Unterlassene Hilfeleistung

vom 29.01.2011, 16:50 Uhr

Man hört es immer wieder - Es geschieht ein Unfall, ein Verletzter liegt am Straßenrand oder im Betroffenen Auto und die anderen fahren einfach vorbei. Nur wenige entschließen sich, dem Verletzten zu helfen. Die meisten stehen nur hin und schauen zu. Also ich vermute die meisten haben Angst, etwas falsch zu machen. Aber eigentlich sollten sie wissen was sie tun, denn jeder der Auto fährt hat auch einen Erste Hilfe Kurs belegt und da lernt man ja genau das, was man in einem solchen Fall tun soll. Wenn man einer verletzten Person nicht hilft, kann man ja sogar angezeigt werden wegen unterlassener Hilfeleistung. Ich kann nicht verstehen wie Leute es schaffen, bei einem Unfall einfach weg zu sehen.

Wie denkt ihr darüber? Wieso helfen viele nicht und fahren einfach weiter?

» Max1250 » Beiträge: 827 » Talkpoints: 27,57 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich denke es kommt auch immer ein bisschen auf die Art des Unfalls an. Wenn ich zum Beispiel auf einer Landstraße fahre und ich hinter mir Autofahrer habe und ich einen Unfall sehe (z.B. jemand ist in einen Graben gefahren oder gegen einen Baum), dann würde ich ja schön blöd sein, wenn ich mitten auf der Landstraße mit Tempo 70-100 eine Vollbremsung hinlege. Damit gefährde ich mich, denjenigen der hinter mir fährt und dem Verletzten am Baum oder im Graben ist damit auch nicht geholfen. Wenn ich niemanden hinter mir habe würde ich versuchen irgendwo an den Straßenrand zu fahren, aber am besten auch nicht im Kurvenbereich.

Ich finde man muss auch immer abwägen wie sehr man sich durch solche Fahrmanöver selbst gefährdet. Das heißt allerdings nicht, dass ich nicht helfen würde. Ich würde auf jeden Fall bei der nächstmöglichen Gelegenheit anhalten und auch auf jeden Fall einen Krankenwagen und die Polizei rufen. Nur eben so, dass ich durch mein Fahrverhalten nicht mich und andere zusätzlich gefährde.

Ein weiteres Problem sehe ich bei Autounfällen darin zu helfen, weil oftmals die Personen eingeklemmt sind und nur von der Feuerwehr befreit werden können. Natürlich kann man die Hilfe rufen und versuchen die Person zu beruhigen, falls sie denn überhaupt bei Bewusstsein ist. Da nützt einem der Erste Hilfe Kurs meiner Meinung nach auch nicht viel. Allerdings sollte jeder Mensch den Verstand besitzen einen Rettungswagen, Polizei und gegebenenfalls die Feuerwehr zu rufen.

Bei Unfällen außerhalb des Autos sollte man auch versuchen in dem Maße zu helfen, wie es möglich ist. Das heißt sich und andere auch nicht zusätzlich gefährden. Oftmals kann man leider auch nicht viel für die Person tun. Natürlich kann man sie in die stabile Seitenlage bringen, eine Wärmedecke holen und Wunden stillen. Das ist allerdings auch nur dann möglich, wenn man mit dem Auto unterwegs ist und einen Erste Hilfe Koffer dabei hat. Und ich bezweifle auch, dass jeder Bundesbürger so einen Koffer im Auto hat, auch wenn es Vorschrift ist. Wenn man als Passant unterwegs ist und eine verletzte Person am Straßenrand sieht kann man leider nicht viel mehr tun als sie in die Stabile Seitenlage zu bringen, zu beruhigen und wenn möglich Wunden mit Stoff zu stillen.

