1984, totale Überwachung, NGD und SIS: Ist es bald soweit?
Biometriepässe sind wir ja fast schon gewohnt, die Vorratsdatenspeicherung ist auch kaum noch ein Thema und die Online Durchsuchung soll es ja vorerst (bis zur technischen Massenumsetzung?) nur für Terroristen geben – jedoch ist das alles Kinderkram im Vergleich zu dem, was gerade das FBI macht. Denn in den USA wird gerade die größte Fahndungsdatenbank der Welt aufgebaut – und jeder darf dabei sein.
Mit Fingerabrücken fängt das ganze an – diese wurden einst nur von Straftätern genommen, doch heutzutage muss diese jeder der in den USA ein Kind adoptieren, den Führerschein haben oder für eine Behörde arbeiten möchte, ja selbst Menschen die nur einen Pass oder ein Visum beantragen, abgeben. Das FBI sammelt schon seit geraumer Zeit diese in einheitlichen Datenbanken um sie nun in einer einzigen großen Zusammenzuführen. Bislang sind knapp 20 % der US Bevölkerung so erfasst worden, mehr als 55 Millionen Datensätze hat man bereits. Und nicht nur die von US Amerikanern sind dabei, sondern auch von allen, die in die USA einreisen wollen. Momentan steigt der Datenbestand minütlich und konstant weiter an und er wird auch genutzt: Laut offiziellen Statistiken greifen US Behörden knapp 100.000 Mal am Tag darauf zu und die Ergebnisse werden in wenigen Sekunden ausgespuckt.
Das ganze nenn sicht NGD, die Next Generation Database – und Fingerabdrücke sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Knapp eine Milliarde Dollar will man in diese Datenbank investieren um auch weitere Daten wie Handabdrücke, Iris Scans, DNA Proben, Bewegungsmuster oder Gesichtsmuster mit aufzunehmen. Anhand dieser Daten will man „Verbrecher“ die man sucht, noch schneller identifizieren und aufspüren können, schön unter dem Motto „Kampf gegen Kriminalität und Terror“ und „Mehr Sicherheit“. Außerdem soll es den US Amerikanern und Reisewilligen das Leben deutlich angenehmer machen, man ist ja schließlich auch darum besorgt, denn so müsste man bei einer Kontrolle am Flughafen nicht mehr ewig abgefertigt werden, sondern es würde laut FBI ein Scan der Iris per Kamera aus bis zu 5 Metern Entfernung reichen – außer man legt ein besonderes Bewegungsmuster an den Tag, dann kann man auch zur Seite gebeten werden, also sollte man auch auf seine Schritte und sein Gehverhalten achten.
Dass man in den USA um die Sicherheit aller Nationen besorgt ist, ist auch klar, denn das FBI will diese Daten nicht nur US Behörden zur Verfügung stellen, sondern auch anderen Nationen – auch wenn diese, bzw. vielleicht gerade deswegen, diese Daten im eigenen Land gar nicht sammeln dürften.
Und jeder darf mitmachen beim Datensammeln, denn laut FBI willen sollen sich auf Arbeitgeber daran beteiligen dürfen. Bisher konnten dem FBI Daten von Bewerbern zur Überprüfung übermittelt werden, ein Service der in den paranoiden USA aus Angst vor Terrorgefahr und Kriminellen immer beliebter wurde. Diese wurden bislang nach der Überprüfung vernichtet, nun sollen sie ein Teil der NGD werden – natürlich wäscht eine Hand die andere und Arbeitgeber sollen dafür im Gegenzug darüber benachrichtigt werden, falls z. B. einer ihrer Mitarbeiter „auffällig“ oder straffällig wurde. Wunderbares Utopia oder – und schon fast Wirklichkeit.
Wer meint, „Zum Glück bin ich kein Ami oder fahr dort hin!“ der hat sich auch zu früh gefreut, denn das FBI spickelt schon nach der SIS, dem Datenbestand des Schengener Informations- und Fahndungssystem, welche von Mitgliedern genutzt werden darf. Bislang dürfen darauf nur über spezielle Schnittstellen Partner zugreifen, doch Deutschland gibt sich alle Mühe, dass diese erweitert werden, denn Innenminister Schäuble forciert derzeit eine verbesserte Zusammenarbeit der europäischen Behörden, damit man eine ähnliche Datenbank wie das FBI auch in der EU hat, welche die grenzüberschreitende Fahndung per Datenzugriff erleichtern soll.
„Hm, was hat das nun mit dem FBI und mir zu tun?“ – ganz einfach: Bislang ist nicht geregelt, was an Daten in die USA fließen darf und welche Daten von dort angefordert (NGD) werden dürfen. Zwar gibt es darüber Verhandlungen seitens des FBI bzw. den USA mit der EU, jedoch auch mit einzelnen EU Staaten, die die SIS nutzen dürfen. Zwar entschied das EU Parlament dagegen dass man US Behörden Gen Daten von EU Bürgern zugänglich macht, jedoch Arbeiten die Innenminister der EU Staaten fleißig an einer Zusammenführung der Daten und Datenbanken und Innenminister Schäuble dachte noch im Januar 2007 daran, in deutsch-amerikanischen Verhandlungen einen Zugang zu den jeweiligen Gen Datenbanken zu ermöglichen. Will die EU also nicht, sucht man sich einen willigen EU Staat, der Tür und Tor öffnet – kann man die Burg nicht direkt stürmen, besorgt man sich also einen Verbündeten darin, der das Tor aufmacht. Wer jetzt Deutschland als Buhmann sieht, weit gefehlt: Auch Österreich wollte mit ins Boot, erst im Oktober 2007 vereinbarte der österreichische Innenminister Günther Platter in Washington eine gemeinsame Arbeitsgruppe, welche Modalitäten zum Datenaustausch erarbeiten sollte, was den USA einen Zugriff auf die SIS und die Daten anderer EU Staaten bzw. Deutschland ermöglichen würde, denn Österreich und Deutschland glichen ihre Gen Datenbanken bereits 2006 ab.
Das ganze ist dann also gut und gerne eine Tauschbörse für internationale Fahnder und so kommt man an Daten über Umwege und Schnittstellen heran, was so, siehe Entscheidung des EU Parlaments, gar nicht möglich gewesen wäre. Und nicht nur auf die Ösis wütend sein und Herrn Schäuble der damit unterging – denn die Briten sind ebenfalls an einem „free flow of information“ mit den USA interessiert. So gesehen ist die SIS eine Burg wo jeder drängelt, als erster das Törchen aufmachen zu dürfen und nicht nur ein einsamer „Verbündeter“. Und Großbritannien ist als Partner momentan auch attraktiver als Österreich, da die USA, die Briten, Neuseeland, Kanada und Australien einen gemeinsamen technischen Standard zum Austausch von Daten benutzen, was fast schon Tradition ist, und nicht erst seit gestern: so betrieb man auch gemeinsam Echelon und die Briten waren sogar so höflich, die Amerikaner dieses System zur Industriespionage in Europa nutzen zu lassen.
Zwar ist noch nicht alles Realität und teilweise noch Zukunftsmusik – die automatische Gesichtserkennung versagt so z. B. derzeit noch in 40 % aller Fälle bei gutem Licht, und bei schlechten Verhältnissen in 80 – 90% aller Fälle, laut einer Studie deutscher Polizeibehörden im Zeitraum 10/2006 – 01/2007 – jedoch wissen wir ja alle, wie schnell die Technik voranschreitet und das Dinge die gestern noch undenkbar waren heute schon möglich sind…
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