Das Vögelparadies ...
Wie haltet ihr es eigentlich mit Vögeln? Ich wurde neulich ganz süffisant von einem Nachbarn angesprochen, der uns wohl unterschwellig deutlich machen wollte, dass unser Verhalten nicht ganz in Ordnung wäre.
Wir mögen Vögel. Unsere Katze auch. Deswegen haben wir bei uns im Gärtchen eine Futtersäule mit Körnerfutter und eine Futtersäule mit Erdnüssen hängen. Dazu noch ein bis zwei Meisenknödel und nicht zu vergessen ein Nistkasten für Blaumeisen und einer für die anderen Meisen.
Nun spricht sich natürlich unter Vögeln jeden Morgen herum, dass es da wieder was zu holen gibt, wenn man das Fenster aufmacht, kann man die ja zwitschern hören. Und dann kommen, Blaumeise, Kohlmeise, Schwanzmeise, Rotkehlchen, Sperling, Amsel, Zaunkönig, Braunelle, Kleiber, Buchfink, Bergfink, Grünling und in diesem Frühjahr erstmals eine Bande von 6 wunderschönen Stieglitzen. Man kennt sie irgendwann alle und dann ist da immer tierisch was los und die können einem auch die Haare vom Kopf fressen. Die Katze sitzt fassungslos davor und gibt seltsamste Geräusche von sich, kann aber nichts machen. Die Piepmätze sind immer schneller, das hat überhaupt keinen Sinn. Selbst den Baum hochklettern und sich auf den Nistkasten setzen bringt nichts. Inzwischen gibt es höchstens noch beleidigte Scheinangriffe.
Aber darum geht es nicht. Nachbar wollte mir nun klar machen, dass man doch außerhalb der Frost- und Schneesaison nicht füttern soll. Ich sehe das ja ein, dass es nicht notwendig ist, aber meiner Meinung nach ist der Nutzen viel größer, als ein möglicher Schaden. Alleine, wenn sich Kinder das anschauen und lernen, dass Natur schön ist und man daran teilhaben kann und dass man da auch was schützen kann, alleine das reicht mir als Nutzen. Davon ab sind wir schon zigfache Blau- und Kohlmeisenpaten. Ich habe auch nie bemerkt, dass sich die Populationen vermindert hätten, die sind im Gegenteil sehr stabil und dieses Jahr haben offensichtlich auch die Stieglitze zu uns gefunden, die vorher höchstens mal vereinzelt zu sehen waren. Ich schreibe mir seit Jahren sogar auf, wer, wann, in welcher Anzahl auftaucht. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie regelmäßig das alles stattfindet.
Während der Brut- und Aufzuchtsaison füttern wir auch nicht, aber ansonsten habe ich keine Schmerzen, auch im Sommer mal ein paar Nüsse anzubieten. Wenn die Vögel nicht wollen, dann kommen sie auch nicht und ziehen anderes Futter vor.
Wie seht ihr das? Haltet ihr das für problematisch? Oder wird das eher locker gesehen?
Es ist problematisch, was ihr da macht und deine Nachbarn haben Recht. Ihr greift in die Natur ein und züchtet dicke Vögel, die dann kaum noch wegfliegen können, wenn die Zeit wieder gekommen ist. Man darf Vögel nur dann füttern, wenn es über mehrere Tage Minustemperaturen sind und die Vögel wirklich nichts finden würden. Die Vögel werden faul und träge. Sie finden kein eigenes Futter mehr, weil ihr es denen abgewöhnt.
Es ist meines Erachtens ziemlich egoistisch die Vögel ganzjährig zu füttern. Eben nur, weil die Menschen was davon haben und nicht an die Vögel denken. Es ist also nicht nur ziemlich unnötig sie ständig zu füttern, sondern man tut den Vögeln keinen Gefallen. Sie müssen lernen auch mit Futterengpässen umzugehen. Es sind Wildvögel und keine Haustiere. Gerade dieses ergiebige Futter macht die Vögel faul und träge und sie sind nicht mehr fähig sich selber Futter zu suchen. Bleibt dann euer Futter mal aus, wenn es wirklich Nahrungsengpass ist, dann sind die Vögel verwirrt.
