Facebook - Tarnen - Täuschen - "Betuppen"?
In den letzten Tagen sind in der Diskussion um Karl-Theodor zu Guttenberg ja vor allem zwei Facebook Seiten aufgefallen. Es geht um die immens schnell wachsenden Guttenberg Fanseiten mit den Titeln: „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“ und "Wir wollen Guttenberg zurück“. Ca. eine Millionen Anhänger haben sich hier als "Freunde" eingetragen.
Natürlich nährt so ein angeblicher "Erfolg" auch die Theorien auf der Gegenseite, die solche eine Entwicklung kaum glauben können. Nimmt man nur mal die Seiten von DsdS. Hier haben wir es mit einer hoch internetaffinen Zielgruppe zu tun und trotzdem haben sich im Laufe von Jahren "nur" ca. 148.000 "Freunde" an diese Gruppe gehängt. Und Guttenberg Gruppen schaffen so eine Sammlung von "Freunden" in ca. 1-2 Wochen? Etwas seltsam mutet das schon an. Zumal hinter einer der Seiten der etwas seltsame Tobias Huch steckt, der vor einigen Monaten u. a. dadurch auf sich aufmerksam gemacht hatte, mit Hilfe von Facebook die Charts beeinflussen zu wollen.
Es steht also die Frage im Raum, ob diese Hype überhaupt wirklich eine Hype ist, oder ob hier eventuell eine ganze Portion Schiebung im Spiel ist? Auch die Frankfurter Rundschau hat das Thema inzwischen aufgegriffen - immerhin. Ich denke auch, die Sache stinkt zumindest mal zum Himmel, aber es wird auch genug Leute geben, die durch den sog. Brandwaggon Effekt angezogen, als Mitläufer auf den Zug aufgesprungen sind, sobald sie gemerkt haben, dass sich da eine große Masse irgendwohin bewegt.
Mal abgesehen vom konkreten Thema Guttenberg, haltet ihr es für möglich, dass hier etwas schief läuft? Haltet ihr Einflussnahme von außen für möglich? Für wie bedeutend haltet ihr solche Gruppen bei Facebook? Mir fehlt der Einblick in die Tiefen von Facebook, aber andere werden da sicher mehr Erfahrung haben.
Sind Politiker nicht auch sowas wie Popstars? Sie stehen im Rampenlicht, werden gehasst oder geliebt, verehrt oder verachtet. Soweit ich weiß, ist Guttenberg ein "beliebter" Politiker. Viele hielten ihn unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit für sympathisch und gut aussehend. Das heißt er hatte schon immer eine große Anhängerschaft im Rücken, die zu ihm stand. Warum sollte dann ein beliebter Politiker wie Guttenberg keine 1 Million Befürworter auf Facebook finden? So unmöglich ist es auch nicht. Zusätzlich versteht Christian Huch etwas von Marketing. Er weiß wie er seine Schäfchen in die Gruppen bekommen.
Ich meine mich zu erinnern, dass Barack Obama auf Facebook 10 Millionen Fans auf Facebook hat. Vielleicht sind es inzwischen auch mehr. Er ist auch kein Popstar, aber mindestens genauso beliebt.
Was uns da noch bevorsteht, geistert seit einigen Tag durch das Netz. Es ist ein Dokument einer amerikanischen Sicherheitsfirma (HB Gary Federal) aufgetaucht (gehackt von "Anonymous"), die eine Software entwickelt, mit der sich massenweise virtuelle Identitäten erstellen und verwalten lassen. Eine einzige Person kann auf diese Weise ein kleines Heer virtueller Persönlichkeiten steuern (die Rede ist von einer "army of sockpuppets").
D. h. man wird in Zukunft in sozialen Netzwerken nicht mehr wissen, wer da nun eigentlich wirklich herumfuhrwerkt. Denn diese "Personen" agieren und interagieren, wie normale User, inklusive Mailaccounts, eigenen Meinungen und dynmaischen IPs. Ziel der Geschichte ist es natürlich, die Meinung im Netz im großen Stil zu manipulieren.
