Fettwachsleichen machen Probleme

vom 12.05.2011, 18:56 Uhr

Auf fast allen Friedhöfen in Deutschland haben die Toten 25 Jahre Zeit zu verwesen. Unmittelbar nach dem Tode - wenn die Sauerstoffzufuhr endet - beginnt der Prozess der Zersetzung. Die Gärung im Gewebe beginnt; Bakterien und Schimmelpilze beginnen mit ihrer Arbeit. Die Fäulnisprozesse verwandeln die Innereien in Abfallprodukte. Haben sich alle an der Leiche gütlich getan, bleiben nur noch das Skelett, Huminsäure, Knorpel und Bindegewebsreste.

Nun beginnt die Arbeit des Baggers und Friedhofsgärtners. Normalerweise sind es nur Gebeine, die herausgeholt werden. Zwischen dem restlichen Holz des Sarges findet der Friedhofsgärtner rmanchmal eine unverweste Leiche, nach einem Aufenthalt von 25 Jahren in der Unterwelt.

Das passiert, wenn die Erde von den vielen Verwesungen ermüdet ist. Robuste Särge und moderne Kleidung haben mitgeholfen und ebenso das stete Blumengießen. Es soll Totengräber geben, die die gelblich bis grauweißen Körper der Fettwachsleichen (nicht verweste Leiche) mit dem Spaten zerstückeln, die Kuhle tiefer graben um die nicht verweste Leiche unter dem nächsten Verstorbenen erneut einzubuddeln. Das ist eine echte Störung des Totenfriedens bzw. der Totenruhe.

Eine Gruppe von Rechtsmedizinern, Bodenkundlern und Umwelthygienikern verschiedener Universitäten versuchten zu ergründen, warum die Leichen nicht verwesten, und zwar in St. Georgen, Schwarzwald, auf dem dortigen Friedhof. Festgestellt haben sie, dass der Mensch zum Problem beiträgt. Im jeweiligen Bestattungsjahr war enganliegende Kleidung modern mit hohem Kunstfaseranteil. Die so begrabenen Leichen zeigten eindeutig Merkmale der Fettwachsleiche. Nur periphere Extremitäten und Schädelbereiche zeigten beginnende Skelettierungen.

Es gibt Probleme aufgrund mancher Bodenbeschaffenheit. Mitte des letzten Jahrhunderts wurden die Friedhöfe an Wasserleitungen angeschlossen. Die bis dahin übliche Dauerbepflanzung wurde abgelöst durch eine Saisonbepflanzung. Ab da wurde fleissig gegossen. Der Wasserhaushalt wurde verändert und die Leichenzersetzung beeinträchtigt.

Nun hat ein Ingenieur zusammen mit einer norwegischen Universität einen Weg gefunden: Die Friedhofsaltlasten werden thermisch abgeschmolzen und anschließend chemisch abgebaut. Ein schwerer Bohrer bohrt die Grabstätte inclusive der Fettwachsleiche an und mit Hilfe der Bohrerspitze zerkleinert er das Innenleben an drei Stellen und mit einem Thermoaktivmittel wird eine Temperatur von 150 bis 300 Grad erzeugt. Nach zwei bis drei Tagen kann das Grab geöffnet werden.

Die Erfindung wurde in Deutschland als Patent angemeldet. Die Nachfrage ist groß und die Bürgermeister warten schon. Was sagt ihr zu einer solchen Behandlung der Verstorbenen? Findet ihr es human. wenn der Friedhofsgärtner den Spaten schwingt?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Verwerflich oder moralisch falsch finde ich das eigentlich nicht. Wenn ein Grab abgetragen wird, dann gibt es an sich wohl auch keine Verwandten mehr, die sich groß darum kümmern, da man das sonst verlängern würde und was soll man sonst auch machen? Irgendwie muss man Platz schaffen und wenn die Methode mit dem Bohrer funktioniert, wieso soll man sie dann nicht anwenden? Klar klingt das zunächst etwas brutal, allerdings ist das eben notwendig, ansonsten hat man es vermeintlich mit Fällen zu tun, wie diesem hier: Sterben verboten per Gesetz

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


:uebel: Ganz schön viel unappetitliche Details auf einmal. So genau wollte ich das eigentlich gar nicht wissen, aber da hat mir meine Neugier ein Schnippchen geschlagen.