Natürlich greifen wir in die Natur ein, das tut aber auch jede Straße, jedes Haus, jeder Mülleimer, jede Fußgängerzone, jeder 'hochfrisierte' Garten, jeder Spielplatz, jede Katze, jedes Auto, jeder Gartenbrunnenbohrer, jede Fabrik, jeder Stausee, jede Rodung, jedes Feld usw. Denkt da vielleicht jemand großartig darüber nach, was das für Auswirkung auf die Vogelpopulationen hat?
Fette Vögel? Es gibt Gebiete, die haben ein Überangebot an Nahrung und es gibt welche - und dazu dürften viele verstädterte Gebiete zählen - die haben ein Unterangebot. Ich vermag nur keine fetten Vögel zu finden. Wieso verfetten die denn nicht da, wo es ein Überangebot gibt? Vögel haben sich schon immer beim Menschen bedient und wenn es früher nur in Kuh- oder Pferdeställen, auf Feldern oder auf Mist- oder Komposthaufen der Fall war. Fette Vögel oder solche, die vom Baum fallen, weil mal kein Futter da ist, die sehe ich nicht. Ich vermag auch nicht zu erkennen, dass die Mirkopopulation oder das Verhältnis der Vogelarten sich großartig ändern würden. Wir beobachten das relativ genau. Wiegesagt, wir führen auch Notizen darüber. Neu sind in diesem Jahr die Stieglitze. Die sind aber nicht neu in der Gegend hier, sie haben nur erstmals die Futterstellen gefunden.
Irgendwie scheint es mir eher typisch für den deutschsprachigen Raum, dass die Fütterei in Frage gestellt wird (für mich ein Relikt der 70er). In England würde man solche Kritiker auslachen. Die füttern immer, entsprechend habe ich es auch in Südafrika kennengelernt, die ja viel von den Briten übernommen haben, bzw. mitgebracht haben. Natürlich ist das ein Eingriff, die Vögel brüten früher, die bekommen mehr Junge und es überleben mehr Vögel. Probleme sehe ich ja auch: Man bevorzugt eventuell unbewusst bestimmte Vogelarten, das Wanderverhalten kann gestört werden, die natürliche Selektion wird beeinflust. Nur: All das tut der Mensch durch seine übrige Tätigkeit aber längst in weit höherem Maße. Das kümmert aber keinen.
Den Wert der Bemühungen bezeichnest du als Egoismus, natürlich ist es das auch ein gutes Stück, nur erachte ich eben die Vorteile weit höher als mögliche Nachteile. Natürlich nehmen wir Einfluss in ganz kleinem Rahmen (gegenüber der Gesamtpopulation ist das sowieso ein Witz). Aber die Vorteile liegen für mich auf der Hand:
- Bei Kindern weckt das die Freude an Vögeln, überhaupt an Natur.
- Es fördert die Artenkenntnis.
- Es weckt Freude an eigenen Entdeckungen.
- Es schult die Beobachtungsgabe, schärft die Sinne in Bezug auf Natur.
- Es schafft überhaupt Nähe zur Natur.
- Es fördert leztlich Verantwortungsbewusstsein.
- Und natürlich: Es macht Spaß, dem Treiben zuzuschauen.
Und man selber fängt auch an und fördert auch andere Tierarten, von Fledermäusen für die man Höhlen aufhängt über Futterkästen für Eichhörnchen, bis zu Nistplätzen für diverse Insektenarten. Nimm ein Land wie England oder Südafrika. Ich habe noch nie soviele Menschen mit Vogelbestimmungsbüchern und Feldstecher durch die Gegend laufen sehen (mich selber eingeschlossen) und das ist gut so. Man wird halt ein bisschen zum Spießer, aber es ist auch populär geworden. Hier am Niederrhein überwintern ja auch Tausende von Wildgänsen und es es gibt inzwischen einen regelrechten Tourismus um das Thema. Neben den Menschen, die alleine auf die Pirsch gehen, gibt es auch viele organisierte Touren. Ich finde das prima, all das schärft das Bewusstsein für Natur, auch wenn dieser Tourismus selbst natürlich wieder negative Auswirkungen hat.
Übrigens: Der Frühling kommt definitiv. Längst hat die Schlacht um die Nistkästen begonnen und die Gänse sind dabei wieder gen Norden zu fliegen. Gestern zogen hier ca. 400 Tiere am Stück am Himmel lang, das war ein Radau.
