Alle überrascht von "falschen" Dissertationen
Es scheint im Moment kein Ende nehmen zu wollen. Nach Karl Theodor zu Guttenberg, Matthias Pröfrock und Silvana Koch-Mehrin trifft es jetzt Veronika Saß, die Tochter des Hr. Dr. Edmund Stoiber. Auch ihr wird vorgeworfen, bei ihrer Dissertation gegen die Regeln der Redlichkeit bei der Erstellung ihrer Arbeit verstoßen zu haben. Aber wenn man sich anschaut, wo diese Doktoranden und Doktorandinnen gelandet sind (beruflich), dann steht doch außer Frage, dass das Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten in keinem Fall Triebfeder für die Erlangung der Doktorwürde war. Vielmehr ging es von Beginn an um das erreichen eines akademischen Grades, welcher der eigenen Klasse gegenüber (und vor allem innerhalb der eigenen Klasse) als angemessen erachtet wird. Es geht um Anerkennung und Abgrenzung (nach unten). Selbstverständlich wären die Personen schlecht beraten, wenn nicht alles zur Verfügung stehenden Kontakte und Mittel (und das kann sehr weit gehen!) eingesetzt werden würden, um diese lästige Pflichtübung zu bestehen.
Früher, als ein Studium sowieso noch stärker am Geldbeutel der Eltern hing, waren die Dissertationen sowieso nur der besseren Gesellschaft vorbehalten. Da reichte dann zum Doktor auch eine kürzere Arbeit. Heute verlangt dies, nachdem sehr viele auch aus der Mittelschicht den Aufstieg nach oben über die Promotion versuchen, eines umfangreichen Wälzers. Das da nicht alle von Oben mitmachen wollen oder können, kann nicht überraschen. Bislang hat diese Praxis auch geklappt und keiner hat sich daran gestört. Es wäre aber auch naiv zu glauben, dass eine Tochter aus dem Hause Stoiber ohne den Dr. keine Karriere machen würde. Ebenso ja auch die Kinder aus dem Hauses Strauß usw. Dafür sind die Kontakte des Elternhauses zu weit gestreut. Es ging tatsächlich nur um das berühmte i-Tüpfelchen.
Leider stellt aber bei der ganzen Aufregung - die nur ein Sturm im Wasserglas ist und eigentlich unnötig ist, weil eine Fr. Dr, Saß (geborene Stoiber) sicher niemandem auf Grund ihres Doktor-Titels Schaden beifügen würde, dem sie nicht auch ohne Titel schadet - die Frage, wie diese Personen überhaupt an einen Doktorvater oder eine Doktormutter gekommen sind! Schon hier, da bin ich überzeugt, wirken die entsprechenden Netzwerke. Und damit wird ein Grundstein gelegt, dass nach gelagerte Kontrollmechanismen versagen werden. Denn wenn der Professor will, dass sein Schützling erfolgreich abschließt, dann wird der das auch tun.
Im Moment halte ich die Diskussion und die Jagd nach weiteren prominenten "Dissertationserschleichern" höchstens für ein gutes Sommerlochthema. Solange man nicht grundlegend an das Thema herangeht und die Lehre in Gänze angreift, wird sich doch nichts ändern. Es werden neue und bessere Wege gefunden, die es anderen Prominenten erlauben werden, rechtssichere Doktortitel zu erwerben.
Wenn ich dich jetzt richtig verstehe denkst du, dass die Diskussionen um dieses Thema unnötig sind, weil der Doktortitel für die Personen, um die es aktuell geht, eigentlich überhaupt nicht relevant für ihre Karrieren ist. Für mich sind das aber zwei völlig verschiedene Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben.
Die Erschleichung eines Doktortitels ist ein Betrug und bei diesem Tatbestand ist es doch irrelevant, was der Betrüger am Ende mit dem durch Betrug erworbenen Titel anfängt oder anfangen kann. Wenn ich ein Paar Schuhe klauen würde sagt ja auch keiner, dass man um den Diebstahl kein großes Aufheben machen muss, weil ich schon zehn Paar im Schrank stehen habe und mir die geklauten Schuhe eh zu klein sind.
Aber ich denke auch, dass bei den akademischen Karrieren dieser Leute, falls man sie als solche bezeichnen kann, Pappis Kontakte und Pappis Brieftasche ein Rolle gespielt haben. Ich bin mir auch sicher, dass man für einen bald offiziell anerkannten Betrüger wie Guttenberg eine Privatuni finden wird, wo er eine Dissertation zustande bringen wird, die sämtlichen Überprüfungen stand hält. Aber die Frage ist natürlich ob und wie man das überhaupt ändern kann. Wenn man zum Beispiel keine Spenden an Universitäten mehr zulassen würde, würde das ja zwangsläufig zu Mehrkosten für den Staat führen.
Cloudy24 hat geschrieben:Für mich sind das aber zwei völlig verschiedene Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben.
