Alkoholiker - Angehörige / Freunde und die Fragen
Hallo ihr!
Ich habe in meinem Freundeskreis einen Alkoholiker. Bis vor über einem halben Jahr hatte ich mit dem Thema nicht viel zu tun. Mein Erzeuger muss auch Alkoholiker gewesen sein, laut Erzählungen doch mit dem habe ich nicht viel mitbekommen. Der Vater meiner Schwester ist auch Alkoholiker gewesen, doch da war ich mehr oder minder schon aus dem Haus.
Nun bekomme ich aber alles total mit. Ich verstehe es nicht, wie man teilweise den Willen haben kann, davon weg zu kommen und dann doch wieder nicht. Ich kann nicht verstehen, wie man in einer Sucht Klinik war, dort 1,5 Jahre trocken war und dann wieder das trinken anfängt, sobald man ohne Aufsicht so zu sagen ist. Wie man vier mal in eine Anstalt gebracht wird und am Tag der Entlassung wieder trinkt. Und das ganze, wenn man schon eine Betreuerin hat.
Teilweise hat er lichte Momente und findet selber, dass er von dem Zeug weg muss. Dann doch wieder nicht. Dann macht er jedes mal wieder einen kalten Entzug, der ja auch nicht ungefährlich ist. Jedes mal machen wir uns Sorgen um ihn. Wenn man schon einmal die Einsicht hat, dass man aufhören will, warum macht man es dann doch nicht?
Er meint er macht es wenn dann alleine. In eine Therapie oder etwas andere will er nicht machen. Es ist so eine Ohnmacht da immer zusehen zu müssen. Er sieht es eben auch ein, da er wirklich gesundheitliche Probleme und so hat. Dazu verlor er seine Arbeit, seine Ehe und Freunde durch den Alkohol. Nun wird ihm auch eine Sperre vom Arbeitsamt angedroht und erneute Einweisung, wieder langfristig, denn Entgiftung war vor zwei Monaten erst wieder.
Ward ihr mal Alkoholiker und könnt mal das Verhalten erklären? Mich würde das doch einmal interessieren, da ich wirklich ratlos bin. Mir nutzen auch nicht Mutmaßungen sondern mit interessieren wirkliche Erfahrungen.
Hallo!
Mein zweiter Mann (Exmann) war Alkoholiker und Alkoholiker denken nicht rational. Sie denken nur von jetzt auf gleich und erst, wenn sie merken, dass Konsequenzen drohen werden sie einsichtig.
Das Verhalten eines alkoholkranken Menschen kann man nicht erklären. Man kann es auch nicht verstehen, wenn man nicht als Angehöriger mal selber zu den anonymen Alkoholikern geht und die Sache genau schildert. Denn jeder Alkoholiker denkt und reagiert anders. Aber alle sollte man gleich behandeln.
Klingt doof, aber es ist so. Wenn man einem Alkoholiker nicht vor die Wahl stellt "entweder ich oder der Alkohol", dann wird er nie kapieren, dass durch den Alkohol alles kaputt geht. Wenn man immer noch weiter zu ihm hält, dann bestärkt das den Alkoholiker in seinem Tun und Handeln. Es ist schwer jemanden das Handeln eines Alkoholikers zu erklären, wenn man den Menschen nicht selber erlebt hat. Denn wie gesagt, jeder wird durch den Alkohol anders geprägt.
Reden kann man mit einem Alkoholiker nur in einem "lichten" Moment, wo er mal von der Flasche weg ist oder aber, wenn er den Alkoholpegel erreicht hat, wo er einen "lichten" Moment hat. Daran sieht man wieder, dass jeder anders reagiert. Jedem setzt der Alkohol anders zu.
@ Diamante
Ich muss die Frage nun doch mal stellen. Du schreibst oft von deinem Ex- Mann. Immer im Zusammenhang mit Alkohol und Alkoholsucht. Kann es irgendwie sein, das ihr nicht im guten auseinander gegangen seit?
@ kleineliebe
Ich bin zwar keine Alkoholikerin, habe aber eine psychische Erkrankung, die oftmals auch in Zusammenhang mit irgendeiner Suchtproblematik auftritt. Ausserdem habe ich durch meine Erkrankung schon diverse Aufenthalte in der Psychiatrie hinter mir. Und bei allen Aufenthalten war ich auf der Station, auf der eben halt auch Entzug stattfindet. Und dort habe ich auch einige Kontakte "knüpfen" können.
Eine Frage noch vorweg. Du schreibst, dein Bekannter hat eine Betreuerin. Ist er in einem Programm zum ambulanten betreutem Einzelwohnen, was heisst, das ein oder zweimal die Woche jemand vorbei kommt und mit ihm diverse Dinge erledigt. Oder hat er eine richtlerich bestellte Betreuerin. Sprich eine gesetzliche Betreuung?
