Emotionen als Zuschauer bei Film und Fernsehen

vom 23.12.2010, 19:06 Uhr

Ich habe eben meine Serie "Marienhof" geschaut. Sülo ist ja gestorben und hat seinen Sohn zurückgelassen, der dann weggelaufen ist und an den See gelaufen ist, wo er den letzten Tag mit seinem Vater verbracht hat. Er war sehr stark und sagte zu seiner Tante "Du musst nicht weinen". Außerdem meinte er, als er einen Stein fand, der genauso aussah wie der Stein, den er seinem Vater schenkte, dass es ein Zeichen ist und sein Vater nun bei seiner Mutter im Himmel angekommen ist.

Ich habe Rotz und Wasser geheult, weil ich das so ergreifend fand. Aber hinterher habe ich mir gedacht, dass man ja eigentlich genau weiß, dass es nur ein Drehbuch ist. Dass es keine Wirklichkeit ist und dass alles nur ein Spiel ist und das Kind es nur gespielt hat und der Schauspieler gesund und munter ist. Auch bei der Szene, wo er auf dem Sofa saß und einer meinte, dass es so aussah, als wenn er sich nur ausruhte, musste ich schluchzen, weil genauso meine Schwiegermutter starb.

Warum kann man bei Fernsehsendungen und Filmen derartighe Emotionen zeigen, wo man doch genau weiß, dass es nur ein Schauspiel ist und dass nichts wahr ist von dem, was man sieht? Warum muss man da heulen oder geht es nur mir so, dass ich bei Filmen derartige Emotionen zeigen kann?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Es geht nicht nur dir so mit den Emotionen, ich habe das auch manchmal. Gerade wenn ein Film oder eine Serie sehr ergreifend ist, dann kann ich auch mal in Tränen ausbrechen. Ich denke auch, dass das ganz natürlich ist und völlig normal.

Wenn man einen Film schaut, fiebert man mit. Man ist emotional dabei und macht sich vielleicht Sorgen um geliebte Figuren oder bangt auch mal um einen Schauspieler. Wenn dann etwas tragisches geschieht, dann weint man auch. Mir gehen traurige Szenen ans Herz, deshalb weine ich. Aber auch wenn es etwas ist, das mich rührt oder worüber ich mich furchtbar freue, dann kann es auch sein, dass ich anfange zu weinen.

Gleichzeitig geht es aber auch umgekehrt, wenn ich zum Beispiel etwas gruseliges sehe. Dann bekomme ich Angst oder fürchte mich und bin furchtbar schreckhaft. Das ist genau der Umkehrfall, dann weine ich nicht, aber ich kann dann schon mal erschrocken aufschreien.

Sicherlich geht es nicht jedem so mit dem Weinen, aber Frauen sind bestimmt häufiger davon betroffen als Männer. Vielleicht ist es auch so, dass es Frauen eher mal ans Herz geht oder sie sich emotional mitgenommen fühlen von der Szene.

Benutzeravatar

» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Das Phänomen ist schon seit rund 2000 Jahren bekannt. Du bist also kein Einzelfall und es ist auch kein modernes Phänomen. Klar, damals gab es noch kein Fernsehen, aber Aristoteles hat damals eine Theorie über die Funktion des Theaters niedergeschrieben. Es ging dort darum, dass das Theater genau dafür da ist, dass die Zuschauer sich mit den dargestellten Figuren identifizieren und mit ihnen leiden. Laut Theorie von Aristoteles stellt sich durch das Mitleiden mit den Figuren die so genannte "Katharsis" ein. Das ist eine Art Läuterung, nach der es dem Zuschauer, der das Theaterstück (egal ob auf einer realen Bühne oder auf der Fernsehscheibe) besser geht. Oder anders gesagt: So funktioniert das Theater und der Film eben.

Das funktioniert über zwei Wege: Zum einen braucht man die Fähigkeit mitzufühlen mit anderen Personen, ob nun real oder dargestellt. Zum Anderen braucht man eine gewisse Menge Fantasie, um sich in die Situation hinein zu versetzen und mitzuleiden. Die Leute, die nicht gleich losheulen, haben einfach ihre Emotionen und Tränendrüsen besser unter Kontrolle oder haben die Distanz beim Betrachten der Szene gewahrt. Man muss nämlich die Distanz aufgeben, um sich mitreißen zu lassen.

Auch wenn manche Männer das gelegentlich gerne ins Lächerliche ziehen, wenn Frauen im Film weinen, es zeigt eigentlich nur, dass man ein emotionaler und in dieser Hinsicht sozial kompetenter Mensch ist.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich wundere mich, wie jemand beim Sehen einer Seifen-Oper wie "Marienhof" solche Emotionen haben kann. Diese Serie habe ich mal vor einiger Zeit gesehen und fand sie sehr schlecht. Ich sehe mir so etwas nicht mehr an. Das Drehbuch ist schlecht gemacht und drückt nur auf die Tränendrüsen.