Ob Du mit dem Verhalten (Füttern von Vögeln) tatsächlich nachhaltig der Umwelt Schaden zufügst, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich würde zunächst einmal behaupten, dass Du so wie Du es beschrieben hast, eher nichts machst, was tatsächlich langfristig negative Folgen haben könnte. Wobei ich natürlich die Randbedingungen nicht einschätzen kann.
Als Kind habe ich mal erlebt, wie ein Nachbar in einem Mehrfamilienhaus auf die Idee gekommen ist, zwei Tauben auf seinem Fenstersims zu füttern. Natürlich gefällt das dem Nachbarn und auch ich als Kind hatte kein Verständnis dafür, dass sich alle anderen Erwachsenen erbost gezeigt hatten. Nur wenige Tage später war es mir dann aber klar! Denn diese Vögel werden mehr (es blieb nicht bei zweien) und sie sind dann auch erst Mal geblieben - selbst nachdem die Fütterung nach Auseinandersetzungen mit den Bewohnern ausgeblieben ist! Der Dreck den ein paar wenige Tiere (eine Gruppe von vielleicht 5-7 Tauben) hier machen können, ist eigentlich kaum zu beschreiben.
Jetzt gehe ich bei Dir in Deinem Fall ja nicht von Tauben aus und auch nicht, dass möglicher Dreck Nachbarn unter Dir zur Last fallen würde. Aber der von mir beschriebene Fall zeigt, dass es Situationen gibt, in der das Füttern sicher mehr als schlecht ist - und das bezieht sich nicht mal auf die Tiere!
@ToniGard: Ich frage mich gerade, warum du die Fragen stellst, wenn du die Antworten nicht akzeptierst und sie auseinandernimmst. Du hast klipp und klar danach gefragt, wie wir das sehen und ich sehe es so. Du hast gefragt, ob man das für problematisch hält und ich sehe es problematisch und du hast gefragt, ob es locker gesehen wird und ich sehe es nicht locker.
Wenn man die Vögel auch im Sommer und Herbst füttert, wo die Zugvögel wegfliegen, werden einige Vögel erst gar nicht so schnell wegkommen, weil sie überfressen sind. Das wurde in einem Fernsehbericht ganz deutlich gezeigt und gesagt.
Natürlich greifen wir in die Natur ein, das tut aber auch jede Straße, jedes Haus, jeder Mülleimer, jede Fußgängerzone, jeder 'hochfrisierte' Garten, jeder Spielplatz, jede Katze, jedes Auto, jeder Gartenbrunnenbohrer, jede Fabrik, jeder Stausee, jede Rodung, jedes Feld usw. Denkt da vielleicht jemand großartig darüber nach, was das für Auswirkung auf die Vogelpopulationen hat?
Da du doch selber sagst, dass die Vögel genug bekommen durch Mülleimer, Fußgängerzonen, wo Dinge weggeworfen werden usw. frage ich mich, warum man noch füttern muss. In den Städten ist das Füttern der Tauben sogar verboten, weil sich die Tauben zu sehr vermehren. Warum soll man die Vögel sich zu sehr vermehren lassen, indem man sie füttert?
In Gebieten, wo es weniger Futter gibt, ist es natürliche Auslese. Die Vögel können ja in fettere Gebiete fliegen. Und da, wo sie zu viel Futter haben ist es ebenso natürliche Auslese, wenn sie nicht mehr so schnell wegfliegen können, wenn Katze oder Marder sie scheucht.
Vögel sollten man nicht mehr als nötig füttern, weil sie sich wie gesagt daran gewöhnen und ihre Kinder das dann auch lernen. Ich habe selbst beobachtet wie Meisen mit ihren Kindern auf unseren Balkon gekommen sind und diese gefüttert haben. Aber was passiert denn, wenn der Besitzer des Balkons nicht mehr da ist und die gewohnte Fütterung nicht mehr eintritt. Die nachkommenden Vögel haben nun keine ordentliche natürliche Nahrungssuche durch Futtersuche auf Wald, Wiesen oder Gräsern gelernt.
Das Ergebnis davon ist, dass die Vögel im schlimmsten Fall wegen fehlendem Futter sterben könnten. Von daher ist es wichtig das Vögel aus der Natur möglichst ihre gewohnten Muster beibehalten und auch weiterhin lernen, wie sie auch außerhalb von Wohngebieten Futter finden. Denn sonst kann auch kein Nachahmungseffekt bei den neuen jungen Vögel entstehen.