Ich habe dazu zu den Ursachen noch eine andere Theorie gelesen. Ob das wissenschaftlich erwiesen ist weiß ich nicht. Ob die Theorie nur für Amerika oder auch für Europa gilt, weiß ich auch nicht. Morgan Spurlock, der den Selbstversuch mit einer Langzeiternährung nur bei Mc Donalds durchzog, schrieb in seinem Buch "Angriff der Killerburger" dass die Menschen als Leichen heute deutlich schlechter verwesen als früher, weil in der menschlichen Nahrung vor allem in den letzten Jahren sehr viel Konservierungsstoffe und chemische Zusatzstoffe enthalten sind, die sich im Körper anreichern. Das hat bei der Nahrung den von der Industrie erwünschten Effekt, dass die Nahrung nicht so schnell vergammelt. Leider hat das angeblich die Nebenwirkung, dass auch der menschliche Körper nicht mehr so leicht von Bakterien und Pilzen zersetzt wird, wie einer aus den Zeiten, als alle Menschen noch zwangsläufig Biokost essen mussten und nichts von ihrem Glück wussten. Wir verwandeln uns also auch in einen Haufen hoch konserviertes Gammelfleisch. Die Vorstellung ist zugegeben auch wenig appetitlich.

Als Theorie habe ich auch schon gehört, dass es eigentlich eine Unart ist, Leichen in schweren Eichenholzsärgen und sonstigen hochwertigen Produkten zu bestatten, da diese natürlich eine Barriere zwischen der Leiche und den Bodenlebewesen darstellen. Würde man die Leute in simplen Bretterkisten bestatten, würden sie besser verwesen. Leider ist es bei Bestattungsunternehmen Usus, dass die versuchen, den teuersten und robustesten Sarg an den Kunden zu bringen. Aus Händlersicht ist das durchaus sinnvoll, da damit viel mehr Profit zu machen ist, als mit einer einfachen Leichtbaukiste. Außerdem gibt das den Angehörigen das gute Gefühl, dem Toten die letzte Ehre erwiesen zu haben. Wenn die Theorie stimmt, finde ich das schon ziemlich makaber.

Ethisch oder nicht, wenn ein Körper nach zweieinhalb Jahrzehnten nicht verwest ist, muss man wohl etwas tun. Mir tun da aber eher die Totengräber leid als die Leichen. Die Leichen merken nichts mehr davon, wenn sie mit Spaten traktiert werden. Die armen Totengräber müssen da aber eine fiese Aufgabe ausführen. Für die Totengräber finde ich es nicht human, so etwas machen zu müssen. Auch wenn man schon jahrelang tagein tagaus mit Toten Kontakt hat, ist das sicher eine ganz harte Belastung, wenn man Leichen gewaltsam mit den eigenen Händen zerstückeln muss. Da ist die Methode mit dem komischen Bohrer vermutlich die bessere Alternative.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



@trüffelsucher, bevor ich diesen Beitrag geschrieben habe, hatte ich mehrmals überlegt und einige Tage vergehen lassen, eben weil er so makaber und unappetitlich ist. Aber letzendlich gehört er zu unserem Leben dazu.

Aber deine Variante ist auch nicht von schlechten Eltern. Wenn ich daran denke, dass ich eines Tages mal ein Haufen hochkonzentriertes Gammelfleisch sein könnte bin ich froh, dass ich keine Wurst und kein Fleisch esse und weder nach Burger King noch nach Mc Donalds gehe. Aber die chemischen Zusatz- und Konservierungsstoffe sind ja mittlerweile in fast allen Lebensmitteln.

Tatsächlich bekommst du heute bei einem Bestatter in der Regel teure Designersärge vom besten Holz, möglichst noch lackiert, aber robust und haltbar. Die Eichensärge haben 10 bis 25 Prozent Marktanteil erreicht. Vorgesehen waren früher mal einfache Fichtensärge, dessen Holz schneller fault und die als Begräbniskiste ideal waren. Die werden meist nur auf Anfrage gezeigt. Aber oft habe ich schon im Fernsehen solche einfachen Holzkisten gesehen und zwar jetzt wieder zu sehen auf den Bildern von Libyen, als die Aufständischen ihre Toten weg trugen. Es gibt zu allem Überfluss noch Bleimodelle. Die sollten meiner Meinung nach verboten werden. Man kennt sie zwar aus Bischofskirchen (Dom), aber für den normalen Menschen ist das wohl kaum angebracht.