Wenn beim Anblick Deiner verstorbenen Schwiegermutter, die wohl sitzend auf dem Sofa eingeschlafen ist, Emotionen hochkommen und Du weinst herzzerreißend, ist das verständlich und völlig normal. Aber wenn Sülo sterben mußte, hat das einen bestimmten Grund, wie ich annehme. Kann es sein, dass er in einer anderen Serie mitspielt? Oder hatte er keine Lust mehr auf diesen an den Haaren herbeigezogenen Quatsch? Es gibt natürlich auch noch andere Gründe, warum er ausgeschieden ist, beziehungsweise sterben mußte. Wer weiß schon, warum.

Echte Tränen sollte man sich aufbewahren für andere Gelegenheiten, wo man sie nicht zurückhalten kann aus Ergreifung, Traurigkeit, Enttäuschung oder dergleichen. Du hast von Deiner verstorbenen Schwiegermutter berichtet. Wir fanden meine Schwester im Mai dieses Jahres auch auf dem Sofa sitzend vor. Sie war eingeschlafen. Das war sehr schlimm und hat uns alle weinen lassen. Da komme ich auch heute noch nicht drüber weg. Und wenn ich daran denke und das Bild von ihr vor mir sehe, steigen mir Tränen in die Augen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Es ist sogar so, dass es eine relativ hohe Intelligenz verlangt, sich in eine Geschichte hineinzufühlen und die dort vermittelten Emotionen selbst zu spüren. Wer als Mann also behauptet noch bei keinem Film geweint zu haben, muss sich fragen, ob er vielleicht an seiner geisten Auffassungsgabe arbeiten sollte.

Ich bin ein Mann und stehe dazu bei vielen (guten) Filmen geweint zu haben, obwohl ich behaupten kann, ein starkes Nervenkostüm zu besitzen. Eigentlich behalte ich auch in anstrengenden Situationen leicht einen kühlen Kopf und kann mich von negativen Situationen sehr gut distanzieren, wenn ich jedoch von einer Geschichte mitgerissen bin, kann ich gar nichts dagegen tun, das Gesehene auf meine eigene Lebensgeschichte zu übertragen oder schlicht Mitleid mit realen Menschen zu haben, denen es so ergeht wie in der erzählten Darstellung.

Besonders überwältigend fand ich den Film "Requiem for a dream", der von der Drogensucht eines Jungen, seiner Mutter und seines Umfeldes handelt. Im Grunde genommen betrifft mich die konkrete Geschichte nicht so sehr, weil ich keine persönliche Bindung zu Drogenkranken habe; ich habe also beim tragischen Ende des Filmes nicht weinen müssen. Aber als ich dann 20 Minuten später beim Essen saß, konnte ich mich plötzlich gar nicht mehr kontrollieren: Ich habe geschluchzt und geweint für die nächsten 2 Stunden und das während des absurdesten Tätigkeiten. Ich hatte einen Anfall nach dem Anfall nur wenn ich mir die Hände gewaschen habe oder weil ich meinen DVD-Schrank gesehen habe. Wahrscheinlich hat mich der Film insofern berührt, dass er mir einfach gezeigt hat, wie gut es mir geht und ich auf einmal eine Wertschätzung meines Umfeldes hatte, die ich nicht einfach so wegstecken konnte.

» Hephaistos » Beiträge: 101 » Talkpoints: 6,53 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich denke es kommt auf vieles an, ob man in den Situationen weinen kann, oder eben nicht. Traurige Szene ist nämlich nicht gleich traurige Szene. Während ich bei wirklich guten Filmen während dramatischen Szenen weinen muss, weil die Schauspieler ihre Emotionen so perfekt an den Zuschauer bringen, kann ich bei anderen Serien (meist aus Deutschland) oft nur den Kopf schütteln und weg schalten. Dabei werden keine Gefühle bei mir geweckt.

Wenn man bei solch traurigen Momenten weinen muss, tut man dies oft, weil man den Charakter gut verstehen kann und in solch einer Situation selbst sehr frustriert wäre. Es hat also auch viel mit Erfahrungen zu tun, die man selbst im Leben gesammelt hat. Auch spielt der eigene Charakter eine wichtige Rolle. Es gibt Menschen, die Gefühle nun einmal schneller an sich heran lassen, als andere. In anderen Worten: sie sind sensibler als andere Menschen.

Benutzeravatar

» VanaVanille » Beiträge: 408 » Talkpoints: 0,12 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich schätze es gehört beim Schauen eines Filmes einfach dazu, dass man sich in gewissem Maße in die Handlung hineinversetzt, denn nur so kann ein Film auch unterhalten. Tut man es nicht, dann würde man doch die ganze Zeit nur auf die Schauspieler, Kulissen und so achten und dass tut man ja meistens auch, wenn es ein Film mit richtig langweiliger Handlung ist. Aber sobald die Geschichte gut ist, versetzt man sich ein Stück mit hinein und fühlt mit. Würde man das nicht tun, würde man einen Horrorfilm doch auch nicht als gruselig empfinden oder nicht über Komödien lachen.