Das hat natürlich Folgen, denn alles, was sich heute noch an Meinung "aus dem Untergrund" (grassroot) entwickelt, wird so vermutlich leicht beeinflussbar sein und kaum noch Chancen haben, gegen eine Meinungshoheit anzukommen. Diskussionen in Foren werden schwerstens manipuliert werden. Niemand wird letztendlich mehr wissen, woher er eigentlich seine Meinung hat.
Die Muttergesellschaft des Unternehmens, dass die Software derzeit entwickelt (HB Gary Federal) arbeitet hauptsächlich für die US amerikanische Regierung. Es gibt personelle Überschneidungen mit der NSA, dem großen Militärnachrichtendienst der USA. Und aus einer Ausschreibung der US Air Force aus dem letzten Jahr weiß man, dass genau selbige ein Interesse an so einer Software haben.
Die Diskussion zu diesem Thema hier: Daily Kos. Auch bei heute.de wurde schon online darüber berichtet.
Richtlinie2 hat geschrieben:Was uns da noch bevorsteht, geistert seit einigen Tag durch das Netz. Es ist ein Dokument einer amerikanischen Sicherheitsfirma (HB Gary Federal) aufgetaucht (gehackt von "Anonymous"), die eine Software entwickelt, mit der sich massenweise virtuelle Identitäten erstellen und verwalten lassen. Eine einzige Person kann auf diese Weise ein kleines Heer virtueller Persönlichkeiten steuern (die Rede ist von einer "army of sockpuppets").
Bei dem Gedanken wird es mir ganz Angst und Bange! Wenn ich dir von dir verlinkten Artikel lese, fällt mir erst auf, wie leicht das Internet und im Speziellen soziale Netzwerke zu manipulieren sind. Ich denke, da sollte man in der nächsten Zeit besonders aufpassen, wie die Informationslage diese IT-Unternehmens aussieht. Nach der "Panne", die zur Veröffentlichung der Daten geführt hat, sitzen sie ja quasi auf dem Präsentierteller.
Jeder sollte sich vor allem schon heute bewusst darüber sein, dass es solche Maßnahmen, die die öffentliche und damit auch die persönliche Meinung beeinflussen, ja schon lange gibt. Unternehmen und Politik arbeiten beide an dem Thema, aber es ist vor allem die Politik die hier besonders auffällig ist.
Das sog. "Astroturfing" sollte jedem ein Begriff sein. Hier wird versucht vorzutäuschen, dass es eine von unten kommende, weit gesgtreute, unabhängige Bewegung gäbe (Graswurzelbewegung, "aus dem Volk", "Bürgerinitiative"), die sich über Politik, Personen, Produkte, Geschehnisse äußert. Das Nutzen von "Sockenpuppen", auf deren "industrielle" Nutzung sich o. g. Softwarefirma konzentriert, ist dann als Instrument des Astroturfing anzusehen.
Recht bekannt geworden war vor einiger Zeit z. B. die Aktion einer "Bürgerinitiative" in Hessen, die damals gegen den "Wortbruch" von Frau Ypsilanti im Zusammenhang mit der Linkspartei ins Feld zog. Da tauchte plötzlich eine Graswurzelbewegung besorgter Bürger aus dem Volke mit der Website wortbruch.info auf. Ähnlich wie bei Guttenberg wurden da Unterstützer gegen Frau Ypsilanti gesammelt. Ich weiß gar nicht mehr, wieviel Dumme darauf reingefallen sind. Der Witz war, wer sich äußern wollte, musste sich anmelden und dann wurde auch eine negative Äußerung als Unterstützer gezählt. Wo war der Haken? Die Eigentümerin der Domain war Frau Charlotte Schmidt-Imhoff und die war Vorsitzende des Fachausschusses Wirtschaftspolitik und Technologie der Frankfurter CDU. Verantwortlich für die Homepage war ein Unternehmensberater mit Namen Alexander Demuth. Und der berät Kunden wie z. B. Altana, BASF, Chrysler, Deutsche Bank, Dresdner Bank, DiBa, E.on, Messe Frankfurt, Roche, Sal.Oppenheim, Shell usw. Zusätzlich war er mit der CDU über einen Wirtschaftsclub eng verbunden. Letztlich war es also keineswegs eine Bürgerinitiative, sondern eine Aktion der CDU, die eine Regierung unter Beteiligung von Frau Ypsilanti zu verhindern versuchte.
