Ballerspiele: Woher kommt die Lust am Töten?
Ich selber kann nicht viel mit Ballerspielen anfangen. Diese Spiele werden ja immer authentischer und die Animationen unterscheiden sich kaum noch von echten Figuren. Wenn ich Leute dann vor dem Computer oder vor der Konsole sitzen sehe und diese kaum ansprechbar sind, frage ich mich immer, wie das kommt, dass der Mensch so gerne tötet. Was bewegt einen Menschen dazu Menschen tot zu schießen oder zu verletzen? Sicher ist das alles nicht echt, aber irgendwas muss sich der Mensch ja schon dabei denken!
Sind Menschen so blutrünstig, dass sie virtuell das ausleben, was sie im wahren Leben nicht können, weil sie Angst vor der Strafe haben? Ist es eine Art Instinkt beim Menschen zu töten? Warum sind Spielefanatiker nicht ansprechbar, wenn sie dabei sind rumzumetzeln? Ist es wirklich die Lust, einen Menschen zu töten?
Natürlich ist es nicht die Lust am Töten. Die meisten dieser Leute sehen darin einfach nur total spannende Spiele, die die Möglichkeit geben mit anderen zusammen, interaktiv im Team zu kämpfen.
Wer das schonmal auch nur im Ansatz gespielt hat, weiß, wie spannend das ist und welches große Maß an Konzentration man dafür benötigt. Mir persönlich ist das schon fast zu stressig, denn man hat ja wirklich das Gefühl, da lauert überall Gefahr. Das kann ein Brettspiel nicht bieten. Ob der Grad an Realiltät, was die Darstellung des Tötens angeht, noch weiter gehen muss, da habe ich auch so meine Zweifel, das macht die Spiele nicht spannender.
Kinder spielen Räuber und Gendarm und sie spielen Cowboy und Indianer, dabei wird auch geballert und gestorben, was das Zeug hält. Der Wettkampf und das Blut liegen uns offensichtlich schon irgendwie in den Genen. Das heißt aber nicht, dass man deswegen zum Mörder wird.
Der Hauptgrund ist meiner Meinung eigentlich dieses Machtgefühl. Ich kenne das am Beispiel meines Bruders. Dieser ist an sich eigentlich ein sehr stiller Typ, der in der Schule früher sogar gehänselt wurde, weil er eben immer so zurückhaltend war. Irgendwann hat er dann aber auch die Ego Shooter für sich entdeckt und das hat in meiner Meinung nach schon etwas verändert.
An sich kommt es mir eigentlich so vor, als wären diese Ballerspiele ein Ersatz für Sport, bei dem er sich abreagiert. Stattdessen ballert er virtuelle Menschen tot und fühlt sich gut dabei, da er so seinen Frust und seine Wut herauslassen kann. Und nicht zuletzt spielt dabei dann auch das Machtgefühl eine Rolle. War er in der Schule eher das Opfer, ist er nun die Person, die andere zum Opfer macht und fühlt sich dabei stark und mächtig. Andere Spiele können ihm dieses Gefühl nicht vermitteln.
Überhaupt habe ich meistens das Gefühl, dass Menschen, die sich in ihrer Autorität untergraben fühlen oder ihre Stärken nicht ausleben können, von anderen unterschätzt, ignoriert oder sogar gemobbt werden, eher zu diesen Ego Shootern neigen, als andere. Sie gleichen damit also eigentlich ihre innere Balance mehr oder weniger wieder aus, wenn diese im Alltag durcheinander gerät.
Ich selbst habe auch einmal ein solches Ballerspiel gespielt und weiß daher auch, warum man sich dabei so sehr konzentrieren muss. Diese Spiele sind um einiges komplexer aufgebaut, als diese normalen Computerspiele und erfordern daher auch sehr viel Konzentration. Trotzdem konnte ich nicht verstehen, was andere Menschen daran so erfüllend finden, denn mir hat das Spiel schon nach wenigen Minuten so gar keinen Spaß mehr gemacht.
Das hat absolut nichts mit Lust zu töten, unterdrückten Leuten, Machtgefühl oder Ähnlichem zu tun. Und es stimmt auch nicht, dass man total darin versinkt und nicht mehr ansprechbar ist. Das kann bei manchen so sein aber nicht bei allen. Wobei man wieder bei den tollen Verallgemeinerungen wäre. Nicht jeder, der Ballerspiele hat ist ein Choleriker und rastet bei jeder Kleinigkeit aus.
Ich selber zocke auch gerne - unter anderem eben auch Ego-Shooter. Die Story, die man alleine durchspielt, mache ich nur in sehr seltenen Fällen. Als Koop, also noch mit jemanden zusammen, ist das schon interessanter und macht mehr Spaß. Online bevorzuge ich Runden mit Leuten, die ich auch kenne und mit denen man sich per Headset austauschen kann. Da wundert es natürlich auch nicht, dass mein Favorit ganz klar die Lanparties sind. Man sitzt in einem Raum, sieht sich, hört sich, etc. Da entsteht ganz schnell unter fremden Leuten ein Gemeinschafts- bzw Teamgefühl.