Hier hast Du natürlich Recht und ich kann dem nicht widersprechen. Aber hier scheint es so, als gäbe es jetzt eine Art "Hexenjagd" und man hofft durch ein paar "Bauernopfer" die eigentlichen Probleme bzw. fragwürdigen Verhältnisse überdecken zu können. Natürlich ist es gut, wenn jemand der unberechtigt zu so einem Titel gekommen ist, entsprechende Konsequenzen spürt. Natürlich macht es Sinn, hier jedem Fall mit Nachdruck nach zu gehen. Das aber ändert ja nichts am eigentlichen Umfeld. Sowohl der Doktorvater als auch die Co-Korrektoren werden nicht in Frage gestellt. Und auch die Universitätsführung muss nichts fürchten.
Cloudy24 hat geschrieben:Wenn man zum Beispiel keine Spenden an Universitäten mehr zulassen würde, würde das ja zwangsläufig zu Mehrkosten für den Staat führen.
Damit gehst Du letztlich in der Kette weiter zurück als ich und langsam schließt sich der Kreis, was sicher am Ende einer Diskussion stehen könnte. Denn man sollte sich Fragen, wieso es denn möglich ist, dass Einzelpersonen Spenden in signifikanter und überlebensnotwendiger Höhe leisten können (was noch nicht ein Problem darstellt) und auf der anderen Seite der Staat offensichtlich zu wenige oder nicht ausreichend hohe Einkünfte hat (was aber ein Problem ist), um sich um seine Hoheitsaufgaben zu kümmern. Das Thema ist also ein Thema, welches durchaus auch außerhalb der Universitätsmauern zu besprechen wäre. Und immer geht es um die Verteilungsfrage. Eine Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands.
Ich frage mich sowieso, ob Doktorarbeiten heute noch zeitgemäß sind. Vielleicht sollte man einfach über andere Wege nachdenken, wie man eine wissenschaftliche Karriere machen kann, ohne endlose Papiermassen mit intelligenten Dingen zu beschriften.
Die Überwachung ist indes ziemlich schwierig. Sicher kann man alle erdenklichen Technologien anwenden um einem Plagiat wie bei Guttenberg auf die Spur zu kommen. Aber man kann damit auch nicht verhindern, dass zahlungskräftige Akademiker bei der Ghostwriterwahl etwas mehr Glück haben als der ertappte Karl Theodor. Wenn der Ghostwriter nämlich eine solide und eigenständige Arbeit nach allen wissenschaftlichen Regeln der Kunst liefert, kann eigentlich keiner nachweisen, wer die Doktorarbeit geschrieben hat. Kein Doktorvater hat die Zeit, sich rund um die Uhr neben den Doktoranden zu setzen und zu kontrollieren, was wirklich aus seiner Tastatur floss.
Übrigens gehe ich davon aus, dass auch zu früheren Zeiten bei weitem nicht alle Doktorarbeiten auch von den jeweiligen Doktoranden selbst geschrieben wurden. Nur war man damals technologisch noch nicht soweit, dass man jeden Satz in Google eingeben konnte und zufällig dann die Quellen finden konnte. Außerdem gehe ich davon aus, dass auch damals nicht alle Doktorväter immer unbedingt gewillt waren, jeden Betrug nachzuweisen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das allein ein Phänomen des Internetzeitalters ist, dass manche Doktorväter alle Augen zudrücken und manches nicht sehen wollen.
derpunkt hat geschrieben:Das aber ändert ja nichts am eigentlichen Umfeld. Sowohl der Doktorvater als auch die Co-Korrektoren werden nicht in Frage gestellt. Und auch die Universitätsführung muss nichts fürchten.
Und genau das habe ich schon vor einigen Wochen bei der Plagiatsaffäre um den Herrn zu Guttenberg kritisiert. Denn es liegt doch nicht nur daran, das er einen Doktortitel bekam, weil er geschummelt hat. Er ist doch dabei auch von mehreren Leuten unterstützt und vor allem gedeckt worden.
Das selbe Prozedere ist jetzt bei den neuen Fällen. Die Meute fällt über Doktoren her ohne sich um die Leute zu kümmern, welche das abgesegnet haben. Und nur wenn da jetzt auch einige Köpfe rollen werden, kann man ein Zeichen setzen.
derpunkt hat geschrieben: Das aber ändert ja nichts am eigentlichen Umfeld. Sowohl der Doktorvater als auch die Co-Korrektoren werden nicht in Frage gestellt. Und auch die Universitätsführung muss nichts fürchten.
Direkte Konsequenzen muss natürlich niemand fürchten, denn schließlich werden diese Fälle intern untersucht und der Spruch über die Augen aus hackenden Krähen trifft hier sicherlich voll und ganz zu. Allerdings denke ich schon, dass der gute Ruf leidet und der ist ja für Wissenschaftler auch nicht ganz unwichtig. Die Uni Bayreuth wird sicher lange mit dem Guttenberg Skandal in Verbindung gebracht werden.
trüffelsucher hat geschrieben:Ich frage mich sowieso, ob Doktorarbeiten heute noch zeitgemäß sind. Vielleicht sollte man einfach über andere Wege nachdenken, wie man eine wissenschaftliche Karriere machen kann, ohne endlose Papiermassen mit intelligenten Dingen zu beschriften.
