Hyperaktive Kinder und Geschwister

vom 20.02.2011, 11:37 Uhr

Meine Schwester hat einen vierjährigen Sohn der vorsichtig ausgedrückt vom Verhalten her sehr schwierig ist. Er ist nicht nur extrem lebhaft, sondern auch eher schnell aggressiv. In der Krabbelgruppe musste er sogar einmal die Gruppe wechseln, weil er sich nicht wirklich integrieren konnte. Er hat extrem viel gebissen, gezwickt und so weiter und das haben die anderen Kinder und mit der Zeit auch deren Eltern nicht so toll gefunden.

Derzeit ist er in einem Kindergarten und dort klappt es zum Glück halbwegs. Die können mit ihm eigentlich recht gut umgehen. Trotzdem ist es zu Hause auch immer wieder einfach nur dezenter Horror und Stress pur. Er kann durchaus auch total lieb sein, aber er bekommt eben mehrmals täglich richtige Ausraster und Tobsuchtsanfälle die aber nicht mit einer normalen Trotzphase zu vergleichen sind.

Nun hat sich meine Schwester immer schon ein zweites Kind gewünscht und hat auch recht lange daran gebastelt. Es wollte über ein Jahr lang nicht so recht klappen. Die wirkliche Ursache hat man dafür nicht herausgefunden, aber ich vermute auch, dass der konsequente Stress mit ihrem Sohn auch ein wenig daran schuld war.

Diesmal dürfte es aber scheinbar doch geklappt haben. Sie ist schwanger geworden und man sieht auch schon seit zwei Wochen Herztöne. So wie es derzeit aussieht, darf sie sich also Ende September über ein zweites Kind freuen. Ich freue mich für meine Schwester und meinen Schwager natürlich auch. Sie haben sich dieses zweite Kind wirklich sehr gewünscht.

Wenn ich ehrlich bin, hält sich meine Freude auch ein wenig in Grenzen. Ich hoffe, dass man das nun nicht missversteht. Aber meine Schester ist durch die ganzen Anfälle von meinem Neffen wirklich schon ziemlich mitgenommen. Klar geht so etwas mit der Zeit auch an die eigene Substanz. Eine wirklich konsequente Erziehung hat sie ehrlich gesagt auch nicht, auch wenn sie eine wirklich tolle und liebevolle Mama ist! Aber gerade mein Neffe bräuchte wirklich klare Grenzen, die er nicht wirklich bekommt und so verschärft sich die Situation noch mehr.

Wenn mein Neffe so seine Anfälle bekommt, ist mehr oder weniger nichts mehr vor ihm sicher. Da kommt es nicht selten vor, dass er einfach nur noch um sich schlägt und da ist es ihm egal, ob das ein Gegenstand oder ein Mensch ist.

Diese Fakten machen mich ein wenig nachdenklich, wie es dann sein wird, wenn da ein kleines Baby dazu kommt. Es ist allgemein für Kinder schwer, wenn ein Geschwisterchen dazu kommt und Geschwisterstreitereien und dergleichen sind durchaus normal, aber wie reagieren hyperaktive Kinder auf Familienzuwachs?

Ich kann mir vor allem die ersten Jahre da wirklich sehr schwer vorstellen. Mein Neffe kennt ja nicht einmal bei seinen eigenen Eltern großartig Grenzen, wie wird er da dann erst auf ein Geschwisterchen reagieren? Ich mache mir da zum Teil echt Sorgen, auch wenn ich mich natürlich sehr freue, dass der große Wunsch meiner Schwester nun doch erfüllt wird. Aber die Zukunft kann ich mir bei ihr einfach nur noch mehr als chaotisch vorstellen. Wer hat schon Erfahrungen mit hyperaktiven Kindern und Geschwistern gemacht?

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Der Umgang mit hyperaktiven Kindern ist sehr schwer, das habe ich mitbekommen, da ein Kumpel von mir selbst hyperaktiv ist, es aber mittlerweile unter Kontrolle hat. Seine Mutter hat mir ähnliche Dinge erzählt, wie du gerade geschrieben hast. Und ich war als Kleinkind auch leicht hyperaktiv, allerdings nicht so extrem wie von dir beschrieben.

Beim Umgang mit hyperaktiven Kindern ist es vor allem wichtig, für einen klar strukturierten Tagesablauf zu sorgen. Dieser sollte aus übersichtlichen Einheiten bestehen und leicht verständlich sein. Das sieht dann so aus, immer zur gleichen Zeit aufstehen, Frühstücken, in den Kindergarten / die Krabbelgruppe gehen, zu Hause spielen, Aufräumen, etc. Am wichtigsten ist, dass es verständlich für den Jungen ist.