Mir geht es nur um den Spaß als Team. Strategien, verteidigen, erobern und als Team gewinnen oder verlieren. Selbst wenn man verliert, verdirbt das einem nicht die Laune. Die Anzahl der erlegten Gegner ist nebensächlich. Und ich kann dir versichern, dass ich in keinen Blutrausch verfallen würde. Ich kann nicht mal auf der Straße geradeaus draufhalten, wenn ich eine Maus vorbeihuschen sehe. Ich kann auch mit Konflikten vernünftig umgehen und hole nicht gleich die Axt raus. Ich lehne körperliche Gewalt ab und würde nie jemanden absichtlich (Notwehr ausgenommen) verletzen. Das ist all der Quatsch, der einem von den Medien eingetrichtert wurde.
Diese "Lust zu töten" wie es hier genannt wird ist meiner Meinung nach eine Entwicklung, die nicht zuletzt durch den Fortschritt entstanden ist. Das Grundprinzip geht doch schon bei "Mensch ärgere dich nicht" los, wo man andere Spieler mehr oder weniger tötet und zur "Wiedergeburt" aufs Startfeld zurückschickt.
Okay, das ist jetzt sehr philosophisch betrachtet, aber grundsätzlich entspricht es in etwa der Frage, warum Menschen sich ständig miteinander messen wollen und Wettbewerbe austragen. Die einen machen das auf höchstem Niveau und in sportlicher Form bei der Olympiade, und andere eben in Form von mittlerweile ziemlich detailgetreuen Nachbildungen von menschlichen Kriegen. Sicherlich spielt dabei auch der Machtfaktor, den Crispin angesprochen hat, eine Rolle. Wenn ich körperlich bei den Wettbewerben anderer nicht mithalten kann, suche ich mir eben eine Disziplin, die mich eher geistig herausfordert, wobei das in diesem Fall wie angesprochen in erster Linie die Konzentration ist.
Ich selbst spiele auch keine Ego-Shooter, aber eine Menge anderer Videogames in denen es entweder ums Prügeln oder auch Töten geht. Ich kann dabei gut meinen Stress abbauen und fühle mich danach "leichter", und das Spiel selbst macht Spaß - wobei ich die Beweggründe von mir auch gar nicht darlegen kann, da ich sie selber nicht kenne.
Und das alle Spielefanatiker nicht ansprechbar seien, während sie spielen, bedient auch eher ein Klischee. Sicherlich gibt es das, ich kenne jedoch keinen solchen Fall persönlich und dem gegenüber eine ganze Menge gegenteiliger Fälle. Ich kann mich mit meinem Freund ziemlich normal unterhalten während er zockt, er schaut mich dabei nur nicht an wie bei einem normalen Gespräch, weil er die Augen eben aufs Spielgeschehen richtet, und das war's.
@Sonty
Es kann vielleicht sein, dass du Ballerspiele aus dem Grund spielst, weil dir das Gruppengefühl gefällt, aber das ist doch dann eher eine Ausnahme oder? Ich habe vom Beispiel meines Bruders geschrieben und die Ballerspiele die dieser spielt, sind keine Gruppenspiele. Da ist nur eine Figur beteiligt, die dann andere Menschen oder Zombies oder so erlegt. Oft genug hört man von ihm Ausrufe wie ''Yeah, schon 2000 Tote'' oder ''und dann habe ich ihm in den Kopf geschossen und dann kam da so 'ne Fontäne raus, echt tolle Grafik!'' und wenn man ihn fragt warum er denn wieder ein neues Spiel bestellt hat: ''das ist einfach geil!''. Mein Bruder ist auch nicht das einzige Beispiel, dass mir einfällt, viele andere Bekannte die Ballerspiele spielen, sind auch so drauf. Und das hat dann meiner Meinung nach definitiv nichts mit Zusammenhaltegefühl zu tun.
Crispin hat geschrieben:@Sonty
Es kann vielleicht sein, dass du Ballerspiele aus dem Grund spielst, weil dir das Gruppengefühl gefällt, aber das ist doch dann eher eine Ausnahme oder?
Die Spiele sind nicht ohne Grund erst ab 18 Jahren. Ein Alter in dem man schon etwas reifer sein und es als das was es ist sehen sollte - ein Spiel und nichts weiter. Ich war früher öfters auf solchen Lanparties und da habe ich nie solche Freaks in den Gruppen gehabt. Auch in meinem Bekanntenkreis ist keiner dabei der je einen Freudentanz aufgeführt hat, weil er einem das Hirn so geil weggeblasen hat. Mit solchen Menschen kann ich nichts anfangen.
Mein Schwager setzt sich nachts auch schon mal an die Konsole und gehört ebenfalls nicht zu so gestörten Menschen. Seine Kinder werden gewaltfrei zu anständigen Persönlichkeiten erzogen. In seinem Job (Fahrlehrer) hat er mit Jugendlichen zu tun und ist, gerade weil er auch in Extremsituationen so eine ruhige und angenehme Art hat, sehr beliebt.