Wenn sich also vor allem die Politik für dieses Thema interessiert, dann ist das nicht neu, Propaganda kennt man ja zu Genüge. Aber die Mittel sind eben neu. Die eigene Meinung ist eben nicht immer die eigene Meinung und da muss man sich in Zukunft weit mehr selber prüfen, als bisher.
Beispiele aus der Vergangenheit:
- Erster Golf-Krieg. Die PR-Agentur Hill & Knowlton stimmt die US Bevölklerung mit einem Budget von ca. 11 Mill. USD auf einen Irak-Krieg ein. Das Geld kam damals von der kuwaitischen Regierung und einigen interessierten Industrieunternehmen, wurde aber durch eine "Bürgerorganisation" mit Namen„Citizens for free Kuwait" verteilt.
- Das Brutkasten-Märchen (Okt. 1990). O. g. Agentur produzierte Videos, die über die Nachrichtenagenturen der Welt verbreitet wurden. Eine 15 jährige berichtete damals von Gräueltaten irakischer Soldaten auf einer Säuglingsstation in einer Klinik in Kuwait. Man wird sich erinnnern. Das hat die UN und uns alle damals überzeugt. Jahre später kam raus, das Mädchen war die Tochter des Kuwaitischen Botschafters, war nie Augenzeugin solch einer Geschichte und wurde vom Agenturchef persönlich gecastet und gebrieft.
- Beispiel Jugoslawienkrieg. Das Eingreifen der Nato wurde nie als Krieg dargestellt. Man einigte sich auf Begriffe wie "Militäraktion" oder "humanitärer Einsatz". Bilder wurden ausschließlich von den Militärs freigegeben. Auf Pressekonferenzen waren Rückfragen von Journalisten nicht erlaubt. Eine PR-Agentur namens Ruder Finn Global Public Affairs hat damals daran gearbeitet, die Kroaten, Bosnier und Kosovaren als Opposition positiv darzustellen und die Serben als das personifizierte Böse. Da wurden dann ganz gezielt Begrifflichkeiten verbreitet: Konzentrationslager, ethnische Säuberung. Es wurden wohl auch Massaker erfunden, die es nach heutigem Wissensstand so nie gegeben hat. Der Presse wurden dann fertige Presseprodukte vorgelegt und die griffen natürlich gerne begierig danach.
- Beispiel Irak-Krieg 2003. Da wurden griffige Worthülsen in die Öffentlichkeit geschossen: Achse des Bösen. Obwohl ja keiner der Staaten irgendwas mit Al Qaeda zu schaffen hatte. Man gründete in den USA für die PR das „Office of Global Communications", hiermit hat man die weltweite Kommunikation regierungsseitig gesteuert. Als freie PR-Agentur kam die Rendon Group mit ins Boot. Dazu kamm dann noch das Medienzetrum in der Wüste in der Nähe Katars, ausgestattet von einem Filmausstatter (George Allison). Insgesamt sollte das wohl an Kino und James Bond erinnern. Und dann gab es die legendären Monkey-Shows für "embedded correspondents". Uns wurde dann eine Mischung aus sauberen Kriegsbildern, z. T. im Kinostil, ohne zivile Opfer und nur mit zerstörten gegenerischen Waffen vorgeführt.
- Letztes bekanntes Beispiel war dann noch der Krieg zwischen Russland und Georgien 2008. Auch hier wurde massiv von PR-Agenturen auf die veröffentlichte Meinung Einfluss genommen. Beteiligt waren 2 belgische Agenturen (Aspect Consulting, GPlus Europa).
