Wahl in Hessen - Volksabstimmung über den Mindestlohn
Der Wahlkampfmotor läuft in Hessen gerade wieder in vollen Zügen, am 27.01.2008 ist Landtagswahl und um es der CDU nachzumachen - die der SPD vor ein paar Legislaturperioden vormachte, wie man einen vernünftigen Wahlkampf über Landespolitik einfach zu einer Abstimmung über bundespolitische Themen ummünzt um die Wähler auf ihre Seite zu ziehen, die immer eine Meinung aber keine echte Ahnung haben – will man aus der Landtagswahl in Hessen eine Abstimmung über den Mindestlohn machen, zumindest beschloss das der Landesvorstand der hessischen SPD. Damals ließ die CDU und Roland Koch über die doppelte Staatsbürgerschaft abstimmen, das Wahlprogramm hätte der CDU wohl auch kaum gereicht, also stimmt man mit der SPD nun entweder für den Mindestlohn oder mit der CDU dagegen ab.
Damit dass genauso offensichtlich plump wie die damalige Aktion der hessischen CDU wirkt, macht man vorher noch eine großangelegte Unterschriftenaktion eine Woche vor der Wahl um per indirekten Wahlauftrag gleich die Wähler an sich zu binden. Das ganze soll am 02.01.2007 schon losgehen und die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, nicht zu verwechseln mit der mit dem Gimmick, will gleich als erste unterschreiben. Die CDU will sich nicht binden, was beim Wähler fast als Nein zum Mindestlohn ankommt, und die Möglichkeit vorbehalten, Mindestlöhne, welche von Tarifpartnern beantragt wurden, abzulehnen.
Das ganze, was im Grunde nur dem Einzug der SPD in den Landtag als Wahlsieger dienen soll, wird jetzt schon vollmundig zur Volksabstimmung über den Mindestlohn deklariert. Warum auch nicht, denn das Wahlprogramm von CDU und SPD können dieses Mal mal wieder nichts großartig hergeben, dann eben ein populistisches Thema, bevor die Linke noch mit im Parlament neben der SPD die Stühle anwärmt.
Obwohl ihn das nicht zu interessieren bräuchte, gibt auch CSU Chef Erwin Huber mal wieder seinen würzig-süßen Weißwurstsenf dazu, indem er gleich dazwischentönt, dass es in der Koalition doch schon lange vereinbart sei, dass bis Mitte März jede Branche einen Mindestlohn beantragen kann und dass dann geprüft wird, ob dieser mit ins Entsendegesetz aufgenommen wird oder nicht, was nicht die automatische Zustimmung bedeutet, da man natürlich die Konsequenzen vorher abschätzen muss.
Nun ja, endlich mal etwas richtiges aus dem weiß-blauen Bundesland, nur: Fakten interessieren im Wahlkampf keinen (Wähler), solange man ihm etwas anderes erzählen kann, dem er hinterherläuft. Das sollte die Union, man denke an die Abstimmung zur doppelten Staatsbürgerschaft in Hessen, eigentlich am besten Wissen und nun besetzt die SPD eben ein klassisches linkes und volksnahes Motiv, ganz nah am hessischen Wählerherzen, so wie die CDU ein klassisches rechtes Motiv 1999 zum Einzug in den Landtag nutzte.
Nunja, in der CDU ist man weiterhin skeptisch und möchte sich nicht zu Nahe an das Thema Mindestlohn heranwagen, zu tief sitzt noch der Schock von PIN, auch wenn der Mindestlohn hier nur eine Ursache von vielen war. Doch das braucht den Wähler ja nicht interessieren, denn „Mindestlohn ist ein volkswirtschaftliches Risiko“ klingt eben weniger leicht verständlich als „Mindestlohn = mehr Geld für alle“, und Fakten, das weiß man ja, interessieren nicht im Wahlkampf, nur Versprechen.
Subbotnik hat geschrieben:Doch das braucht den Wähler ja nicht interessieren, denn „Mindestlohn ist ein volkswirtschaftliches Risiko“ klingt eben weniger leicht verständlich als „Mindestlohn = mehr Geld für alle“, und Fakten, das weiß man ja, interessieren nicht im Wahlkampf, nur Versprechen.
Traurig aber wahr. Im übrigen hat mensch ja dann auch gleich wieder einen Grund auf die Politiker zu schimpfen, wenn die ihre großzügigen Versprechen dann doch nicht so einlösen, wie man das eigentlich annahm.
Ich finde die Diskussion in der CDU um den Mindestlohn eh scheinheilig. Zum Einen rühmen sie sich die Erfinder der Sozialen Marktwirtschaft zu sein, auf der anderen Seite machen sie aber mit erlaubten Niedriglöhnen genau diese selbst kaputt.