Seit einiger Zeit gibt es auch Grabkammern. Das sind Betonkisten, die etwa 1.000 Euro kosten. Sie werden reihenweise in die Erde gelassen. Man kann sie mehrfach wieder verwenden. Der Deckel der Betonkiste wird geöffnet, der neue Sarg mit Inhalt hineingestellt und dann weiter wie bisher. Diese Kisten halten mindestens 100 Jahre. In diese Kisten kommt viel frische Luft rein. Genügend Sauerstoff für die Verwesung ist also vorhanden. Zur Zeit stehen in Deutschland viele Särge im Grundwasser. Das viele Wasser trägt ebenfalls dazu bei, dass der Verwesungsprozess gestoppt wird. Mit diesen Kisten ist auch das Problem aus dem Weg geräumt.

Bei der Verwesung einer Leiche kommen viele Dinge zusammen, die nicht immer alle funktionieren und so muß man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Früher wurden Verstorbene in offenen Särgen zur Schau gestellt, damit alle Abschied nehmen konnten. Das ist heute weitgehend verboten. Das heißt aber auch, dass viele Fliegen, die darauf spezialisiert waren, ihre Eier auf die Toten abzulegen, dieses nicht mehr können. Eine Erstbesiedelung durch Insekten ist nicht mehr möglich. Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages nur noch die Möglichkeit einer Verbrennung.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ja, natürlich gehört das zum Leben dazu und der Tod ist nie schön anzusehen. Es war nur so eine spontane emotionale Bekundung von mir, weil man eigentlich an so etwas nicht täglich denkt und dann doch eher irritiert wird. Es muss ja keiner in einen Thread gehen und den lesen, wer sich nicht damit auseinandersetzen will.

Ich bin überrascht, dass man die Leichen heute nicht mehr offen zur Schau stellen darf, das ist mir neu. Ich bilde mir ein, dass vor ein paar Jahren man noch die Möglichkeit hatte, am offenen Sarg vom Angehörigen Abschied zu nehmen. Oder ist das inzwischen nicht mehr aktuell? Das mit den Fliegen könnte man ganz einfach beheben. Fliegenmaden gibt es in jedem Anglerbedarf rund ums Jahr zu erhalten. Auch Totengräber hätten sicherlich die Möglichkeit, die im Großhandel zu bestellen. Allerdings fragt man sich schon, welche Angehörigen freiwillig und ohne gesetzliche Vorschrift dem verblichenen Opa eine Ladung Maden mit als Reisebegleiter in den Sarg packen würden.

Ob die Feuerbestattung das gelbe vom Ei ist, ist auch fraglich. Bei uns in der Region bauen sie demnächst ein neues Krematorium nach neuesten Öko-Standards. Die Bevölkerung in der Nähe war davon wenig amüsiert und die Gegenwehr entzündete sich an allem möglichen. Die einen hatten Angst vor Gerüchen nach verbranntem Fleisch, die anderen fanden es würdelos, dass mit der Verbrennungswärme der Leichen die Krematoriumsgebäude geheizt werden sollen. Wieder andere sorgten sich um den Kohlendioxidausstoß. Nur, irgendwo müssen diese Krematorien ja stehen. Und im Vergleich zu der Aussicht als Fettwachsleiche zu enden, finde ich so ein kleines Feuerchen weit ästhetischer.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Maden in den Sarg eines toten Angehörigen zu legen, finde ich alles andere als appetitlich, ja sogar ziemlich eklig. Spinnen kann ich ertragen, aber Maden ganz bestimmt nicht. Leichen sind innerhalb von 36 Stunden in eine Leichenhalle zu überführen. Wenn die Leiche im Sterbezimmer aufgebahrt werden soll, muß ein Extra-Antrag gestellt werden. Aufbahren in der Leichenhalle ist möglich im hygienischem Raum hinter Glas. Im Krankenhaus kommt der Tote sofort in die Kühlkammer. Aber einen Tag kann man bei Wunsch noch Abschied nehmen. Die Totenwache früher dauerte ja länger als 36 Stunden, das geht nicht mehr laut Gesetz.

Aber ich glaube mal, dass bestimmt Ausnahmen gemacht werden in kleineren Gemeinden oder Dörfern, wo es ja immer üblich war, die Toten länger aufzubahren. In meiner Stadt haben wir schon seit über 100 Jahren ein Krematorium, das in einem Außenbezirk liegt. So langsam wird wohl überall eine derartige Verbrennungsstätte gebaut. Ich bin überzeugt, dass sich das Verbrennen der Leichen in absehbarer Zeit durchsetzen wird. Es ist hygienischer und wie du schon sagst, ästhetischer.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


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