Leistungsdruck für Kinder am Land und in der Stadt
Nun, das klingt alles sehr nach "Gruppenzwang" oder "anderen nicht den Dreck unter Fingernägel gönnen", man möchte sich übertrumpfen und zeigen, dass das eigene Kind mindestens und noch mehr kann, als das andere Kind. Auch, wenn das Kind angestachelt wird und so vieles möchte, man muss schon als Eltern Grenzen ziehen können und "nein!" sagen. Das Kind wird ja extrem verwöhnt, wenn es alles machen darf, was andere Kinder bereits tun und zu allem die Zustimmung erhält. Bei 1 bis 2 Aktivitäten/ Woche sieht es schon anders aus. Und diese Aktivitäten gibt es durchaus auch auf dem Land.
Regionale Dinge wie Segelschein oder Skifahren, wenn es der Wohnort erlaubt, sind wirklich selbstverständlich. Da gebe ich Dir Recht. Aber dennoch ist die Anzahl der Aktivitäten nicht allein auf das Stadt- oder Landleben zu beziehen. Es wurde ja auch im Thread mehrmals angesprochen, dass man in der Stadt mehr Möglichkeiten existieren, um das Kind zu fördern und zu fordern. Doch in wieweit man das zulässt, bleibt den Eltern überlassen.
Ich habe ja damals auch in einer Einrichtung in einer Großstadt gearbeitet, allerdings waren dort die Kinder mit Migrationshintergrund. Die Kinder da haben, wenn überhaupt, auch nur 1 oder 2 Aktivitäten pro Woche gehabt. Es gab Kinder, bei denen wurden auch die Terminpläne der Kinder extrem eng und mit verschiedenen Aktivitäten vollgestopft. Doch das waren nur Ausnahmen und kamen bei wenigen Kindern vor. Es mag von Stadt zu Stadt, vielleicht auch noch von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich sein, aber ich persönlich habe nur bei sehr wenigen Kindern die Erfahrungen von vollen Terminkalendern gemacht. Mich würde aber auch interessieren, wie die Erfahrungen anderer Kinderbetreuer und die der Eltern sind. Vielleicht sind es ja auch nur bei mir die Ausnahmen gewesen und es ist in der Regel schon so, dass Stadtkinder mehr Beschäftigungen nachgehen.
Dass Kinder in der Stadt oder auf dem Land groß werden, hat nun wirklich nichts damit zu tun, wie sie denn gefördert werden. Es mag vielleicht in der Stadt einfacher sein genügend Angebote zu finden. Die findet man jedoch auch auf dem Land, man muss nur suchen und unter Umständen auch mal auch weitere Wege in Kaufe.
Ich kenne einige Beispiele von Kindern, die zwar auf dem Lande wohnen und trotzdem nach einem Kindergartentag oder einem Schultag mit anschließender Hortbetreuung noch fast täglich auf Achse sind. Das haben dann aber die Eltern irgendwann so eingeführt und die Kinder kennen es eben nicht anders. Klar können die Kinder im Kindergartenalter weniger äußern, was sie wirklich wollen sondern sind da dann doch sehr von den Eltern abhängig. Trotzdem sind ja Kinder auch in späterem Alter sehr von ihrem Umfeld beeinflusst, auch wenn sich das später dann nicht mehr nur auf die Eltern und enge Freunde beschränkt. Und dass die Kinder das gut finden, liegt oft auch an der Anerkennung, die mit der Ausübung des Hobbies einher geht.
Fast jeden Tag eine andere Beschäftigung für das Kind nach der Kinderbetreuung außer Haus empfinde ich auch als zu viel. Dagegen wurde auch in der Kita meiner Kinder viel gewettert, denn die Hauptbeschäftigung der Kinder sei immer noch spielen. Andererseits kann ich schon verstehen, dass man sein Kind möglichst auch noch weiter fördert und ihm bestehende Möglichkeiten zeigt. Mein Kleiner hat auch bei fast zehn Sportvereinen Probestunden genommen, bevor er erst eine Sportart gefunden hat und ein Jahr später durch Zufall eine weitere. Und sicher würde ich ihm auch gern noch andere interessante Hobbies vorstellen. Aber da bremse ich mich dann immer, kann mir aber gut vorstellen, dass das gar nicht so einfach ist. Erst recht, wenn sich das im Bekanntenkreis hoch schaukelt.