Das Modell der CDU sieht ja vor, dass man vom Staat zusätzlich zu seinem Niedrigeinkommen einen Zuschuss bekommt, auf Kosten der Allgemeinheit. Damit werden dann diese Arbeitsplätze subventioniert. In der Folge könnte dies bedeuten, dass immer mehr Jobs im Niedriglohnbereich noch weiter im Stundenlohn absinken, weil die Arbeitgeber sagen, holt Euch Euer Geld doch vom Staat.
Würde man aber Mindestlöhne haben, dann könnten die meisten davon wenisgtens einigermaßen leben und der Staat könnte sich komplett raushalten. Und geanu das ist doch, was die Soziale Marktwirtschaft ausmacht. Gerechter Lohn für die geleistete Arbeit.
Die Unternehmen zu beschenken auf Kostender Allgemeinheit ist genau das andere Modell, da frage ich mich schon, warum da die anderen Parteien nicht weiter darauf eingehen. Ich möchte nicht, dass von meinen Setuergeldern ein anderer Arbeitsplatz subvebtioniert wird, wenn es auch mit einem Mindestlohn gehen würde. Irgendwo muss das Geld ja herkommen und wenn der Arbeitsplatz eben defizitär ist, dann muss man sich eben was einfallen lassen. Mit Steuern nachhelfen ist jedenfalls der falsche Weg.
Und bedenkt man das Niveau der Mindestlöhne in den anderne Branchen, zirka 7 bis 8 Euro, dann macht bei einer 40-Stunden-Woche dann macht das pro Monat zwischen 1000 und 1200 Euro brutto. Ich denk mal, das sollte auf jeden fall drin sein, wenn man jemand beschäftigen will. Zudem gibt es bereits jetzt so viele Ausnahmemöglichkeiten, z.B. mit dem 400-Euro-Gesetz, dass die Arbeitgeber einen großen Spielraum haben und nicht zusätzlich etwas brauchen.
Was genau bei der Union dahintersteckt ist mir also nicht erklärbar, zumal es mehr den Anschein macht, einfach Ideen der SPD schlecht zu reden. Vorbilder aus dem Ausland werden kategorisch als nicht vergleichbar abgelehnt. In England funktioniert es prima, warum also nicht bei uns...
Ich würde mir wünschen, dass Herr Koch in Zukunft als Oppositionsführer kleinere Brötchen backen muss. Dann kann er sich ja wieder mehr ums Spendesammeln kümmern, damit es in fünf Jahren wieder reicht, um mit einer populistischen Kampagne an die Macht zu kommen...
Das CDU Modell ist auch nur von den Niederlanden abgekupfert und nachgeäfft - dort hat es bereits funktioniert und jede Menge Arbeit in kurzer Zeit geschaffen, nur eben mit den von betty beschriebenen Effekten. Da entstanden innerhalb kurzer Zeit viele subventionierte Arbeitsplätze, die Arbeitslosenrate senkte sich drastisch ab, aber es war so eine typische Arbeit wo man sagen konnte: Zum Sterben zuviel, zum Leben + etwas mehr reicht es gerade so, aber alles andere als ein "gutes Einkommen".
betty hat geschrieben:Und geanu das ist doch, was die Soziale Marktwirtschaft ausmacht. Gerechter Lohn für die geleistete Arbeit.
[...]
Mit Steuern nachhelfen ist jedenfalls der falsche Weg.
Sehe ich ganz genau so! Zudem, wie schon angesprochen, bedeuten die Mindestlöhne keinen Reichtum per Gesetz sondern eine Absicherung des Existenzminimums, mehr nicht. Gut verdienen sieht anders aus und wird auch mit Mindestlohn nicht möglich.
betty hat geschrieben:Vorbilder aus dem Ausland werden kategorisch als nicht vergleichbar abgelehnt. In England funktioniert es prima, warum also nicht bei uns...
Umso amüsanter, dass die CDU dann ein Modell aus einem anderen Staat "klaut" und als Vorlage benutzt mit leichten Abweichungen. Aber die Ablehnung gegenüber Mindestlöhnen liegt wahrscheinlich daran, dass die PDS / Die.Linke jahrelang diesen forderte und die SPD sich nun im allgemeinen Wahlkampf dieser Forderung anschließt und so tut, als wäre es ihre Idee. Aber ist in puncto Linkspartei / SPD ja nichts neues - die Linke kann sich so zumindest indirekt freuen, dass ihre Forderungen eine realistische Chance bekommen, doch mal in der Realität anzukommen, denn in den nächsten 3 - 5 Legislaturperioden wird sie unter Garantie nicht ins Parlament kommen, hat aber andere Gründe (ich sag nur: DDR Vergangenheit und das ambivalente Verhältnis zu dieser zwischen Läuterung und Leugnung).
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