Praktikum beenden (Konsequenzen)

vom 20.12.2010, 19:42 Uhr

Eine Person A hat vor rund 4 Monaten ein freiwilliges Praktikum begonnen, das ursprünglich einen Job zur Folge haben sollte. A bekommt leider seit Studienabschluss vor 1,5 Jahren, Hartz 4 und sucht schon lange nach einem sozialversicherungspflichtigem Job. Das Praktikum war eine große Hoffnung von A und das Amt hatte dem auch zugestimmt damals, da A eine minimale Vergütung von 180 Euro monatlich bekommt dort, die A dann natürlich auf das Hartz 4 angerechnet (also vom Regelsatz abgezogen) werden.

Nun ist A in dem Praktikum aber sehr unglücklich, A muss jeden Tag Überstunden machen, die nicht abgebummelt werden (man lässt A nicht) und auch nicht vergütet werden. A hat locker eine 50 Stunden-Woche und schafft kaum noch Bewerbungen zu schreiben. Nun hat A auch erfahren, dass er keinen Job dort bekommen wird, sein gesetzlicher Urlaub wird ihm auch nicht gewährt. A traut sich nicht zu kündigen, er hat Sorge, dass das Jobcenter ihm dann eine Sperre verpassen kann. A hat vereinzelt davon gehört, dass so etwas möglich sei, selbst bei freiwilligen Praktika. Was kann man A raten? A hatte schon Arbeitgeber B gebeten, eine Kündigung zu schreiben, die A sofort akzeptiert hätte, B will A aber nicht entgegen kommen. Soweit ich weiß will A das Praktikum keinesfalls zu Ende machen, da A dort nichts lernt und ständig nur Hilfsarbeiten ausführt, von der Ausbeute mal ganz abgesehen. Also wie könnte man A helfen bzw. welche Rechte hätte A? Das Praktikum ginge wohl noch etwa 5 Wochen.

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» Yazz » Beiträge: 1325 » Talkpoints: 10,38 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Der erste Schritt, mit dem Arbeitgeber zu reden, wurde ja schon gegangen. Wenn das nicht hilft, ist der nächste Schritt direkt mit der betreuenden Stelle (Jobcenter, Arbeitsagentur) Kontakt aufzunehmen und seine Probleme zu schildern. Vermutlich kann man hier schon, wenn man es richtig beschreibt, auf offene Ohren hoffen.

Dann sollte eine Sperre wenigstens zu vermindern sein und man kann evtl. auch entsprechende Maßnahmen gegen den Betrieb einleiten (z.B. genauere Überwachung der Praktika oder der Betrieb erhält schlicht und einfach keine Praktikanten mehr).

Eine andere Möglichkeit, sofern wirklich schon echte Stresssympotme auftreten, ist der Gang zum Arzt. Hier wird man in der Regel auf offene Ohren stoßen und kann zumindest ein paar Tage Krankschreibung herausholen. Der Arbeitgeber wird vermutlich nicht so besonders begeistert sein und es kann sein, dass man danach noch mehr Druck abbekommt, aber zumindest kann man sich kurzfristig etwas Luft schaffen - auch um weitere Bewerbungen zu schreiben.

Andererseits muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine 50h Woche in vielen Bereichen völlig normal ist und unbezahlte Überstunden keine Seltenheit sind. Somit kann man so etwas auch als Gewöhnung für das spätere Berufsleben sehen.

Solange man nicht gerade massivem Mobbing ausgesetzt ist, sollte man unbedingt lernen auch einige Wochen in einem schlechten Arbeitumfeld klarkommen zu können. In jedem Job wird es solche Stressperioden geben - wenn man darunter schon zusammenbricht wird es schwer, sich im Berufsleben zu halten.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Das mit den 50 Stunden arbeiten in der Woche mag ja sein, ich würde mich aber als Arbeitnehmer entschieden dagegen wehren, wenn so viele Überstunden wöchentlich zu leisten sind, und das nicht in irgendeiner Form vergütet wird. Es kann doch nicht angehen, daß pro Woche 10 Überstunden als die Regel angesehen werden, da müßte der Arbeitgeber doch eine zusätzliche Person einstellen. Wenn dann noch der gesetzlich vorgeschriebene Urlaub nicht gewährt wird, ist das die Krönung. Wenn das, was A erzählt, alles den Tatsachen entspricht, würde ich mich mit dem Arbeitsamt (oder Arbeitsagentur, wie sie sich jetzt nennen) in Verbindung setzen, ich finde nicht, daß man sich das zumuten lassen muß.