Diese ewigen Gaffer bei Unfällen kann ich nicht ausstehen. Ich möchte mal unterstellen, dass mehr als die Hälfte nicht weiß was sie machen soll und es ein paar Dumme gibt, die einfach nur sensationsgeil sind. Die Zahl der Menschen die wirklich hilft und auch weiß was sie tut ist leider zu niedrig. Und auch wenn man nicht weiß wie man helfen kann, dann kann man trotzdem immer Hilfe mit dem Handy rufen und wenn man kein Handy dabei hat andere um Hilfe bitten, oder an der Autobahn zu den Notruftelefonen gehen oder fahren.

Ich weiß auch nicht wie ich mich in so einer Situation verhalten würde, denn ich habe zum Glück noch keine erlebt. Wahrscheinlich steht man auch selbst ein bisschen unter Schock und kann nicht ganz klar denken, aber auch wenn man in dem Moment die erste Hilfe vergisst kann und muss man Hilfe rufen.

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» itsybitsy » Beiträge: 200 » Talkpoints: 26,80 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich kann das von dir angesprochene Verhalten auch nicht verstehen und würde selbst auf jeden Fall anhalten und helfen.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen nicht helfen, sondern einfach wegsehen. Dazu gibt es in der Psychologie ein recht bekanntes Modell, das von Latané und Darley entwickelt wurde, das Prozessmodell der Hilfeleistung. Dieses Modell beschreibt verschiedene Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit eine Person Hilfe leistet:

1. Zunächst einmal muss von der Person überhaupt bemerkt werden, dass etwas passiert ist. Wenn die Person nun aber abgelenkt ist, fährt sie vielleicht einfach so einem Unfall (oder jeden anderen Situation) vorbei.

2. Bemerkt die Person aber, dass irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist, muss sie die vorliegende Situation auch als Notsituation einschätzen. Es könnte doch auch sein, dass die zwei Autos, die am Straßenrand stehen, einfach nur eine kurze Pause machen. Wenn nun mehrere andere Autos auch noch an dem Unfall vorbeifahren, denkt die Person vielleicht, dass es ja nicht so schlimm sein kann, wenn die anderen auch nicht anhalten. Dies nennt man auch pluralistische Ignoranz.

3. Wenn die Person das Ereignis richtig als Notsituation einschätzt, muss sich die Person auch noch für die Hilfeleistung verantwortlich fühlen. Es gibt Studien, die belegen, dass eher Hilfe geleistet wird, wenn man alleine ist, als wenn mehrere Personen anwesend sind. Denn dann denkt derjenige sich vielleicht, dass ja schließlich auch ein anderen helfen könnte. Bei diesem Phänoment spricht man von Verantwortungsdiffusion.

4. Fühlt sich die Person für die Hilfeleistung verantwortlich, muss sie entscheiden, wie zu helfen ist. Dabei kann es sein, dass sie aus Kompetenzmangel trotzdem nicht hilft. Vielleicht weiß sie gar nicht, was überhaupt zu tun ist.

5. Als letzten Punkt gibt es noch die Bewertungsangst. Die Person fühlt sich von den umstehenden Personen beobachtet und hat Angst, etwas falsches zu tun und von den anderen für die Hilfe bewertet zu werden.

Nach Latané und Darley gibt es also fünf Gründe, die dazu führen, dass eine Person nicht hilft: Ablenkung, pluralistische Ignoranz, Verantwortungsdiffusion, Kompetenzmangel und soziale Hemmungen.

Ich bin der Meinung, dass dieses Modell zu großen Teilen in der Praxis auch zutrifft. Viele Personen werden nicht helfen, weil sie nicht wissen, wie sie helfen sollen und Angst haben, etwas falsch zu machen. Sie fragen sich, warum ausgerechnet sie helfen sollen, wenn das doch auch jeder andere machen könnten. Außerdem sind heutzutage so viele in Zeitnot und in Eile, dass es den meisten einfach zu aufwendig wäre, anzuhalten und zu helfen.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Für mich wäre es eine Selbstverständlichkeit zu helfen, wenn ich könnte. Das heißt, ich würde mich nicht selbst gefährden. Ich sehe das so wie itsybitsy. Wobei ich noch sagen muß, dass es darauf ankommt, um welche Art von Unfall es sich handelt. Wie schon oft vorgekommen und auch berichtet wurde, wurden Personen, die helfen wollten und zur Unfallstelle gingen überfallen. In dieser Richtung würde ich mich absichern wollen.