Also läuft es doch eher so, das die Kinder schreiben "haben wollen" und die Eltern springen. Klar mag es nervig sein, die Termine alle unter einen Hut zu bekommen. Aber man hat die Kinder dadurch fast ausschliesslich in fremder Betreuung. Sprich man muss sich nicht selbst kümmern und die Erziehung ist fast nicht mehr möglich, weil ein Kind von drei Jahren dann auch ausgepowert ins Bett fällt. Diskussionen über noch auf bleiben wollen, fallen schonmal weg.
Nur mal von einer anderen das ganze zu sehen, bringt ganz neue Aspekte. Neben wir mal an, man gibt bei solchen Wünschen immer nach, weil es eben die anderen ja auch haben. Dann hätte ich bestimmt schon drei Hunde und fünf Katzen hier rumlaufen. Dazu noch mehrere ungenutzte Musikinstrumente und einige Dinge mehr, die mal kurzzeitig interessant waren.
Nur damit sind auch Diskussionen mit den Kindern verbunden. Das Warum erklären, warum man dieses und jenes nicht genehmigt. Warum man keinen Hund anschafft und warum eben keine fünf Arbeitsgemeinschaften besucht werden. Das kostet natürlich Nerven und es bringt die stillen Fragen, ob das Nein wirklich sein musste.
Wenn ich aber meinem Kind alles ermögliche was es sich wünscht, dann hab ich zwar den Zeitaufwand, aber muss nichts erklären, keine Tränen trocknen, weil ich Nein gesagt habe etc. Und in gewisser Weise kann man auch sein Gewissen beruhigen, weil man eh zu wenig Zeit für das eigene Kind hat. Und wenn wir ehrlich sind, ist genau dieses Prozedere in vielen Familien an der Tagesordnung. Man stellt die Kinder über materielle Zuwendung ruhig, weil man nicht genug Zeit hat ihnen die Liebe zu geben, die sie brauchen.
Zuspruch und Trost bekommen sie dann von den jeweiligen Trainern, weil die live dabei sind, wenn etwas nicht so klappt, wie es sein sollte. Das wir damit auch einen Leistungsdruck bei den Kindern aufbauen, erkennen wir meist gar nicht oder zu spät. Dann wundern wir uns allerdings warum Kinder von heute auf morgen alles hinschmeissen und sogar die Schule anfangen zu hassen.
Ich sehe all die Argumente total ein und sehe vieles ja genauso. Ich bin ja auch kein Befürworter von solch vollen Terminkalendern. Wenn diese eine Freundin wo ich am Wochenende zu Besuch war ein Einzelfall in meinem Bekanntenkreis wäre, dann würde ich eben auch sagen, dass sie da zu überengagiert ist oder sich von ihrer Tochter zuviel gefallen lässt und so weiter.
Mir ist aber eben aufgefallen, dass es eben leider kein Einzelfall zu sein scheint. Darum geht es mir in erster Linie. In meinem Freundeskreis sind eben 5 Kinder die in einer Großstadt aufwachsen und alle fünf ohne Ausnahme haben einen derart vollen Terminkalender. Da möchte ich eben hinterfragen, wie es dazu kommen kann. Soweit ich das beurteilen kann sind diese Kinder auch durchwegs gut erzogen und die Eltern sehen in diesen zusätzlichen Kursen nicht eine willkommene Gelegenheit ihre Kinder noch länger los zu werden, sondern sie wollen sie eben bestmöglichst fördern und wollen demnach ihren Kindern all diese Angebote ermöglichen.
