"Arbeit macht frei" - ein missbrauchter Satz...
Bei der Sendung "Entweder Broder" besuchten Henryk M. Broder und sein Begleiter Hamed Abdel-Samad unter anderem auch das Konzentrationslager in Dachau. Dort findet sich, ebenso wie im KZ Auschwitz auch, der Satz "Arbeit macht frei". Broder fragte seinen Begleiter, was er von dem Satz an sich halte. Er empfand den Satz selbst als durchaus richtig und nicht schlecht - wenn die Nationalsozialisten ihn nicht missbraucht hätten. Arbeit sorgt für Freiheit - wer arbeitet, erarbeitet sich eine gewisse Unabhängigkeit. Abdel-Samad hingegen war der Meinung, dass nur derjenige, der nicht arbeiten muss, wirklich frei ist.
Wie seht ihr das? Würdet ihr eher Herrn Broder oder eher Herrn Abdel-Samad zustimmen - oder vielleicht keinem von beiden? Oder seid ihr der Meinung, dass dieser Satz durch seine schreckliche Vergangenheit so indiskutabel ist, dass sich solche Überlegungen grundsätzlich verbieten?
Egal wie man es dreht. Mit und ohne Arbeit ist man abhängig. Entweder von Ämtern, weil man Anträge stellen und sich quasi sein Leben vorschreiben lassen muss. Man hat dabei aber nicht mehr Freiheit, sondern nur mehr Freizeit, weil man ja nicht arbeitet.
Arbeitet man, hat man zwar mehr Freiheit, weil man sich bestimmte Dinge nicht mehr vorschreiben lassen muss. Keiner sagt, wie groß die Wohnung sein darf etc. Allerdings ist man dabei auch nicht frei, sondern befindet sich wieder in einer Abhängigkeit.
Eigentlich hat Punktedieb bereits alle wichtigen Punkte genannt, wüsste auch nicht, was ich da groß hinzufügen kann. Aber wenn man den Satz ein wenig anders deutet, macht er ein wenig mehr Sinn. Klar, für Freiheit sorgt er nicht. Aber gehen wir mal nur von der Gedankenwelt aus und vergleichen die Psyche eines Menschen, der arbeitet, und eines arbeitslosen Menschen. Der arbeitslose hat zwar objektiv betrachtet mehr Freizeit, wird diese in den wenigsten Fällen richtig auskosten. Zu Erwarten ist stattdessen ein Zuhause-Rumsitzen, was sich wiederum auf die Psyche niederschlägt. Da kommen einem auch durchaus Fragen, ob man denn überhaupt eine Funktion in dieser Gesellschaft hat, oder ob man gänzlich überlüssig ist.
Und nun zum Vergleich der Arbeitnehmer - er sitzt nicht den ganzen Tag zu Hause rum, fühlt sich (mehr oder weniger) sinnvoll, da er eine Aufgabe verrichtet. Außerdem kommt er plump ausgedrückt - beim Arbeiten nicht auf allzuviele Gedanken, sondern konzentriert sich auf seine Tätigkeit.
Geht man von diesem Vergleich aus, so "befreit" Arbeit schon ein Stückchen. Aber man kann es auch nicht zu hundert Prozent so betrachten, wie ich es geschildert habe, denn das stellt ja nur eine Art Idealfall dar und äußert sich bei jedem Menschen sowieso unterschiedlich.
Dieser Ausspruch ist ja ursprünglich nicht von den Nazis erdacht worden, allerdings haben diese den Satz ja wirklich missbraucht und in einem menschenverachtenden Zusammenhang gebraucht. Prinzipiell ist es aber ein Ausspruch, den man ohne den nationalsozialistischen Hintergrund sicher wesentlich besser diskutieren könnte ohne gleich in irgendeine Ecke gerückt zu werden.
Ich denke schon, dass dieser Ausspruch durchaus zutreffend ist. Allerdings ist es heute doch oft genug so, dass man arbeitet um zu leben und die Arbeit auf Grund verschiedener damit verknüpfter Bedingungen eben gar nicht als Freiheit empfunden wird. Denn man arbeitet doch heute oft genug für den ungeliebten Arbeitgeber, der die Arbeitnehmer nur ausnutzt. Die Arbeit ist in der Regel einfach zu schlecht bezahlt, dauert zu lange, auch wegen langer Wege zur Arbeit und so weiter. Und auch, dass man durch die eigene Arbeit frei(er) in seinen Entscheidungen ist, wenn man denn genug verdient ist wohl wahr.