Aber es wäre selbstverständlich, dass ich die Feuerwehr und die Polizei benachrichtigen würde.Ich hätte keine Probleme damit, die neugierigen Menschen, die nur rumstehen und gaffen, um Mithilfe zu bitten. Ich würde diese gezielt einzeln ansprechen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Unterlassene Hilfeleistung kann mehreres bedeuten, wie Du inzwischen weißt. Auch Autofahrer, die einen Kurs im Bereich erste Hilfe abgeleistet haben, wissen zwangsläufig nicht mehr, wie etwas wann zu machen ist. Dafür ist der Kurs zu lang her und wurde nicht mehr aufgefrischt. Man könnte einen Kurs zwecks Auffrischung absolvieren, ja. Aber das müsste dann wirklich regelmäßig geschehen, da man immer wieder etwas vergisst, vor allem, wenn es nicht angewendet wird. Ich wüsste zum Beispiel nichts mehr von dem, was ich damals gelernt habe und somit hätte ich die Befürchtung, mehr Schaden anzurichten, als Hilfe zu leisten. Wobei es eine Hilfe schon wäre, die Polizei zu verständigen und so lang bei dem Verunfallten zu bleiben.

Dann gibt es Unfälle, bei denen man sich selbst in Gefahr bringt, weil die Unfallstelle schlecht von weitem zu sehen ist, die Straße viel befahren ist oder die Wetterlage nicht zulässt. In so einer Situation wüsste ich auch nicht unbedingt, wie ich reagieren sollte und würde wohl weiterfahren und die Polizei verständigen.

Die letzte Erklärung wäre, es stehen bereits einige Menschen am Unfallort und beobachten die Lage. Da geht der allgemeine Autofahrer davon aus, dass auch jemand dabei ist, der hilft und man selbst möchte nicht im Weg stehen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Max1250 hat geschrieben:Aber eigentlich sollten sie wissen was sie tun, denn jeder der Auto fährt hat auch einen Erste Hilfe Kurs belegt und da lernt man ja genau das, was man in einem solchen Fall tun soll. Wenn man einer verletzten Person nicht hilft, kann man ja sogar angezeigt werden wegen unterlassener Hilfeleistung.


Du bist noch jung oder? Wenn ich mir so einen 50jährigen Autofahrer vorstelle, der lediglich den Kurs Lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort (so heißt der Kurs nämlich richtig, Erste Hilfe ist ein viel umfangreicherer Kurs, der keine Pflicht ist) gemacht hat bei seiner Führerscheinprüfung vor über 30 Jahren bezweifle ich doch sehr stark, dass da die Mehrheit noch weiß, was man tun soll. Insgesamt wird dieser Kurs in meinen Augen auch völlig überbewertet. An einem Tag bringt ich niemanden nachhaltig bei, was er da zu tun hat und wie er wirklich helfen kann.

Da müsste man dann wirklich dafür sorgen, dass so ein Kurs regelmäßig besucht werden muss, denn nur dann bringt es was. Man fährt ja nunmal nicht nur 2 oder 3 Jahre Auto und kann an so einen Unfallort kommen, sondern seinen Leben lang, was dann schon mal 70 oder 80 Jahre sein können. Und dann kann man es eben nur, wenn der Kurs entweder nicht lange her ist oder man regelmäßig übt, was zu tun ist. Beides kann man aber mit einer einmaligen Pflichtteilnahme nicht erreichen. Und die wenigsten Autofahrer werden wohl dazu kommen ihr erlerntes Wissen in der Praxis regelmäßig anwenden zu können um nichts zu vergessen.

