11.01.2008, 17:00 Uhr

Das ging mir früher auch oft so. Besonders schlimm war es immer, wenn mich irgendwelche Mitarbeiter eines Call-Centers angerufen haben, um mir was aufzuschwatzen. Da ich ein höflicher Mensch bin, höre ich den Leuten eben zu und sage nicht sofort Nein. Ebenso verhält es sich auch, wenn mich Leute in einem Einkaufscenter oder im Supermarkt ansprechen. Ich bin immer stehen geblieben und habe zugehört.

Heute gehe ich einfach weiter und sage Nein, danke oder wenn ich angerufen werde, das Gleiche, Nein danke, kein Interesse. So etwas kann man nur mit der Zeit lernen, denke ich. Und wenn man etwas wirklich nicht möchte, muss man das auch durchsetzen.

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2718 » Talkpoints: 19,87 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich hatte dieses Problem auch viele Jahre lang und meine, dass ich das zu Hause einfach nicht gut genug gelernt habe, auch mal meinen eigenen Willen durchzusetzen, auch wenn er eben der Gegensatz zum Willen meiner Eltern war. Und ich fand es schwierig, mit einem Nein zu einer Anfrage oder einer konkreten Handlung nicht gleichzeitig auch ein Nein gegenüber der Person auszusprechen, die mich darum gebeten hatte.

Irgendwann habe ich aber realisiert, dass das so nichts bringt, ich oft damit konfrontiert bin, gegen meine eigene Überzeugung zu handeln, nur, weil ich keine Bitte ausschlagen konnte. Ich habe festgestellt, dass mich das verändert, dass es mich ausnutzbar und angreifbar macht und dass ich so gar nicht leben will. Lieber verliere ich Menschen um mich herum, die nicht damit umgehen können, wenn ich eine Bitte mal ablehne, denn wenn sie mich nur als Ja-Sager mögen, dann geht es ihnen nicht um mich selbst, sondern eben nur um meine Leistungserbringung.

Das war mir zu wenig. Also habe ich angefangen, daran zu arbeiten, auch mal etwas abzulehnen, indem ich mich in jedem Fall gefragt habe, was die schlimmstmögliche Konsequenz wäre, die mich erwarten könnte, wenn mein Gegenüber mit meinem Nein nicht klar kommt. Und es lief immer wieder auf dieselbe Erkenntnis hinaus: ich würde höchstens einen Mitmenschen aus meinem Freundes- oder Bekanntenkreis verlieren, dem es gar nicht um mich als Person geht. Was also verliere ich?

Nun, eben. Ich verliere dadurch gar nichts, sondern habe, wenn es denn soweit kommt, sogar einen Vorteil: ich weiß, dass ich es irgendwann nur noch mit Menschen zu tun habe, die meinen eigenen Willen auch mal akzeptieren, auch wenn er eben nicht mit ihrem eigenen vereinbar ist. Das bedeutet gleichzeitig, dass der jeweils andere auch eine andere Meinung akzeptiert, ohne, dass er sich deshalb gleich um die richtige Meinung streiten muss.

Deshalb lautet mein einziger Rat in dieser Sache: Versuch, Dir einfach mal vor Augen zu halten, was Du verlieren würdest, wenn die Menschen, denen Du auch mal ein „Nein“ hinwirfst, sich von Dir abwenden. Dir wird auffallen, dass Du keine Menschen verlierst, die ein ehrliches Interesse an Dir hatten, denn sonst hätten sie Dein Nein ja ohne Weiteres akzeptieren können und nicht nur an sich selbst gedacht, sondern auch an Dich, indem sie Deine konträre Haltung einfach mal akzeptieren. Das hat doch auch was für sich, meinst Du nicht?

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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