Cyberchondrie - Nachvollziehbar oder krankhaft?

vom 01.04.2011, 12:19 Uhr

Ich schaue gerade Punkt12 auf RTL und in einem ihrer Berichte war die Rede von der sogenannten Cyberchondrie, die ich ehrlich gesagt auch zum ersten Mal höre: Dabei geht es um Patienten, die jede kleinste Veränderung am Körper als den "Weltuntergang" (überspitzt formuliert) deuten, sich sofort auf die Suche nach der möglichen Diagnose im Internet machen und teils auch selbst Therapiemöglichkeiten zusammenstellen.

Bei Hypochondrie ist es bekanntlich so, dass der Patient an Ängsten leidet, schwer erkrankt zu sein, obwohl jegliche Befunde dafür fehlen. Cyberchondrie ist nun die auf das Internet angewandte Bezeichnung, dass sich Patienten selbst die Diagnose im Internet suchen und selbst die Therapie recherchieren und auch anwenden. Im Bericht wurde sogar gesagt, dass jene Menschen ärztlichen Rat sogar für Unfug halten!

Ich als angehender Mediziner bin echt erstaunt darüber, wie vorsichtig und teilweise aber auch naiv die Leute sind. Das Internet ist zwar schön und gut, aber nicht allem, was man da liest - vor allem nicht medizinischen Berichten/Artikeln - sollte man soviel Glauben schenken, wie man es gerne würde. Immerhin lernt ein Arzt seine Tätigkeit in 7 Jahren so richtig kennen, abgesehen von der Weiterbildung zum Facharzt, die auch nochmal 6-7 Jahre dauert.

Wie seht ihr die Thematik um Cyberchondrie? Ich meine, jeder hat man im Internet nach Diagnose XYZ recherchiert und evtl. Symptome sich angeignet, aber muss man echt so weit gehen, dass man seiin eigener Arzt wird?

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» getku » Beiträge: 883 » Talkpoints: 11,06 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Das trifft eigentlich genau auf mich zu: Ich such mir im Internet immer bei jedem Wehwehchen eine Diagnose zusammen und behandle mich dann oft selbst. Bei ernsten Sachen natürlich nicht, aber meine Selbstdiagnose hat mich schon oft in der Arztwahl beeinflusst.

Das kommt aber auch nur dadurch zustande, dass ich meinen jeweiligen Ärzten nicht viel zugetraut habe. Wer als Arzt in eigener Praxis praktiziert hängt immer nur auf bestimmten Therapiemodellen fest die vom Equipment der Praxis abhängen und bietet andere Wege garnicht mehr an.Wenn man dann englischsprachig ist, selbst einen grundlegenden Überblick über Körperchemie, Biologie und Anatomie hat kann man sich flott in universitäre Studien einlesen und sich so Spezialwissen aneignen und den Arzt darauf aufmerksam machen. Auf diese Weise bin ich schon einige Dinge schneller los geworden als gedacht und gerade auch bei Haustieren hilft einem dies, weil Tierärzte ja auch nicht immer den Überblick über rassenspezifische Krankheiten haben können.

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» Feuerputz » Beiträge: 1415 » Talkpoints: 7,29 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Cyberchondrie ist auch mir ein Begriff, wobei ich mich nicht als Cyberchondrer bezeichnen möchte. Dennoch recherchiere auch ich mittlerweile im Internet, wenn ich der Meinung bin, dass der behandelnde Arzt nur an mir herum pfuscht. Ich habe in den letzten Jahren, in denen ich sehr krank war, extrem schlechte Erfahrungen mit der Kompetenz unterschiedlicher Fachärzte gemacht. Richtig behandelt wurde ich nur bei einem befreundeten Arzt an den ich mich dann verzweifelt gewendet habe und der mir dann tatsächlich auch mal zugehört hat. Hier wurden dann auch die entsprechenden Untersuchungen gemacht und nicht aufgrund von Geldknappheit darauf verzichtet. So war ich innerhalb kürzester Zeit wieder gesund, obwohl ich mich vorher monatelang von Arzt zu Arzt geschleppt habe.

Wenn man so von den Ärzten abgefertig wird, und das wird man immer, wenn man den Arzt nicht persönlich kennt (Freund, Verwandter), dann ist es ganz normal, dass die Leute anfangen sich anders zu helfen indem sie im Internet nach schauen um für den anschließenden Arzbesuch gewappnet zu sein. Dann kann man gleich losschießen was man hat und muss nicht vom Arzt an sich herumdoktern lassen.

Leider führt diese Eigenrecherche auch dazu, dass man schnell bei einer Suche nach Kopfschmerz auf einen Gehirntumor stößt. Hier gibt es dann den Unterschied: der normale Patient sagt sich, dass er mit Sicherheit keinen Hirntumor hat und, dass es sicher etwas ganz anderes ist, was keine Bedeutung hat. Der Cyberchonder schließt bei Kopfschmerz alle anderen Optionen aus und sieht nur den Hirntumor als logische Erklärung für seine Symptome.

Ich halte das für eine ernsthafte Erkrankung, die in psychologische Behandlung gehört. Leider wird sich aber niemand daran stören. Die Familie wird es nicht so ernst nehmen und der behandelnde Arzt interessiert sich sowieso für die Interessen seinen Patienten nicht. So kann die "Krankheit" Cyberchondrie ungehindert fortschreiten. Aber was soll`s. Früher haben die Leute in Gesundheitslexika recherchiert und heute ist es das Internet. Das wird sie nicht ändern.

» eatmyshorts » Beiträge: 187 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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