Leben mit Trisonomie 21

vom 19.03.2011, 20:27 Uhr

Ich habe vor einiger Zeit hier schon von meiner Schwester berichtet, die schon seit langem versucht ein zweites Kind zu bekommen. Nach langer Zeit wurde sie dann auch schwanger und der Embryo hat sich auch eingenistet. Das Glück schien perfekt zu sein. Sie hatte regelmäßige Untersuchungen und alle Untersuchungen verliefen positiv.

Nun hatte sie auch die berühmte Nackenfaltenmessung. Das Leben kann sich oft von einer Sekunde zur nächsten verändern. Das Baby wird mit großer Wahrscheinlichkeit schwer behindert sein. Die Wahrscheinlichkeit des genetischen Fehlers Trisonomie 21, allgemein auch unter Down Syndrom bekannt, liegt bei 1:2, also bei 50 Prozent. Wobei es eigentlich schon noch eindeutiger ist. Man sieht auf dem Ultraschall sehr eindeutig, dass das Baby kein Nasenbein hat und die Nackenfalte war extrem dick. Es hat auch einen schweren Herzfehler.

Die Überraschung war natürlich enorm groß und meine Schwester und mein Schwager sind nun natürlich total fertig. Natürlich ist auch die ganze Familie total betroffen und verzweifelt. Derzeit tendieren meine Schwester und vor allem mein Schwager zu einer Abtreibung, eben weil es auch einen Herzfehler gibt. Der kann laut Aussage der Ärzte sich aber eventuell mit einer kleinen Chance auch noch ausbessern. Das ist aber sehr ungewiss und es kann genauso gut sein, dass dieses Baby nicht einmal die Schwangerschaft überleben wird.

Ich selber habe stehe irgendwie auch neben mir. Am Anfang war natürlich alles noch sehr ungewiss, aber mit der Zeit hat man doch immer mehr Hoffnung, dass alles gut geht. Obwohl ich selber schon mit behinderten Kindern und Jugendlichen gearbeitet habe, ist es in der eigenen Familie natürlich noch einmal etwas anderes und ich habe eine Million Fragen.

Mich würden vor allem Erfahrungsberichte von Eltern interessieren, die sich in so einem Fall entschieden haben, das Baby zu bekommen. Was war für euch das Ausschlaggebende? Wie war die Schwangerschaft? Wie seit ihr mit euren Ängsten umgegangen? Wie war es dann, als das Baby da war? Wie waren die Jahre danach und so weiter.

Jedes Leben und jedes Kind und jede Familie ist anders, das ist mir schon klar, aber trotzdem hilft es oft, wenn man Erfahrungsberichte hört oder liest. Die Entscheidung kann ich meiner Schwester und meinem Schwager dadurch natürlich auch nicht abnehmen, aber trotzdem würde es mich eben sehr interessieren, welche Gedanken ihr in so einer Situation hattet.

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Entscheiden müssen das die Eltern sowieso selbst. Fakt ist aber auf jeden Fall, dass ein behindertes Kind viel mehr Aufmerksamkeit und Pflege benötigt als ein gesundes Kind. Das heißt nicht, dass man sich um ein gesundes Kind nicht kümmern muss. Gerade bei Trisomie 21 muss man sich sein ganzes Leben lang um das Kind kümmern. Es wird quasi nie so richtig erwachsen.

Ich kenne jemanden, der ein Kind mit Trisomie 21 hat. Er braucht seinen festen Tagesablauf. Jede Änderung ist sehr schwer für ihn. Alles muss seine Ordnung haben und wenn er nicht will, dann will er nicht. Da gibt es dann keine Möglichkeit ihn umzustimmen. Dennoch haben ihn seine Eltern lieb und sie kümmern sich gern um ihn.

Natürlich bin ich nicht in dieser Situation, aber ich würde vermutlich mich nie gegen das Kind entscheiden können. Auch wenn es nicht einfach ist und das eigene Leben kompliziert gestaltet, ist es trotzdem das eigene Kind. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Da gibt es auch kein richtig oder falsch, egal wie man sich entscheidet.

» floraikal » Beiträge: 1127 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


floraikal hat geschrieben:Gerade bei Trisomie 21 muss man sich sein ganzes Leben lang um das Kind kümmern. Es wird quasi nie so richtig erwachsen.


Da muss ich dir leider widersprechen. Natürlich gibt es Menschen mit Trisomie 21, die dauerhafte Betreuung benötigen. Genauso gibt es aber sehr viele, die gut und selbstständig mit beiden Beinen im Leben stehen. Es gibt soviele verschiedene Fördermöglichkeiten, gerade für Menschen mit Down-Syndrom, so dass ein Leben mit ihnen kaum oder nur wenig Einschränkungen bietet. Es kommt einfach auch auf den Grad der Behinderung an, daher kann man das überhaupt nicht verallgemeinern.