Wenn zudem von vornherein klar ist, daß die Maloche nicht mal zum Job führt, sondern man ganz bewußt ausgebeutet wird, dann sollte das auch angesprochen werden. Wenn A bei der Arbeistagentur auf taube Ohren stößt, dann hilft nur der Gang zum Arzt. Diese Arbeitsbedingungen machen auf Dauer krank, es kann zum Beispiel das Burn Out-Syndrom auftreten, das bringt Depressionen mit sich, ist also nicht so einfach auf die leichte Schulter zu nehmen. Meiner Meinung nach besteht hier akuter Handlungsbedarf. Dem Betrieb sollte man mal ganz genau auf die Finger sehen. So kann man teure "vollwertige" Arbeitskräfte sparen, indem man die Praktikanten die Drecksarbeit machen läßt.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich würde die Situation erst einmal schriftlich festhalten. Ich verstehe auch nicht, wie der Arbeitgeber keinen Urlaub genehmigt, wie muss ich mir das hier denn vorstellen? Gibt es einen Arbeitsvertrag? Was sagt dieser denn zum Urlaubsanspruch und der Arbeitszeit?

Dann würde ich dem Jobcenter genau den Sachverhalt schildern (schriftlich) oder aber persönlich, damit es schneller zu einer Entscheidung kommen kann. Ich würde wohl vorher dort anrufen und schon einmal besprechen, worum es mir geht, damit man vielleicht schon einen Termin ausmachen kann, wo dann auch der zuständige Sachbearbeiter, bzw. dessen Chef, auch anwesend sind.

» ygil » Beiträge: 2551 » Talkpoints: 37,52 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



ygil hat geschrieben:Ich verstehe auch nicht, wie der Arbeitgeber keinen Urlaub genehmigt, wie muss ich mir das hier denn vorstellen? Gibt es einen Arbeitsvertrag? Was sagt dieser denn zum Urlaubsanspruch und der Arbeitszeit?

Soweit ich weiß, ist das eine Art Standard Arbeitsvertrag und da steht drin, dass der gesetzliche Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz gewährt wird. Aber wie gesagt, man hat A gesagt, dass ihm als Praktikant der Urlaub nicht zusteht, was natürlich Schwachsinn ist. Denn bei einem freiwilligen Praktikum (das kein Pflichtpraktikum im Rahmen eines Studiums ist) hat ein Praktikant einen ganz normalen Urlaubsanspruch. Aber wenn der Arbeitgeber B den nicht gewähren will, ist das schon mal eine echt blöde Situation. Gegenüber A wurde einfach immer wieder wiederholt, dass er keinen Anspruch hätte, egal was A erwidert hatte. Arbeitgeber B ist felsenfest überzeugt von seiner Ansicht.

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» Yazz » Beiträge: 1325 » Talkpoints: 10,38 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich würde den Arbeitgeber noch mal schriftlich auffordern, sich an die Bestimmungen in deinem Arbeitsvertrag zu halten und um eine schriftliche Stellungnahme bitten.

Wenn er darauf nicht antwortet oder wenn er sich schriftlich stur stellt, würde ich damit zur Arbeitsagentur gehen. Wenn die da nicht gewillt sind zu helfen oder nicht in der Lage sind, dann würde ich mal bei einem Rechtsanwalt anrufen, der auf Arbeitsrecht spezialisiert ist. Irgendwo wirst Du schon einen finden, der Dir auf Basis von Prozesskostenhilfe bzw. Beratungsscheinbasis oder wie das heißt ein Schreiben für deinen Chef verfasst. Wie man als Hartz-4 Empfänger zu juristischer Hilfe und finanzieller Unterstützung dafür kommt, kann dir am Besten der Anwalt sagen.

