Keinen Schmerz spüren

vom 18.12.2010, 23:23 Uhr

Als ich noch in der Schule war, hatte ich ein Mädchen in der Klasse, was im Unterricht auf einmal umgekippt ist. Sie hatte hohes Fieber aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Sie kam ins Krankenhaus und dort wurde ein Blinddarmdurchbruch festgestellt. Sie hätte eigentlich sehr starke Schmerzen haben müssen. Damals war das Mädchen 8 Jahre alt. Sie war mit mir in der Grundschule.

Ich hatte später dann wieder Kontakt zu ihr, als wir im Jugendalter waren und ich habe mich dann noch einmal mit ihr über dieses Ereignis unterhalten und sie meint, dass sie unheimlich aufpassen muss, weil sie keine Schmerzen empfinden kann. Das ist erst im Alter von 8 Jahren rausgekommen. Die Eltern haben sich zwar immer gewundert, dass sie nie weinte, wenn sie hingefallen ist, aber später wurde auch festgestellt, dass sie 2 mal ihre Hand gebrochen hatte und sie alleine wieder zusammengewachsen ist. Sie hat eine chronische Entzündung im Ellbogen, weil man nie festgestellt hat, dass sie einen Tennisarm hat. Sie hat etliche Blessuren gehabt, die erst spät festgestellt wurden, als man sie von Kopf bis Fuß untersuchte.

Das Mädchen konnte niemals Schmerzen so empfinden, wie ein normaler Mensch es spürt. Sie merkt nicht, wenn sie sich verbrennt und hat deswegen auch etliche Brandnarben am Arm und an der Hand vom Kochen. Sie merkt nur wenn sie sich mit dem Messer schneidet, wenn das Schneidebrett vollblutet. Sie merkt nicht, wenn sie eigentlich Kopfschmerzen hat. Sie würde auch nicht merken, wenn sie Herzschmerzen bekommt. Schmerzen warenen ja den Körper und zeigen, dass was nicht mit ihm stimmt und sie kann das niemals merken, wenn mit ihrem Körper was nicht stimmt.

Ich habe jetzt schon sehr lange keinen Kontakt mit ihr gehabt und weiß nicht, ob sie diese "Krankheit" immer noch hat. Ich musste heute nur daran denken, als ich einen blauen Fleck bei mir entdeckte und ich mich nicht erinnern kann, dass ich mich gestoßen habe. Gibt es eigentlich viele Leute, die keinen Schmerz empfinden können? Wie kommt sowas und gibt es mittlerweile irgendwelche Mittel dagegen? Dass es lebensgefährlich sein kann, habe ich ja im Fall meiner damaligen Klassenkameradin gesehen. Wie nennt sich diese Krankheit?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das ist wirklich heftig und von so einem Fall habe ich noch nie gehört. Ich habe gerade ein wenig gegoogelt, weil es mich eben auch interessiert hat, ob mehrere Menschen davon betroffen sind und so weiter. Scheinbar gibt es nur sehr wenige Leute, die weder Schmerz noch Kälte und so weiter spüren können. Für Deutschland habe ich keine Statistik gefunden, aber in den USA soll es ledigllich 35 Fälle geben und in Japan 67.

Es ist also wirklich selten, zumindest, wenn man da so gar nichts spürt. Die Krankheit dürfte CIPA oder "Congenital Insensitivity of Pain with Anhidrosis" heißen. Ist natürlich nur eine Vermutung von mir, aber zumindest würde deine Beschreibung auf diese Krankheit passen.

Kann denn deine Bekannte Berührungen oder dergleichen empfinden? Das ist zwar kein Schmerz, aber doch eine Art Vorstufe oder? Also eine Berührung tut nun zwar nicht weh, aber wenn man eine schmerzhafte Berührung nicht spürt, wird man denke ich auch keine leichte spüren. Das müssten doch die gleichen Nerven sein, oder?

Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, dass das Leben mit dieser Krankheit sehr schwer ist. Ob sie heilbar ist, konnte ich nirgends finden, aber wenn es ein Gendefekt ist, fürchte ich, dass da die Chancen gering sind. Da es scheinbar auch nur so wenig Fälle gibt, wird es auch dementsprechend wenig Forschung dahinter geben.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Berührungen kann sie spüren. Wenn man sie angetippt hat, hat sie sich auch umgedreht. Ich weiß wie gesagt nicht, wie es mittlerweile mit ihr ist, aber damals konnte sie diese Berührungen wahrnehmen. Schmerz hat sie nicht als Schmerz gespürt, sondern als eine kleine Berührung und sie meinte auch, dass sie, wenn sie sich heftig gestoßen hat es eher ein Gefühl war, als wenn man sie nur antippt. Die Verbrennungen, die sie hatte hat sie erst als "kitzeln" verspürt, wenn sie diese auch gesehen hat. Wahrscheinlich hat das Auge diese Empfindung irgendwie übernommen.

Ich kann mir so ein Leben überhaupt nicht vorstellen und mich würde ja mal interessieren, ob so eine "Krankheit" auch irgendwann mal auswächst, also dass sie irgendwann nicht mehr da ist oder vielleicht sogar noch schlimmer wird. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es dann ist, wenn diese Frau ein Baby bekommt und sie keine Wehen verspürt. Das Signal, dass das Baby kommen will fehlt ja völlig.