Diamante hat geschrieben:@ToniGard: Ich frage mich gerade, warum du die Fragen stellst, wenn du die Antworten nicht akzeptierst und sie auseinandernimmst.
Liebe Diamante, ich nenne so etwas Diskurs oder Diskussion. Die Auseinandersetzung mit der Meinung anderer. Wenn es zu scharfzüngig klang, bitte ich um Entschuldigung. Natürlich will ich wissen, wie das andere sehen, natürlich akzeptiere ich deren Meinung, aber natürlich äußere ich mich dann auch zu deren Ansichten. Vielleicht ändere ich sogar deren Ansichten, weil sie merken, dass sich ihre Argumente nicht halten lassen. Oder ich ändere meine, weil ich unentkräftbare Gegenargumente sehe. Ich weiß, dass speziell du damit manchmal Probleme hast, aber ich denke, das ist völlig normal im argumentativen Austausch.
Diamante hat geschrieben:Wenn man die Vögel auch im Sommer und Herbst füttert, wo die Zugvögel wegfliegen, werden einige Vögel erst gar nicht so schnell wegkommen, weil sie überfressen sind. Das wurde in einem Fernsehbericht ganz deutlich gezeigt und gesagt.
Das wäre ein 'gewichtiges' Argument. Aber von welchen Vogelarten war da die Rede? Und welcher unserer Gäste am Futterhaus gehört dazu? Schau dir bitte nochmal die Liste an. Was gibt es hier überahupt groß an Zugvögeln. Es gibt Schwalben, die interessieren sich nicht für das Futter an den Futtersäulen. Insofern sehe ich nicht, dass dieses Argument treffen würde.
Diamante hat geschrieben:Da du doch selber sagst, dass die Vögel genug bekommen durch Mülleimer, Fußgängerzonen, wo Dinge weggeworfen werden usw. frage ich mich, warum man noch füttern muss. In den Städten ist das Füttern der Tauben sogar verboten, weil sich die Tauben zu sehr vermehren. Warum soll man die Vögel sich zu sehr vermehren lassen, indem man sie füttert?
Füttern müssen wir nicht, das ist klar. Aber die Vorteile hatte ich ja oben genannt. Die mag man anerkennen oder nicht. Ich persönlich finde es gut, wenn man so Zugang zur Natur findet. Um Tauben geht es hier übrigens nicht. Wir haben hier exakt 2 Tauben, das sind Riesenviecher, keine Stadttauben. Die leben hier seit ca. 7 Jahren und interessieren sich nicht für Futtersäulen u. ä. Die fallen jedes Frühjahr über die Beeren an den Bäumen her und danach lassen die sich im Garten nur sehr selten mal blicken.
Ich habe hier gerade das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft vor mir liegen, Heft 4.2010. Darin ist ein Beitrag von Peter Berthold, den kennst du höchstwahrscheinlich, wenn du ihn siehst, zwar ein Fossil, aber man kann ihm nicht vorwerfen, keinen Schimmer zu haben. Er ist Direktor am MPI für Ornithologie und einer der führenden Wissenschaftler der Vogelzugforschung. Er schreibt dort über die Möglichkeiten, das Artensterben in Deutschland zu stoppen. Er hat (mit einer Coautorin) u. a. eine kleine Fibel veröffentlicht, die sich mit dem Thema Ganzjahresfütterung auseinandersetzt und hier ist noch (leider in der Welt) ein Interview mit ihm zu dem Thema. Vielleicht relativiert das ein kleines bisschen deine Ansicht.
@derpunkt
Es geht beim Nachbarn nicht um Dreck oder Tauben. Er sagt auch, dass es im viel Spaß macht, den Vögeln zuzuschauen - das beruhigt und ist manchmal wie Kino, hat jedenfalls was kontemplatives. Bei ihm ist es einfach der (Beiß)Reflex. Für die meisten, mit denen ich über das Thema rede, passt das nicht ins Weltbild, ganzjährig zu füttern. Wir füttern ja auch nicht immer, da hängt auch schonmal ein paar Tage nichts. Die Vögel nutzen es auch nur als Zusatzfutter und kommen im Sommer nie so häufig und in der Anzahl, wie im Winter. Ich habe es ja früher auch so gelernt. Vögel nur im Winter füttern, bis ich in England und Südafrika auf das Thema aufmerksam wurde.
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