» TheBigPink » Beiträge: 93 » Talkpoints: 39,29 »



Ein schwerer Herzfehler bedeutet auf jeden Fall, dass das Leben des Kindes sehr stark eingeschränkt wäre. Echter Sport wäre praktisch verboten, das Kind müsste viel schlafen, da es ständig müde ist wenn das Herz schwach ist und zu guter Letzt würde es vermutlich früh sterben.

Die Trisomie 21 kommt erschwerend hinzu. Wenn das Kind nicht früh stirbt, dann wird Es sehr lange extrem auf die Eltern angewiesen sein. Das Kind wird - mehr noch als ein normales Kind - zum größten Teil des Lebensinhalts von zumindest einem der beiden Elternteile. Wobei TheBigPink natürlich Recht hat, dass es sehr auf den Grad der Behinderung ankommt.

So wie ich das sehe, werden die Beiden früher (Abtreibung) oder später (Tod durch die Herzerkrankung) eine schwere Krise durchmachen. Stell dich besser schonmal darauf ein, deiner Schwester Trost zu spenden, es wird mit Sicherheit eine schwere Zeit für sie, selbst wenn das Kind vielleicht das Jugendalter erreicht.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich bin selbst keine Mutter von einem Kind mit Trisomie 21, aber ich habe so ein Kind in meiner Kindergartengruppe. Sie ist vier und heißt Maya.

Maya hat Schwierigkeiten mit vielen Dingen, die wir im Kindergarten so machen. Eigentlich müsste sie auch schon in der nächstälteren Gruppe sein, aber ihre Eltern wollten sie noch ein Jahr bei uns lassen. Viele Spiele und Arbeiten, die wir mit den Kindern machen, um Fein- und Grobmotorik zu förden, fallen ihr schwer. Nach einigen Beratungen mit einer Physitherapeuten für Kinder hat Maya seit neuestem einen speziellen Stuhl, auf dem sie gerader sitzen kann. Die anderen Kindern nehmen dieses Anderssein natürlich wahr. Überhaupt ist sie nicht so gut in die Gruppe integriert wie andere Kinder und spielt häufig allein.

Andererseits ist sie ein furchtbar liebes und niedliches Kind. Jeden Morgen, wenn ihre Eltern sie in den Kindergarten bringen, umarmt sie alle Kinder und Betreuerinnen. Sie macht auf ihre eigene Art Witze und liebt es, gekitzelt zu werden. Sie besteht hartnäckig darauf, Dinge alleine zu tun, bei denen andere Kinder nur allzugerne Hilfe entgegenzunehmen, auch wenn es ihr schwerfällt und sie lange braucht, um ihre Schuhe anzuziehen oder ihr Geschirr wegzuräumen. Da sie wie gesagt schon länger in der Gruppe ist als alle anderen Kinder, kennt sie bereits viele Lieder und Spiele und hilft den anderen gerne dabei, sie zu lernen, wenn sie damit Schwierigkeiten haben. Sie weint auch nur sehr selten im Vergleich zu vielen anderen Kindern in ihrem Alter.

Ich wollte dir das nur schreiben, weil ich denke, dass jedes Kind auch viel Freude mit sich bringt, selbst wenn es vielleicht Krankheiten und Behinderungen hat. Natürlich bedeutet ein Kind mit einer Behinderung eine große Veränderung und zieht viele Probleme mit sich, es ist aber trotzdem ein Kind, das eigene Kind, und nur weil Lernprozesse vielleicht langsamer oder schwieriger sind, bereiten sie nicht weniger Freude.

Ich wünsche dir und deiner Familie sehr viel Kraft, wie auch immer die Entscheidung ausfällt.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich selbst habe auch keine Kinder und kann nur aus Fällen in meinem Bekanntenkreis erzählen. Bei diesem Fall handelte es sich um eine Bekannte von mir, zu der ich damals noch recht häufig Kontakt hatte, heute sehe ich sie nicht mehr so regelmäßig. Sie war gerade mit ihrem ersten Kind schwanger, als sie erfuhr, dass es Trisomie 21 hat und war auch dementsprechend geschockt und erstaunt. Trotzdem hat sie sich damals dazu entschieden das Kind zu bekommen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass es nicht ihre eigene bewusste Entscheidung war. Zu dem Zeitpunkt, als sie schwanger war, hatte sie engen Kontakt zu ihrer Nachbarin und zwei engen Freundinnen. Alle hatten sie erst mehrere Wochen und Monate alte Säuglinge und meine Bekannte war häufig mit ihnen unterwegs und freute sich sichtlich, auf ihr eigenes Baby. Als dann die Nachricht kam, das Kind wäre behindert, hielt sich mit einem Mal der Mann ganz aus der Sache raus und ihre Freundinnen halfen ihr auch nicht groß weiter. Ich habe sie damals zu einem Beratungsgespräch beim Arzt begleitet, weil sie mich darum gebeten hat.