Auch sollte man einem hyperaktiven Kind wenige, aber dafür klare Regeln geben, welche auch konsequent durchgezogen werden. Zu viele Regeln verwirren das Kind zu sehr, da ist es besser wenige Regeln aufzustellen aber diese sind dann ohne Kompromiss einzuhalten. Diese Regeln sollten die Kinder auch so gut wie möglich nachvollziehen können, also sollte man auch erklären wieso das Kind etwas nicht machen darf.

Wenn man dem Kind einen Auftrag gibt, beispielsweise sein Zimmer aufzuräumen ist es gut, wenn man diesen Auftrag in mehrere kleine Teile unterteilt. Dann erlebt das Kind nach jedem geschafften Auftrag ein Glücksgefühl und das gibt Motivation. Auch verliert es nicht gleich den Überblick über alles. In der Praxis sieht das dann so aus, dass man beispielsweise beim Aufräumen nicht sagt "Räum dein Zimmer auf!" sondern sagt, die Spielzeugautos kommen in diese Kiste, dann nachdem das Kind damit fertig ist, loben und dann sagen als nächstes kommen die Bauklötze in diese Kiste, etc.

Sehr wichtig ist es, eine Reizüberflutung zu vermeiden, denn das kann zu starken Ausrastern führen. Man sollte dafür sorgen, dass hyperaktive Kinder nicht zu viel Stress ausgesetzt werden oder irgendwelchen Aufgaben bei denen sie den Überblick über alles verlieren. Bei starkem Stress ist es am besten wenn man dem Kind ermöglicht, dass es sich entspannen kann.

Hyperaktive Kinder haben einen sehr hohen Bewegungsdrang. Diesen sollten sie so gut es geht ausleben können. Das funktioniert am besten in einer Turngruppe und wenn die Kinder dann größer werden eventuell eine Kampfsportart oder eine Sportart, die sehr viel Kraft erfordert, so dass die Kinder sich dabei richtig austoben können. Denn die überschüssige Kraft wird sonst in den Ausrastern abgegeben.

Das meiner Meinung nach wichtigste ist es, den Kindern Zuwendung zu geben, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt. Hyperaktive Kinder erleben sehr viele Tiefschläge und Frustrationen und haben daher ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Dieses sollte man so gut wie möglich stärken, am besten indem man dem Kind Zuneigung gibt und es auch lobt, nachdem es eine Aufgabe wie zum Beispiel das Aufräumen das Zimmer, was für ein hyperaktives Kind eine sehr große Leistung ist, bewältigt hat. Und wenn man Kritik an hyperaktive Kinder ausrichten muss, dann auf keinen Fall auf die Person bezogen, sondern nur auf das Verhalten.

Auch professionelle Hilfe im Form von Ärzten und Therapeuten ist sehr wichtig bei einem hyperaktiven Kind. Wenn man diese Tipps alle befolgt wird sich das Verhalten des hyperaktiven Kindes langfristig verbessern.

» Max1250 » Beiträge: 827 » Talkpoints: 27,57 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Wurde das Kind auf Hyperaktivität denn hin getestet oder geht man bislang aufgrund seines Verhaltens von einer Hyperaktivität aus? Die Anzeichen, wie das Beissen, Zwicken und aggressives Verhalten können, müssen aber nicht zwangsläufig darauf hinweisen. Es kann sich hierbei auch um ein Versuch der nonverbalen Kommunikation handeln, was gerade bei Kleinkindern gern mal vorkommt.

Aber egal, ob es sich nun um Hyperaktivität handelt oder nicht, wichtig ist es in der Tat, dass der Junge Grenzen aufgezeigt bekommt und dazu auch einen durchstrukturierten Tagesablauf hat, der ihm Sicherheit vermittelt. Kannst Du auf Deine Schwester nicht positiv einwirken, gerade auch im Hinblick auf das kommende Geschwisterchen? Zu Eltern werden und sein gehört es nun mal dazu, Grenzen aufzuzeigen und konsequentes Verhalten beizubehalten. Natürlich ist es anstrengend, aber gerade, weil ein weiteres Kind unterwegs ist, ist es wichtig, sich endlich so zu verhalten.

Hat Deine Schwester Dir auch mal Befürchtungen mitgeteilt? Vom Erzählen her sind Deine Bedenken nicht ganz unbegründet und ich denke, ich hätte da auch Angst, wenn ein weiteres Kind unterwegs ist. Denn der Bruder scheint ja unberechenbar zu sein und wenn nicht er, sondern das Baby die ganze Aufmerksamkeit bekommt, ist die Gefahr von Eifersucht und aggressivem Verhalten gegenüber des Babies leider gross. Deine Schwester müsste jetzt wirklich aufwachen und der Wahrheit ins Auge blicken und handeln. Wenn sie es nicht kann, ist es nötig, sich Hilfe von einer Familienberatung oder auch von einem Kinderpsychologen zu suchen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



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