Also mit Töten hat das doch für den Großteil der Spieler nur sehr marginal etwas zu tun. Das ist ein einfaches und billiges Klischee, dass gern von Menschen hervorgebracht wird, die einfach keine Ahnung von diesen Spielen habe und sie meist nur mal irgendwo gesehen haben, aber eben nicht selber gespielt haben.
Zunächst einmal ist ja Ballerspiel nicht gleich Ballerspiel. Natürlich gibt es Spiele, bei denen es nur darum geht einfach alles andere wegzuballern und die dann auch so geartet sind, dass man sich da irgendwo mit einer großen MG hinstellt und wild drauf losballert. Aber so ist eben nur ein geringer Teil der Ballerspiele gestrickt. Oftmals hat man es mit kniffligeren Situationen tu tun. Halbwegs intellegente Gegner, Geiselnahme, große Gruppen von Gegner gegen die man nur vorsichtig und taktisch klug vorgehen kann.
Und schon wird eben in solchen Situationen aus dem scheinbar wilden Geballere eine große taktische Herausforderung, die darauf abzielt möglichst intelligent und gezielt vorzugehen. Und dann geht es beim Headshot nicht darum, dass damit einem grandios das Hirn rausgepustet wird, sondern die Möglichkeit einen Gegner mit wenig Aufwand schnell auszuschalten, weil man sich zügig dem Rest der Gruppe zuwenden muss oder aufpassen muss, dass dieser nicht andere Teammitglieder oer Geiseln töten kann oder einen Alarm auslösen kann. Das scheinbar wahrlose Geballere wird also mehr zu einem Symbol ein kniffliges Rätsel zu lösen und das mit viel Geschicklichkeit zu verbinden. Nur wäre es halt für viele langeweiliger, wenn es jetzt völlig abstrakte Figuren wären, die nur aus Quadraten bestehen. Man hat ja auch an Grafik und Ambiente eine gewisse Anforderung als Spieler um sich in die Situation hineinversetzen zu können.
Es gibt ja auch zahllose Studien dazu, bei denen untersucht wurde wie real solche Spiele für die Spieler überhaupt sind. Und dabei kam eben heraus, dass Computerspieler sowas eben auch als unecht wahrnehmen. Es sieht zwar real aus, aber der Spieler weiß, dass er da nur auf ein digitales Bild schießt, dass animiert ist. Ganz im Gegensatz dazu, wenn man ihnen echte Bilder z.B. aus Kriegsgebieten zeigt, bei denen ganz andere Hirnareale angesprochen werden. Der Spieler sieht es also als eine taktische Herausforderung ein bestimmtes Ziel mit den vorhandenen Mitteln zu erreichen. Nichtspieler dagegen verbinden so wie du, damit eine reale Handlung und können tendentiell her nicht zwischen Realität und Spiel unterscheiden. Genau dieser Punkt wird wohl dazu führen, dass es oft zu sovielen Missverständnissen in Bezug auf solche Ballerspiele kommt.
Und was ist denn zum Beispiel mit Leuten die Angeln gehen oder in der Freizeit mit auf die Jagd oder im Schützenverein sind. Das ist alles viel realer und zum Teil wirklich mit Verletzung anderer verbunden, selbst wenn es nur Tiere sind. Da ist doch die Lust am Töten viel mehr ausgeprägt, als wenn sich jemand vor einen Computer oder eine Spielekonsole setzt. Aber da fragt nie einer danach, ob sie das aus Mordlust tun.
Also ich kann es dir nur aus meiner Sicht beschreiben, aber vielleicht verändert es an einigen Stellen deine Meinung gegebüber den Spielen und Spielern. Also ich persönlich spiele nicht aus Mordlust oder aus dem Gedanken heraus Leute zu töten. Ich spiele es aus taktischer Sicht und wenn man wirklich aus jedem Spiel, denn kleinsten Tropfen Wahrheit herauszieht ist doch Fußball nur Krieg auf anderem Niveau.
Ego-Shooter sind dazu da um mit Taktik und Präzision mal vom lästigen Alltag abzuschalten und vielleicht mal die Wut rauszulassen, die sich am Tag angestaut hat. Ich finde es besser, es an der Konsole zu tun, als am Boxsack zu trainieren, denn da wird es mir schon viel zu real. Die Mordlust ist auch nicht in uns drin, denn es sind eher Affekthandlungen, die uns dazu treiben, als alles Planung.
Du wirst sehen, wenn du mal voll gestresst bist, dass du besser mit einem Ego-Shooter runter kommst, als mit einem Buch, denn mit dem Buch bist du nicht ganz dabei und denkst die ganze Zeit an deine Probleme, aber im Spiel bist du drin und kommst nicht so schnell aus dem Konzept heraus, so das du gemütlich abschalten kannst.
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