Allerdings denke ich, dass man wohl auch die Arbeit ohne jegliche Zwänge betrachten muss, wenn man denn den Spruch genauer überprüfen möchte. Denn ich denke, dass Arbeit für die meisten von uns schon wichtig ist. Und die meisten haben sicher auch einen Traum, was sie gern tun würden, wenn sie denn wirklich könnten. Und wenn genau das zutrifft, dann ist man ja gewissermaßen auch frei. Und genau so kann man diesen Spruch natürlich auch zynisch nutzen.
Das der Satz indiskutabel ist würde ich nicht behaupten. Sicherlich kann man nicht verleugnen, dass er in der NS Zeit missbraucht wurde und man verbindet diesen Satz auch immer noch damit, aber deswegen kann man nicht sagen, dass der Satz nicht richtig ist. Generell würde ich eigentlich zustimmen den Arbeit macht meiner Meinung nach wirklich frei. Wer arbeitet, der hat eine gewisse Unabhängigkeit erzielt und der ist nicht auf andere Mitmenschen angewiesen. Man kann sich selbst finanzieren und weiß, dass man für sein Geld was getan hat. Allerdings ist man in dem Fall eben auch nicht frei, weil man schließlich Arbeit hat und an diese ist man gebunden und muss die Anforderungen erfüllen, muss sich dem Arbeitgeber anpassen. Ein Mensch der nicht arbeitet ist vielleicht im dem Sinne weniger frei, weil er dann vom Staat lebt und weiß, dass er für sein Geld nichts getan hat, aber er weiß eben auch, dass für ihn keine Luft mehr nach oben ist, wenn er sich keine Arbeit sucht, denn solange bliebt der Lebensstandart für ihn auch da unten.
Demnach kann man das eigentlich nicht wirklich klar begründen. Arbeit hat den Vorteil, dass man in finanzieller Sicht mehr Freiheit und Möglichkeiten hat und sich Dinge ermöglichen kann, wie Urlaub, Umzüge und einen hohen Lebensstandart, während Arbeitslose diese Vorzüge nicht haben, mit einem niedrigen Lebensstandart vorlieb nehmen müssen, aber zugleich die Freiheit besitzen, ihren Alltag so zu gestalten, wie sie es wollen, weil sie an keine Verpflichtungen gebunden sind. Welches davon nun Freiheit bedeutet, muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden, aber ich persönlich finde, dass die Freiheiten die die Arbeit mit sich bringt, deutlich vorteilhafter sind und dem Begriff der Freiheit eher entsprechen.
Arbeit soll frei machen, so heißt es. Aber warum macht sie frei, wie macht sie frei? Wovon soll sie frei machen? Arbeit macht nicht frei. Sie zwingt uns in einen Prozess, einen Arbeitsprozess, der uns die Zeit raubt, mit der wir Besseres anfangen könnten. Was könnten wir Besseres mit geraubter Zeit anfangen?
Wir könnten mehr für uns tun; wir könnten mehr für andere da sein; wir könnten etwas Kreatives tun; wir könnten versuchen, den nichtmenschlichen Lebewesen zu einem würdigeren, lebenswerteren Dasein zu verhelfen; wir könnten uns einreihen in die Gruppen derer, die für den Frieden arbeiten. Da haben wir es wieder, den Begriff:"arbeiten"! Alles das, was wir tun könnten, artet aus in Arbeit.
Es gibt nur einen Grund, warum wir arbeiten und der heißt: "Geld". Könnten wir ohne Geld leben? Nein, das könnten wir nicht. Wenn uns niemand helfen würde, würden wir verhungern, wir wären obdachlos, wir liefen in Fetzen umher, barfuß - ohne Schuhe - falls wir nicht schon an Entkräftung gestorben wären. Wir brauchen also Geld um leben zu können. Da wir das Geld aber uns verdienen müssen, suchen wir uns Arbeit.