Du schreibst, er war 1, Jahre nach dem Aufenthalt in einer Suchtklinik trocken. Und hat dann wieder angefangen. Stand er denn wirklich die 1,5 Jahre danach unter Kontrolle? Oder kommt es dir nur so vor?
Ich habe während meiner Aufenthalte einen Mann kennengelernt. Wenn man ihn so sieht, könnte er auch bei der Deutschen Bank arbeiten. Man würde nie erwarten, das er Alkoholiker ist. Gute Umgangsformen. Geistig fit. Belesen. Und so weiter. Wir Mitpatienten wussten an sich nur, das er zum Entzug da ist. Er sprach es auch mal an, das es da wohl noch andere Probleme gibt/gab, die er aber im professionellen Rahmen nicht ansprechen möchte. Mit der Zeit haben wir uns angefreundet. Für meine Verhältnisse eine relativ enge, freundschaftliche Beziehung. Da blieb es dann auch nicht aus, das ich einmal halt seine gehäuften Krankenhausaufenthalte mitbekam, sondern ich erfuhr auch "seine Geschichte". Ich weiss das es nur wenige Menschen gab, die die Geschichte kannten. Ich war eine davon. Aufgrund meiner psychischen Entwicklung, wusste ich aber auch, das es auf Dauer gar nichts bringt, wenn er stur nur einen Entzug nach dem anderen macht. Irgendwann hat er geredet. Auch im professionellen Bereich. Ergebnis war, das er eine Posttraumatische Belastungsstörung hat. Eine Diagnose die nicht ohne ist. Ausserdem ist er depressiv.
Er machte dann auch eine Langzeitmassnahme in einer Suchtklinik. Auch mit dem Fokus auf die Posttraumatische Belastungsstörung. Nur wurde halt an den Auslösern für seine Sucht nie was geändert. Gründe dafür gibt es viele. Einmal weil er es nicht will und wohl auch nicht kann und weil es anderen auch nicht bewusst ist, das das halt nun Auslöser ist. Ich kenne ihn nun lange genug und weiss was Auslöser ist. Nur bringt ihm das wenig.
Die Langzeitmassnahme muss generell wohl nicht so toll gewesen sein. Was ich aber erst viel später erfuhr. Was ich allerdings gleich erfuhr, das er während einer Wochenendurlaubs wieder getrunken hatte. Er durfte zwar bleiben. Aber naja.
Wir hatten dann noch eine zeitlang Kontakt. Wobei der weiterhin hauptsächlich in Telefonaten oder meinen Besuchen bei ihm im Krankenhaus bestand. Er selbst brach den Kontakt dann aus persönlichen Gründen ab. Ab und sahen wir uns noch, es wurde aber nie wie vorher. Wobei ich halt dadurch das ich in dem Krankenhaus ambulant behandelt werde, oft dort bin und dann auch oft wusste, das er mal wieder zum Entzug dort war. Und die Aufenthalte häuften sich. Wobei ich nicht alle mit bekam. Wir haben uns zwar mal ausgesprochen, aber es wurde nie wie früher. Momentan ist es eher so, das er sich gelegentlich mal meldet. Und dann weiss ich genau, es ist das und das passiert und er trinkt wieder.
Zwischenzeitlich wurde auch eine gesetzliche Betreuung angeregt. Die lehnte er erstmal ab und kam damit auch durch. Als er bereit dazu war, wusste Arzt A nicht, was Arzt B wollte. Und so lange mein Bekannter halt nüchtern ist, weiss er, das er die Hilfe bräuchte. Das weiss er auch, wenn er gerade mal wieder im Suchtstadium ist. Sprich getrunken hat und kurz vor der Einweisung steht. Solange da noch Restalkohol im Blut ist, würde er auch allen Massnahmen zustimmen. Aber in der Zeit direkt nach dem Entzug, lehnt er wieder alles ab. Ich als Aussenstehende sehe das und kenne das mittlerweile auch. Nur kann ich als Nicht- Angehörige nicht eingreifen. Und seine Eltern sind auf mich nicht sonderlich gut zu sprechen.
Zu wolltest wissen warum man sowas macht oder so. Ich denke mal, das viele Suchterkrankungen auch irgendwo noch einen psychologischen Hintergrund haben. Von den Leuten die ich bisher zum Entzug im Krankenhaus erlebt habe und die ich in meinen Zeiten dort mehrfach dort erlebt habe, weiss ich, das dort im Hintergrund noch eine psychiatrische Erkrankung ist.