Alle diese Eltern haben allerdings schon gemeinsam, dass keiner der Eltern arbeitslos ist und sie in einer guten Mittelschicht leben. Das wäre bei vielen Migranten schon alleine aus finanziellen Gründen wohl nicht möglich, weil all diese Kurse muss man sich ja auch erst einmal leisten können.
Auch am Land gibt es immer wieder Angebote für diverse Aktivitäten für Kinder, das stimmt. Wie gesagt arbeite ich zum Teil auch an einer Volkshochschule und auch dort werden immer wieder diverse Kurse angeboten. Die kommen aber oft auch einfach nicht zustande, eben weil kein wirkliches Interesse vorhanden zu sein scheint.
Ich frage mich deswegen, warum so ein Angebot in einer Stadt scheinbar sehr intensiv genutzt wird und am Land weniger. Ich halte es nämlich weiterhin nicht für reinen Zufall, dass ich da so einen Unterschied zwischen Stadt und Land sehe. Eigentlich kommen alle Eltern aus etwa den gleichen Verhältnissen. Also auch die Eltern die ich am Land kenne, könnten sich durchaus einige Kurse für ihre Kinder leisten. Trotzdem machen sie es hier nicht. Warum? Und warum in der Stadt scheinbar schon und dann auch gleich so intensiv?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Stadtkinder einen volleren Terminkalender haben als Landkinder und zwar aus dem einfachen Grund, dass es in der Stadt weniger Spielmöglichkeiten für Kinder gibt. Kindergartenkinder kann man ja nicht einfach alleine mit der Straßenbahn in den nächsten Park fahren lassen, sondern müsste als Elternteil schon mitgehen. Und selbst die öffentlichen Grünflächen sind ja nicht der ideale Ort für Kinder, wenn man bedenkt, dass die ganze Stadt dort ihre Hunde aufs Klo gehen lässt. Deshalb ziehen viele Eltern vielleicht zum Beispiel den Sportunterricht dem Toben im Freien vor.
Ein weiterer Grund ist vielleicht auch, dass es die Kinder in der Stadt schwerer haben, ihre Freunde zu treffen. Einerseits ist es umständlicher, dort hinzukommen; verglichen mit dem kurzen Fußweg in einem kleinen Dorf. In der Stadt müsste man unter Umständen erstmal ewig durch die Gegend gurken, um die Kinder zu ihren Freunden zu bringen. Und vielleicht erscheint es den Eltern wenig sinnvoll, ihre Kinder dann "nur" in der Wohnung miteinander spielen zu lassen. Deswegen werden lieber gleich "spannendere" Aktivitäten gebucht. Außerdem könnten es die Eltern schwer haben, einen Tag in der Woche zu finden, wo die Freunde ihrer Kinder frei haben und sich mit ihnen treffen können. Deshalb schickt man seine Kinder auch lieber in einen Kurs oder Verein, anstatt sie alleine zu Hause spielen zu lassen.
In kleinen Dörfern auf dem Land ist es noch viel mehr üblich, dass die Kinder nachmittags nach Hause kommen und erstmal frei haben und draußen spielen dürfen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es auch auch dort immer mehr überehrgeizige Eltern gibt, die ihre Kinder ständig irgendwo anders anmelden.
Ich lebe (noch) in einer Kleinstadt und kann deine Beobachtungen teilweise bestätigen. Man sieht hier zwar noch einige Kinder nachmittags draußen spielen, aber ich habe den Eindruck, dass die meisten auch entweder zu viele Termine haben oder aber drinnen spielen. Meine beiden Nachhilfeschüler (die sind allerdings auch schon 11 und 13) haben ihre Terminkalender auch vollgepackt mit Sport, Nachmittagsunterricht und eben Nachhilfe, sodass fast keine Zeit mehr bleibt, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Heute war ich auch bei einer Familie (bei der ich bald babysitten werde) mit einem achtjährigen Kind, das nicht nur tanzt und Geige spielt, sondern auch noch in einen zusätzlichen Englischkurs geht. Die Kleine war um 6 Uhr abends schon total müde. Die Mutter sprach sich aber eigentlich auch gegen diese vollgestopften Terminkalender aus, gab aber zu, dass es überhaupt nicht möglich ist, ihre Tochter zu Freundinnen zu schicken, eben weil die nachmittags auch alle beschäftigt sind.