Und eben weil wir uns in die Charaktere und die Situation eines Filmes hineinversetzten, können wir auch weinen, wenn etwas trauriges passiert und uns gruseln oder lachen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir noch nie eine Serie ernsthaft angucken konnte, eben weil ich einfach weiß, dass die Geschichte immer weiter und weiter gehen muss und die Drehbuchautoren dazu gezwungen sind, Leid, Freude und Schicksalsschläge in die Serie hineinzuarbeiten, damit sie den Zuschauern gefällt. Ich gucke mir das an und denke nur, oh, heute muss also X sterben, damit es uns gefällt.

Bei Filmen kann ich um einiges mehr mitfühlen, besonders wenn es sich um Filme nach wahren Begebenheiten handelt. Da weiß man eben einfach, dass es mehr oder weniger genauso mal passiert ist. Bei wirklich gut gemachten Geschichten wie ''Herr der Ringe'' oder ''Abbitte'' kann ich auch weinen, weil einige Filme einfach unglaublich gut und detailliert gemacht sind und man einfach mitfühlt und hofft und bangt. Dabei muss es nicht mal um Menschen gehen, ich kenne viele Leute, die bei ''Findet Nemo'' weinen müssen, weil dieser Film auch sehr gut gemacht ist und einen rührt.

Bei Sachen wie ''Twilight'', den ganzen Vampirserien oder den meisten Spielfilmen um Beziehungskrisen, kann ich kein bisschen weinen oder mitfühlen, weil mich einfach die schlechte Geschichte und oft auch die schlechte Umsetzung und die Schauspieler stören. Es gehört eben einiges dazu, eine wirklich gute Geschichte zu entwickeln und zu verfilmen und wenn das gelingt, dann kann sich der Zuschauer in die Situation hineinversetzten und dann kommt es eben dazu, dass der eine oder andere weint. Natürlich gibt es immer Menschen, die dafür empfänglicher sind, als andere, besonders wenn sie ähnliche Situationen im Leben selbst erlebt haben.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich denke, das kommt ganz auf die schauspielerische Leistung an, wie gut die die Situation glaubhaft machen können, auf die eigene Anfälligkeit - die Weinerlichkeit - und auf die Empathie. Man versetzt sich eben in die Charaktere und ihre momentane Lage und klar, wer das gut kann, der heult auch gerne mit.

Ich heule auch gerne mit bei Dramen oder in traurigen Szenen. Soaps lassen mich hingegen aber völlig kalt. Die erreichen mich durch ihre Übertriebenheit einfach mal gar nicht. Aber zum Beispiel in dem Film "Wenn Träume fliegen lernen" mit Jhonny Depp und Kate Winslet, da muss ich immer an derselben Stelle heulen, egal, wie oft ich den Streifen schon gesehen habe. Einerseits ist es so traurig, dass die Mutter sterben muss, andererseits ist es so schön, wie harmonisch sie doch stirbt. Bei "Dead Man Walking" musste ich auch heftigst weinen an der Stelle, wo sie eine Spritze nach der anderen in diesen Straftäter jagen und alle freuen sich darüber bis auf diese Nonne. Da denke ich immer: wie grausam ist doch die Welt und dann komme ich am Heulen nicht vorbei.

Ich denke, manche Themen erreichen einen auch mehr als andere. Und es ist wohl sehr normal und gar kein schlechtes Zeichen, wenn man mitweint. Tut auch ganz gut, finde ich. Das wirkt mitunter wie ein Ablassventil der eigenen Gefühle, die irgendwo drinnen sind, aber man sie nicht so recht rauslassen kann, weil man nicht so genau weiß, wieso sie überhaupt da sind. Manchmal ist mir grundlos wie weinen, dann denke ich: heul nicht rum, es gibt keinen Grund - dann schaue ich einen traurigen Film und schaffe mir den Grund selbst und zwar so, dass ich die Traurigkeit nicht mitschleppen muss, der Film ist ja irgendwann vorbei.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich muss zugeben, dass ich auch zu der Sorte Mensch gehöre, die sehr oft bei emotionalen Momenten im Fernsehen weinen muss. Ich denke, dass das völlig normal ist und man sich da keine Gedanken machen sollte. Auch wenn man natürlich weiß, dass das meiste nur nach einem Drehbuch geht, gibt es natürlich auch in der Realität solche Situationen. Man versetzt sich einfach total in die Personen und ihre Gefühle hinein, deswegen ist das ganze auch so ergreifend und rührt einen zu Tränen.

Ein anderer Grund ist wahrscheinlich auch noch, dass man einige Situationen auf sich selbst bezieht. Beispielsweise bei einem Tod eines geliebten Menschen oder einer Trennung kann man sich genau vorstellen, wie die Person sich gerade fühlt, da das fast jeder schon selber erlebt hat. Deswegen gehen einem solche Momente nah, auch wenn sie nur gespielt sind.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^