Und diese Arbeit soll uns frei machen? Ja, sie macht uns frei insofern, dass wir bei vernünftiger Bezahlung "frei" sind von Geldsorgen. Aber nur so lange, wie uns niemand diese Arbeit streitig macht; der Chef mit uns zufrieden ist; die Kollegen uns die Arbeit nicht neiden und mobben; die Konjunktur anhält; wir nicht krank - arbeitsunfähig - werden. Wir müssen also laufend aufpassen und kämpfen. Das ist keine Freiheit.
Was machen diejenigen, die es nicht geschafft haben, eine Arbeit zu bekommen? Sind sie ohne Arbeit frei? Nein! Sie bekommen zwar Geld vom Staat oder sonstigen Institutionen, aber das reicht oft nicht. Sie sind ebensowenig frei, wie die Arbeitenden. Sie bemühen sich, eine Arbeit zu finden, um mehr Geld zu erhalten. Sie wissen oft mit ihrer erzwungenen Freizeit nichts anzufangen. Viele - nicht alle - werden träge und lassen sich gehen. Sie arbeiten für einige Cents nebenbei. Ihre negativen Gedanken und Erfahrungen lassen sie nicht frei sein.
So sage ich, dass weder Henryk M. Broder noch Hamed Abdel-Samad Recht haben. In meinen Augen macht Arbeit nicht frei, es scheint nur so. Wenn wir genügend Geld hätten, wären wir auch nicht frei. Dann würde uns der Gedanke um das Geld den Schlaf rauben, denn es könnte was passieren und wir ständen mittellos da.
Arbeit macht kein Bisschen frei. Man ist genötigt sich an die vom Arbeitgeber diktieren Anweisungen zu halten und ist von dem Finanzfluss abhängig der sich daraus ergiebt. Daraus folgt: Man verliert die Freiheit, sich zu entscheiden wann man aufsteht. Man verliert die Freiheit seine Zeit nach seinem Wunsch zu gestalten. Man verliert sogar die Freheit, seine Freizeit nach seinem Wunsch zu gestalten, wenn das die Tagesform am nächsten Arbeitstag reduziert. Und außerdem sieht man, dass die Menschen mit zunehmender Dauer die sie in einem Arbeitsverhältnis stehen, sich stärker mit den gesellschaftlichen Regeln identifizieren und so auch ihre Unabhängigkeit von der Gesellschaft einbüßen.
"Frei" macht eigentlich nur das Geld und die geistige Einstellung, damit auch wirklich das zu tun was man möchte, unabhängig von den gesellschaftlichen Konventionen. In unserer Gesellschaft ist man allerdings gezwungen zu arbeiten oder man zieht die Arschkarte.
Am Freisten ist man also meiner Meinung nach noch, wenn man eine Arbeit findet, die einen erfüllt und fordert, ohne dabei überfordert oder überanstrengend zu sein. Jedoch kann ich mir nicht vorstellen das die Mehrheit der Menschen einen solchen Job hat.
Oder seid ihr der Meinung, dass dieser Satz durch seine schreckliche Vergangenheit so indiskutabel ist, dass sich solche Überlegungen grundsätzlich verbieten
Im Freundeskreis könnte ich mich schon darüber unterhalten, aber ansonsten würde ich diesen Satz nicht in der Öffentlichkeit diskutieren. Aber in Freundeskreis brächte ich auch nicht gerade diesen Satz erwähnen, wenn es um das Thema gehen soll, denn der wirkt auf mich einfach nur negativ, sodass ich es anders umschreiben würde.
Dann müsste ich wissen, ob man nun bei dem Wort "Arbeit" wirklich die wirtschaftliche Definition zugrunde legt, um darüber reden zu können. Generell würde ich aber nicht von Freiheit sprechen, wenn es um Arbeit geht, bzw. das fast gleichsetzen.
Ich bin der Meinung, dass Broder Recht hat. Arbeit macht Frei in dem Sinne, dass einem die Arbeit durch den Lohn den man dafür bekommt, eine gewisse Unabhängigkeit verleiht. Damit kann man reisen und sich zum Beispiel ein neues Leben ermitteln. Außerdem befreit Arbeit meiner Meinung nach auch den Kopf.
Abdel Samad hat aber auch nicht ganz unrecht. Wenn man nicht arbeitet, hat man ja frei, im Sinne von freier Zeit. Also ist man schon irgendwo frei.
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