Dass aber schon Kindergartenkinder in tausend Kurse geschickt werden, habe ich bis jetzt nur im Fernsehen gesehen. Ich dachte immer, dass das nur Einzelfälle sind und die meisten Kinder noch genug Zeit zum Kindsein haben. Daher bin ich jetzt schon schockiert, dass du gleich 5 Kinder kennst, bei denen es wirklich fast so ist wie in dem Film.
Das bestärkt mich nochmal darin, dass ich später unbedingt aufs Land ziehen möchte, wenn ich kleine Kinder habe. Denn mir würde es gar nicht gefallen, wenn mein Kind nachmittags auch im Sommer nicht rausgehen kann und wahrscheinlich nicht mal seine Freunde besuchen kann.
Hallo tournesol, dass Kurse an Volkshochschulen schlechter besucht werden, das gibt es auch im Bereich der Erwachsenenbildung. Das liegt einfach an der geringeren Bevölkerungsdichte auf dem Lande im Vergleich zur Stadt. Das sehe ich ja schon bei meinen Kindern: die Große geht auf eine Grundschule in der Kernstadt die mehrzügig ist, der Kleine geht auf eine einzügige Grundschule in einem Ortsteil. Und immerhin 90 % der Kinder gehen in eine wohnortnahe Schule. Wenn dann auch noch sehr spezielle Themen angeboten werden, dann ist es klar, dass sich auf dem Land weniger Interessenten finden. Und da die Volkshochschulen auch Förderungen bekommen, die aber eine Mindestzahl von Teilnehmern voraussetzen bleibt es bei vielen Kursen eben doch bei der Ankündigung.
Da ich im Kindergarten tätig bin bekomme ich es oft täglich mit, dass Kinder mit zusätzlichen Aktivitäten, für die man sie (wahrscheinlich noch ohne deren eigenen Willen oder Vorschlag) angemolden hat, sehr überfordert sind. Wir haben beispielsweise ein Mädchen, das ist ca. 6 Stunden am Stück bei uns und muss immer, wenn man sie abholt in eine andere Aktivität gehen. Einmal ist es Ballett, einmal Musikschule und einmal Turnen. Ich finde es wirklich extrem, dass die Eltern nicht einmal wahr nehmen, wenn das Kind sagt, dass es keine Lust auf diese Aktivität hat, sondern das einfach nur herunter spielen.
Ich selber hatte zwei Cousins, die ebenfalls die ganze Woche über in Freizeitaktivitäten eingeteilt waren, die sie dann auch als lästige Pflicht empfunden haben. Vom Fußballtraining über Musikschule und Pfadfinder, es wurde nichts ausgelassen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie darüber sehr glücklich waren und außerdem hatte die Mutter von den beiden auch andauernd einen Stress, die beiden Jungs überall herum zu führen und wieder abzuholen.
Prinzipiell habe ich nichts dagegen, dass Englisch während der Kindergartenzeit angeboten wird- es sollte aber dann ein integrierter Teil im Kindergarten selber sein. Es ist ja erwiesen, dass Kinder bis zum Schulalter eine zweite Fremdsprache ohne Akzent- also wie die eigene Muttersprache erlernen können. Allerdings müsste man da wohl schon in der Spielgruppe damit beginnen. Wichtig ist natürlich auch, dass die Kinder, die den Englischunterricht besuchen, erst einmal ihre eigene Muttersprache Deutsch gut beherrschen.
Nicht sehr sinnvoll finde ich es, das Kind nach der Kindergartenzeit, die für viele Kinder doch sehr lang erscheint, auch wenn es sich nur um einen Vormittag handelt, in einen extra Englischkindergarten zu stecken. Es wird dann nämlich sehr oft als Überfoderung seitens des Kindes empfunden und die Kinder können sich dann auch nicht wirklich etwas merken.
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