Meinung - vor allem politische Meinung - ist heute also weitestgehend fremdbestimmt. Man muss im Prinzip alles hinterfragen. Mit dem Internet und den Möglichkeiten der "sozialen Gruppen" ist nur ein weiterer Baustein der bisherigen Manipulation zugefügt worden. Denn es ist doch offensichtlich, was das Netz auf der Welt politisch bewegen kann, wenn wir nur an die derzeitigen Revolutionen denken. Und das werden sich Regierungen nicht gefallen lassen. Also versucht man hier gezielt Einfluss zu nehmen. Die derzeitige Diskussion um den "Aus-Knopf" für das Internet gehört dann auch noch dazu.
Jeder sollte sich also jederzeit selber hinterfragen, ob denn das, was er da denkt und meint, tatsächlich Hand und Fuß hat, oder ob da nicht viel mehr Fremdbestimmung drin enthalten sein könnte, als man selber ahnt. Und in dieses Töpfchen passt eben auch die Guttenberg Diskussion. Das gilt natürlich immer auch für beide Seiten der Medaille.
Wen das noch interessiert, der sollte sich z. B. einfach mal nur die Tabellen unten auf dieser Seite anschauen, die sehr eindrucksvoll zeigen, welche großen Aktionen in Sachen Kriegsmarketing in der Vergangenheit gelaufen sind.
Wieso ist Meinung besonders heute fremdbestimmt? Über Jahrhunderte hinweg galt die Meinung, die der Pfarrer von der Kanzel predigte. Das Internet hingegen ermöglicht einem eine aktivere Meinungsbildung als je zuvor, da es etliche Informationsquellen anbietet.
Guter Ansatz, wenn man auch sagen muss, früher war die Welt eben kleiner und zumindest in vordemokratischen Zeiten war die Meinung der Masse dann auch nicht besonders bedeutsam oder besonders schnell wirksam.
Ich hätte das wohl anders formulieren müssen. Gerade heute, in Zeiten, in denen man meint, aufgrund zahlreicherer Informationsquellen besser, schneller und neutraler informiert zu sein, ist das nicht der Fall. Und gerade die scheinbare Pluralität an Information erzeugt eine immer größere Verwirrung. Vor allem nutzen die meisten die Möglichkeiten des Netzes auch nicht, das sieht man am Dornröschenschlaf politischer Blogs in Deutschland. Und es ist ja auch nicht ganz leicht, von diesem information overkill nicht überrannt zu werden.
Aber dein Einwand hat Charme. Politische Meinung war schon immer fremdbestimmt, aber das Ausmaß der Manipulation und der Bedeutung hat inzwischen globale Ausmaße angenommen. Auch die Zielgruppe hat sich, vor allem in der Größe vollkommen verändert.
Hmm ich denke, wer wirklich interessiert an einer differenzierten Meinungsbildung ist, wird das auch durch aktive Recherche tun, und hat dazu jetzt bessere Möglichkeiten. Wer nicht interessiert ist, sich eine möglichst fundierte Meinung zu bilden, wird sich so oder so kaum intensiver mit dem Thema beschäftigen. Hinzu kommt heute, dass diejenigen mit der fundierteren Meinung auch die Gelegenheit haben, diese öffentlich zugänglich zu machen, was zu Zeiten der reinen Printmedien ja bestenfalls über redaktionell editierte Leserbriefe der Fall war. Zu der Zeit hätte auch ein Guttenberg möglicherweise seine Affäre aussitzen können. Prinzipiell hast du natürlich Recht, dass Informationsüberfluss auch eine Art Zensur bedeuten kann, da nicht manipulierende oder in entgegengesetzter Richtung manipulierende Meinung in der Masse versinken können. Trotzdem sehe ich die Lage deutlich positiver als du.
Übrigens kommt noch hinzu, dass man eigentlich erst differenzieren müsste, was unter einer fremdbestimmten Meinung zu verstehen ist, da alle Meinungen sich in einem sozialen Kontext herausbilden und somit gewissermaßen immer irgendwie fremdbestimmt sind.
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