Bei dem Beratungsgespräch kam dann eigentlich nur positives bei rum, der Arzt erzählte nur lang und breit darüber, dass man auch mit behinderten Kindern heute doch total viele Möglichkeiten hätte und das sie sich teilweise eben auch ganz gut entwickeln könnten und das es an sich alles gar nicht so schlimm wäre. Das die geistige Behinderung bei an Trisomie 21 erkrankten Kindern unterschiedlich sein kann, erwähnt er mit keinem Wort. Auf jeden Fall wurde das Kind geboren und ich selbst habe mich ein bisschen unwohl gefühlt, weil ich genau wusste, dass meine Bekannte psychisch nicht gerade die Stärkste ist, aber wir haben über das Thema geredet und ich habe ihr aufgeführt, welche Möglichkeiten sie hat, auch wenn ich nicht direkt gesagt habe, sie solle abtreiben oder so.

Nach der Geburt blieb der Mann noch zwei Jahre und trennte sich dann, heute ist das Kind, Robert, 5 Jahre alt und geistig sehr zurückgeblieben. Er ist kaum in der Lage ganze Sätze deutlich auszusprechen und sich ordentlich verständlich zu machen, einfachste Dinge wie anziehen, Essen, sich waschen, fallen ihm ungemein schwer und er geht auch in einen speziellen Kindergarten, für behinderte Kinder. Meine Bekannte tut sich mit ihm sehr schwer, sie kommt mit dieser Belastung meiner Meinung nach einfach nicht klar, ist häufig sehr gestresst und strapaziert und leidet auch darunter, dass sie ihrem Beruf nicht wieder nach gehen kann. Letztendlich würde ich sagen, dass hier die Entscheidung, das Kind zu bekommen, nicht besonders gut war und so hart es auch klingt, aber ich glaube das weiß sie selber und bereut es womöglich auch. Ich bin mir sicher, dass es Eltern gibt, die damit umgehen und dem Kind trotzdem ein schönes Leben und den nötigen Optimismus bieten können, aber meine Bekannte kann das nicht.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich an der Stelle deiner Schwester würde auch zu einer Abtreibung tendieren. Schließlich ist es ja so, dass Leute mit diesem Syndrom ihr Leben lang schwere Probleme haben und auch oftmals selbst nicht mehr leben wollen. Das ist meiner Meinung nach auch verständlich, da die Menschen im Leben viele Probleme haben und haben werden. Wenn man das Kind in diesem Stadium noch abtreiben würde, dann würde man sich und vor allem auch dem Kind ein Leben voller Qualen und Leiden ersparen. Das wäre für alle Beteiligten das Beste. Aber es hängt natürlich immer noch davon ab, ob man es mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

» Hufeisen » Beiträge: 6057 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Also ich kann es aus eigener Erfahrung erzählen, weil meine Schwester schwerst beeinträchtigt ist. Es ist keine Trisomie 21, sondern das Angelman-Syndrom, welches jedoch auch familienbelastend sein kann. Selbst wenn meine Mutter vor der Geburt gewusst hätte, dass das Kind eine Behinderung aufgewiesen hätte, hätte sie es nicht abgetrieben.

Wir haben uns alle auf die kleine Maus tierisch gefreut und lieben sie auch heute noch abgöttich. Die Behinderung wurde jedoch erst mit dem zweiten Lebensjahr erkannt, weil meine Schwester wie ein kleines Kätzchen geweint hat und auch sehr viele körperliche Defizite aufgewiesen hat. Jedoch kann sie mittlerweile entgegen der Meinung der Ärzte laufen und sich mit Zeichen verständigen.

Das ist jedoch nicht bei jedem Kind der Fall. Meine Schwester wurde nach der Diagnose der Behinderung massiv gefördert. Auch musste ich als Kind und auch als Jugendliche sehr viel auf die Kleine aufpassen, so dass ich nicht wirklich eine Kindheit hatte. Die nehme ich jedoch jetzt nach. Ich möchte meine Schwester nämlich nicht mehr missen.

Selbst wenn das Kind nie selbstständig sein kann, wird es doch ein schönes Leben haben. Sie lacht unheimlich viel, was auch mit dem Gendefekt zu tun hat und wird demnächst in eine betreute Wohngruppe kommen. Mittlerweile ist meine Schwester achtzehn, also volljährig.

Ob man sich für ein geistig und körperlich behindertes Kind entscheidet, liegt in der Kraft und dem Willen der Mutter. Es ist keine leichte Situation, weil ein behindertes Kind sehr viel Betreuung und Aufmerksamkeit braucht. Ich für meinen Teil würde mich nie gegen ein behindertes Kind entscheiden, außer es wäre absolut nicht lebensfähig. Ich habe jedoch den Vorteil gegenüber anderen, dass ich weiß, wie der Tag mit einem solchen Kind abläuft und kann mich an sich problemlos drauf einstellen.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12599 » Talkpoints: 0,42 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^