Entweder der Chef lenkt dann ein, oder Du erhältst die von Dir als gute Alternative gesehene Kündigung. Allerdings solltest Du vorher mit der Arbeitsagentur abklären, was die für mögliche Folgen sehen, damit Du die möglichst schon auf deiner Seite hast. Auch sieht ein abgebrochenes Praktikum im Lebenslauf scheiße aus, auch das Arbeitszeugnis wird mies ausfallen, was Dir bei der künftigen Jobsuche auch nicht grade helfen wird. Das solltest Du bedenken.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich kann mir nicht vorstellen, dass A unter den beschriebenen Umständen arbeiten muss – dass also die Arbeitsagentur eine Sperre verhängen würde wenn A das Arbeitsverhältnis auflösen würde. Um sicher zu gehen könnte A sich zunächst informieren und den zuständigen Sachbearbeiter ansprechen; allerdings verbaut A sich damit einige andere Lösungswege.

Je nach dem wie lange das Praktikum denn nun noch gehen soll und wie sehr A sich durch die Situation belastet fühlt, würde sich da schon mal die von Thaddäus angesprochene Möglichkeit des Arztbesuches ergeben. Dort könnte A schildern unter welchen Umständen er arbeiten muss und wie sehr ihn das belastet. Die Dokumentation des „Leidensweges“ kann später ausschlaggebend für die Weiterzahlung oder eben Sperrung von Geldern der Arbeitsagentur sein. Wobei ich ehrlich gesagt so meine Zweifel habe dass man Hartz IV sperren kann – insbesondere wenn es sich nicht um eine durch die Arbeitsagentur auferlegte sondern um eine freiwillige Praktikumsstelle handelt. Beim „ersten Mal“, also wenn z.B. eine angebotene Arbeitsstelle aus triftigen Gründen ausgeschlagen wird, gibt es meist auch noch keine Sanktionen. Und dass hier triftige Gründe vorliegen muss ja nun jeder einsehen.

Was A natürlich auch tun könnte wäre Dienst nach Vorschrift. Wenn der Vertrag auf 40 Stunden lautet, sollte A nach Erfüllung des Tagespensums nach Hause gehen – egal ob Überstunden angeordnet sind oder nicht. Natürlich sagt sich das leichter als es sich umsetzen lässt, so kann A aber klar Grenzen setzen – und zu verlieren hat A ja auch nichts wenn schon klar ist, dass der in Aussicht gestellte Job nun doch nicht mehr greifbar ist. Wenn es dem Arbeitgeber zu bunt wird, wird er A die Kündigung schreiben. Eine Sanktion seitens der Arbeitsagentur steht meines Erachtens nicht zu erwarten da ja keine wirkliche Verfehlung seitens A vorliegt. Einfach zu Hause bleiben und sich selbst beurlauben wäre dagegen eine schlechte Idee – hier würde es sich um Arbeitsverweigerung handeln und das könnte – falls es so etwas bei Praktika bei Hart IV gibt – eine Sperre oder zumindest Kürzung der Bezüge bedeuten.

Eines ist aber klar: man muss sich nicht alles gefallen lassen. Auch wenn es immer wieder heißt wir wären mitten in der Wirtschaftskrise. Es gibt Gesetze an die sich jeder zu halten hat, auch der Arbeitgeber von A. Diese Ausbeuterei würde ich an A's Stelle schnellstmöglich beenden. Und aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass nicht alle Mitarbeiter der Arbeitsagentur Unmenschen sind – im Gegenteil. Mit Ehrlichkeit und Offenheit kommt man manchmal weiter als man denkt.

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» ichwars » Beiträge: 562 » Talkpoints: 3,76 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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