So pauschal lässt sich das auf jeden Fall nicht sagen. Denk zum Beispiel an die Naturwissenschaften - da wird der Doktorand oft in ein laufendes Forschungsprojekt eingebunden und erarbeitet in diesem Rahmen seine eigenen Forschungsergebnisse, Im Prinzip ist er also eine zusätzliche Arbeitskraft und ohne Doktoranden würde die Forschung in bestimmten Bereichen entweder teurer oder langwieriger werden.
Sinnvoller wäre es doch eher, wenn man Doktorarbeiten wie die von Hernn Guttenberg, die null neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefern und nur geschrieben werden,damit sich jemand zwei Buchstaben vor den Namen setzen kann, erst gar nicht zulassen würde. Aber da wären wird natürlich wieder am Anfang der Diskussion und bei Pappis guten Beziehungen und seiner dicken Brieftasche, die solche Arbeiten dann eben trotz allem doch möglich machen.
So richtig überrascht war ich nicht als ich die ersten Meldungen über die abgeschriebenen Dissertationen gelesen habe. Ich kenne genügend andere Beispiele über das fehlende Unrechtsbewusstsein unserer Politiker und anderer kleinen lokalen Napoleons. Es ist in ihren Augen oft völlig normal die geistigen Leistungen Unterstellter in Anspruch zu nehmen und diese als die ihren auszugeben. Das können eben bestimmte Ausarbeitungen von Fachgremien zu einigen Themen sein oder eben die berühmten Redeschreiber. Dazu kommt dann noch immer die Hörigkeit anderer Leute die sich niemals trauen würden die Arbeiten eines hohen Tieres anzuzweifeln oder schlecht zu bewerten. Grandios finde ich allerdings Guttenbergs Umschwung von „habe nicht abgeschrieben“ bis zum „mir ist alles über den Kopf gewachsen“. So wie es sich jetzt darstellt stammt kaum eine Passage aus seinen eigenen Überlegungen und das ist das wirklich Verwerfliche.
Grundsätzlich verurteile ich solche Betrugsversuche nicht, dass muss jeder mit sich selber ausmachen. Hier finde ich die Bibel hilfreich, „wer ohne Sünde ist der werfe den ersten Stein“. Wir sind alle kleine Sünderlein.
Ich denke so lange man schon die Schrift kennt wird auch abgeschrieben. Gerade solche heiklen Sachen wie Dissertationen müssten doch aber nach meinem Verständnis besonders geprüft werden. Ich bin sicher dass auch schon früher und vor allem auch bei weniger prominenten Leuten viel abgeschrieben wurde. Jeder der schon einmal eine Hausarbeit oder Ingenieurarbeit abgegeben hat kennt das Problem dass man sich immer irgendwie versucht an einer anderen Arbeit zu orientieren. Früher als es noch kein Internet gab und auch nicht alle Publikationen schnell zugreifbar waren, da war es fast unmöglich solchen Betrugsversuchen auf die Schliche zu kommen. Heute ist das anders, selbst hier bei Talkteria bekommt man Kopien in Sekunden und ohne viel Aufwand heraus.
Ich musste ja schon schmunzeln als ich gehört habe, dass jetzt nach und nach die ganzen Abschreiber und Schummler entlarvt werden. Kaum liegt die Hexenjagd bei zu Guttenberg in den letzten Zügen, wird auch schon eifrig Nachschub beigezerrt. Und am Ende sehen wir, dass diese ganzen Doktoren eben doch nur Menschen sind.
Jeder hat doch irgendwie Dreck am Stecken und ich kenne kaum jemanden, der nicht schon einmal abgeschrieben hat um sich eine bessere Note zu erschleichen als eigentlich verdient. Dumm wirds eben dann, wenn man erwischt wird und in der Öffentlichkeit steht. Zumal die Öffentlichkeit ja zu einem Großteil daraus resultiert, dass der Doktortitel zu einer entsprechenden Position verholfen hat. Ich würde mich aber nicht wundern wenn ein paar von den Dreckwerfern bald selbst erklären müssten wie sie ihre Doktorarbeiten geschrieben haben.
Keine Frage, die geleistete Arbeit (ob gut der schlecht) hat nichts mit dem Titel an sich zu tun. Und die Erfolge sind nicht geringwertiger nur weil die Doktorarbeit aus der Feder eines Ghostwriters stammt. Trotzdem gibt es einem doch zu denken wenn man sieht, dass die Leute denen wir vertrauen sollen, keine Scheu haben zu bescheissen wenn es um das eigene Wohl geht.
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