Im Kurs mag das alles einfach aussehen, aber wenn es dann hart auf hart kommt, dann kann schon eine stabile Seitenlage zum Problem werden oder eine Reanimation. Wie oft drückt man denn nun, wieschnell, wie tief, wie kriegt man in das Unfallopfer auch wirklich genug Luft rein? Sowas muss geübt werden um es dann im Fall der Fälle routiniert abrufen zu können. Und das können eben die wenigsten von sich behaupten und daher wird eben auch viel Angst kommen, dass man nichts falsch machen will. Das hilft zwar dann dem Unfallopfer auch nicht wirklich, weil nichts machen nunmal auch nichts bringt, aber es erklärt eben das zögerliche Verhalten.

Und unterlassene Hilfeleistung muss man auch etwas einschränken. Bei dir hört es sich ja so an, als wenn man zum Opfer rennen muss und da etwas machen muss. Das ist aber so pauschal auch nicht richtig. Helfen muss man, dass stimmt. Aber Hilfe kann ja ganz unterschiedlich ausfallen und nicht jede Person kann die gleiche Hilfe leisten. Und wenn man sich nicht in der Lage sieht aktiv zu helfen, dann ist das durchaus in Ordnung, solange man eben dafür sorgt, dass dann andere Leute helfen und die Profis kommen. Ein Anruf bei der Polizei und den Rettungskräften ist genauso Erste Hilfe. Zwar nur das mindestes was man tun kann, aber damit ist man schon fein raus.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich habe meinen Führerschein nun über 10 Jahre und wenn ich mich jetzt mal an meinen Erste Hilfe Kurs erinnere, ist nicht sehr viel hängen geblieben. Man muss ihn ja nicht auffrischen, zumindest ist mir kein Gesetz bekannt, dass das fordert. Somit werden die meisten Autofahrer nicht mehr Fit sein, was das Erste Hilfe leisten anbelangt und sich in so einer Situation schnell überfordert fühlen.

Ich selbst war noch nie in der Situation, dass ich an einem Unfall vorbei gefahren bin, an dem noch keine Hilfe vor Ort war. Doch wenn ich vorbei fahren würde, würde ich mit dem Handy Hilfe rufen. Auch das zählt schon zur Hilfeleistung, man muss nicht unbedingt stehen bleiben und helfen. Wenn man anderweitig Hilfe holt, ist das auch schon sehr viel.

Ich muss für mich ganz ehrlich sagen, dass ich auch Angst hätte, ich würde etwas falsch machen und dem Verletzten vielleicht mehr schaden als helfen. Natürlich weiß ich, dass man eigentlich nichts falsch machen kann, wenn man sich an ein paar Grundprinzipien hält. Aber wenn ich mir vorstelle, vor mir liegt ein Schwerverletzter und es hängt nun an mir, was mit ihm jetzt geschieht, würde ich sehr in Panik geraten. Man will schließlich niemandem etwas tun und eigentlich nur helfen, doch bin ich eine Hilfe, wenn meine Hände zittern und ich nicht mehr weiß, was ich tun soll?

Ich finde auch, dass es in so einem Kurs immer leichter aussieht als im wahren Leben. Man übt an einer Puppe, da kann nicht viel passieren. Zudem bekommt man gezeigt wie es geht und kann andere dabei beobachten. Zudem macht man einfach das nach, was man vor ein paar Minuten erst gelernt hat. Wenn dann aber die Situation da ist, sieht das ganze schon etwas anders aus. Der Kurs ist dann vielleicht schon Jahre her, man ist nicht geübt in solchen Dingen und man ist vielleicht noch aufgeregt.

Es ist immer einfach, andere zur verurteilen, aber in dem Fall würde ich das nicht so leichtfertig tun. Ich weiß nicht, wie viele vorbei fahren und nichts tun. Es gibt aber sicherlich auch Menschen, die zwar weiter fahren, aber jemanden rufen. Diese helfen auch und das auf ihre Weise. Es ist vollkommen egal wie man hilft, Hauptsache ist doch, dass man hilft. Dazu gehört nicht immer nur das aussteigen und direkt Hand anlegen, sondern auch der rettende Anruf bei den Fachleuten.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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