Ich habe zu meinem Freund / Bekannten nie gesagt, musstest du denn unbedingt wieder anfangen zu saufen? Und ich würde es wahrscheinlich auch nicht tun. Einfach weil ich es aus meinem Leben kenne. Ich verletzte mich selbst. Und da ist auch ein gewisser Suchtcharakter dahinter. Es ist für mich ( und auch oft für Alkoholiker) halt so, das es bestimmte Sachen gibt, die halt triggern. Sie tun einem weh oder lösen bestimmte Verhaltensmuster aus. Bei mir bewirken Sachen die triggern halt durchaus auch Selbstverletzendes Verhalten oder einfach nur dysfunktionales Verhalten. Man kann zwar versuchen, sich von den triggernden Sachen fernzuhalten oder halt in den Momenten mit was anderem gegen zu steuern. Aber das klingt so einfach. Und das ist es nicht.
LittleSister hat geschrieben:@ Diamante
Ich muss die Frage nun doch mal stellen. Du schreibst oft von deinem Ex- Mann. Immer im Zusammenhang mit Alkohol und Alkoholsucht. Kann es irgendwie sein, das ihr nicht im guten auseinander gegangen seit?.
Was hat das mit diesem Thema hier zu tun? Meinst du, weil ich geschrieben habe, dass man Alkoholiker vor die Entscheidung stellen soll Alkohol oder ich? Das kam von der Suchberatung und ich habe die Alkoholsucht meines Exmannes, (der übrigens nicht der Vater meiner Kinder ist, sondern mein 2. Mann) über mehrere Jahre mitgemacht. Ich habe es auch im Guten versucht und solange er merkte, dass ich immer wieder zu ihm halte, konnte es nichts werden.
Wenn man über 4 Jahre mit einem Alkoholiker zusammen ist und diese Alkoholsucht aber erst nach 2 Jahren bemerkt bzw. bemerken will, dann glaube mir, vergisst man die schönes Dinge in einer Beziehung und der Alkohol übernimmt dein komplettes Leben. Deswegen kann ich nur raten, dass man als Angehöroiger schnell die Reißleine zieht und sich Hilfe holt. Vor allem hilft man dem alkoholkranken Angehörigen nicht, wenn man ihm immer wieder den Rücken stärkt. Dann bekommt man als Angehöriger eine "Coabhängigkeit". Und darauf darf man es nicht ankommen lassen. Ich selber war über längere Zeit eine sogenannte Coabhängige. Ich habe alles, was er machte entschuldigt und ihm geholfen, dass seine Alkoholsucht nciht auffällt.
Alkoholismus ist ein absoluter Teufelskreis, in vielerlei Hinsicht. Ich hatte schon einmal einen alkoholabhängigen Freund, der nach einiger Zeit seine Arbeit verloren hat. Ist man starker Alkoholiker, findet man nur schlecht oder gar keine Arbeit. Hat man keine Arbeit weiß man nichts mit seiner Zeit anzufangen, wird depressiv und greift wieder stärker zur Flasche. Irgendwann kommen dann sicherlich auch noch Geldnöte hinzu, denn der ganze Alkohol muss schließlich finanziert werden. Und ohne Arbeit ist dies nur schwer machbar.
Also gilt es diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Dies kann nur geschehen wenn der Betroffene einen starken Willen zeigt und selbst aus dem Sumpf herauskommen möchte. Ich denke ohne das Eingeständnis des Betroffenen, dass er etwas ändern muss, ist da überhaupt nichts zu machen. Glücklicherweise wurde meinem Freund irgendwann bewusst, dass er so nicht weiter leben konnte. Bei ihm kam neben der Alkoholsucht auch noch die Raucherei dabei, die ihn sehr viel Geld kostete. Er wusste überhaupt nicht mehr wie er Rechnungen bezahlen sollte, geschweige denn tägliche Lebensmittel finanzieren sollte. Er lebte nur noch von der Hand in den Mund und versuchte sich oft bei anderen Geld zu leihen. Ich habe immer versucht zu ihm zu halten, auch wenn mich das sehr viele Nerven gekostet hat. Dabei habe ich ihn weniger finanziell unterstützt als mehr seelisch.
In so einer Situation sind Freunde sehr wichtig, die den Betroffenen emotional unterstützen. Wenn er sich einsam fühlt hat er einen weiteren Grund trinken zu müssen. Aber ohne ärztliche Hilfe werden Alkoholiker ihr Leben sicherlich nicht wieder auf die Beine kriegen. Man muss ihnen klar machen, dass sie ein Problem haben. Nur wenn sie es selber einsehen können sie sich helfen lassen. Bei meinem Freund ist es gut ausgegangen. Er ist mittlerweile seit einigen Jahren ohne Alkohol ausgekommen. Aber das hat er auch wirklich nur geschafft weil seine Freund für ihn da waren. Nicht nur ich, sondern auch noch viele weitere Leute aus seinem Umfeld waren ihm eine große Stütze in seiner Situation.
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