Dass es nur wenige Fälle gibt, hat meine damalige Klassenkameradin mir damals schon gesagt. Deswegen wissen die Ärzte hier in Deutschland auch nicht viel darüber und in Düsseldorf in der Uniklinik war sie eine Art Versuchskaninchen. Sie wurde von jedem Studenten "bewundert" und untersucht.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ja stimmt, das mit einer Geburt kann ich mir auch nicht vorstellen. Wird denke ich auf normalem Weg auch gar nicht so einfach gehen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie am Ende viel Zeit im Spital verbringen wird müssen um regelmäßige Wehenmessungen zu machen. Vielleicht lernt sie aber auch mit der Zeit ihre Empfindungen zu deuten. Also damit meine ich, dass bei ihr eben die Alarmglocken läuten wenn sie eben ein Kribbeln empfindet. Also vielleicht hat sie gelernt Kribbeln mit Verbrennungen in Verbindung zu setzen.

Dass die Ärzte am Ende ihres Lateins waren kann ich mir gut vorstellen. Ist ja auch klar, dass sie eine Art Versuchskaninchen ist, wenn es nur sehr wenig Fälle davon gibt. Ich selber habe wahrscheinlich von Geburt an keinen Geruchssinn. Das kommt aber gar nicht so extrem selten vor. Trotzdem standen Ärzte selbst da mehr oder weniger vor einem Rätsel und wussten nicht wirklich weiter.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Von dieser Krankheit habe ich auch schon öfter mal gehört. Dabei handelt es sich um einen Gendefekt, der nicht einfach so verschwindet, sondern um eine Krankheit, die man ein Leben lang hat.

Die Krankheit ist auf jeden Fall extrem gefährlich, da die betroffenen Personen Verletzungen halt nicht spüren. Die Betroffenen könnten zum Beispiel die Hand in kochend heißes Wasser halten, ohne Schmerzen zu empfinden. Und sie würden vermutlich denken, es handelt sich um lauwarmes Wasser. Wenn da nicht die anderen Sinne mitspielen, kann es lebensgefährlich werden. Nach jeder kleinsten Verletzung, nach jedem Sturz sollte deshalb eine genaue Untersuchung stattfinden, da durchaus schwerwiegendere Verletzungen vorliegen können.

Natürlich scheint es im ersten Augenblick schön, keine Schmerzen zu haben, denn wer hat schon gerne Schmerzen. Aber ein Leben mit dieser Krankheit stelle ich mir wirklich nicht schön vor.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Gehört habe ich schon von solcher Krankheit, obwohl sie wirklich extrem selten ist. Ich stelle mir das auch sehr gefährlich vor keinen Schmerz zu empfinden und erst etwas zu bemerken wenn es zu spät ist. Übrigens berichten Schlaganfallpatienten von dem gleichen Phänomenen, allerdings betrifft es nur die Unempfindlichkeit der betroffenen Körperhälfte und solche Dinge wie Fieber werden trotzdem bemerkt.

Vielleicht können Erwachsene damit auf Grund ihrer Erfahrungen auch besser umgehen und sie sind auch in der Lage im Vorfeld ihre Krankheiten zu erkennen, Fieber könnte man beispielsweise auch anhand der Schweißausbrüche feststellen. Bei Kindern stelle ich mir das jedenfalls unheimlich kompliziert vor, sie müssten also ständig unter Aufsicht sein bis sie alt genug sind um zu verstehen was man ihnen sagen möchte. Wie soll man einem Dreijährigen erklären dass der Ofen heiß ist wenn er nicht weiß was das Wort bedeutet.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ja, genau das ist das Problem. Die Kinder können nicht aus Schmerzen lernen wie andere Kinder. Wenn ein "normales" Kind aus Versehen auf eine heiße Herdplatte fasst oder eine heiße Glühbirne berührt, wird es ab sofort besonders darauf achten, dass das nicht wieder passiert. Ein Kind ohne Schmerzempfinden muss hingegen ständig beaufsichtigt werden, da es selbst schließlich nicht merkt und nicht weiß, dass etwas heiß ist und wehtut.

Man kann dem Kind zwar sagen, dass es dieses oder jenes nicht tun soll, aber es wird das nicht wirklich verstehen, da es die Folgen ja nicht spürt.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich habe auch schon von dieser Krankheit gehört und habe auch selbst einen Betroffenen in meinem Familienkreis. Meine Tante hat vor einigen Jahren neu geheiratet und der Bruder des Mannes, ist selbst von dieser Krankheit betroffen, die sich übrigens CIPA nennt, wie tournesol bereits andeutete. Allerdings wurde es bei ihm schon sehr viel früher bemerkt, die Krankheit wurde schon im Babyalter entdeckt, weil er sich einmal von einem Kinderstuhl hat fallen lassen und dann einfach munter weiter krabbeln wollte, was bei seinen Eltern natürlich schon zu Verwirrung geführt hat.

Da ich ihn nicht gut kenne, hatte ich noch nicht die Gelegenheit, mich wirklich mit ihm zu Unterhalten, was ich aber unheimlich gerne mal tun würde. Erfahren habe ich allerdings, dass sich die Krankheit nicht nur in Schmerzlosigkeit äußert, sondern dass er auch kein Empfinden für heiß oder kalt hat, so dass es schon mal vorkommt, dass er an einem eisigen Tag mit Sweatshirt rausgeht oder sogar mit T-Shirt. Ich stelle mir das Leben mit einer solchen Krankheit auch schrecklich vor, eben weil man die Gefahren im Leben auch nicht erkennt und dadurch doch auch irgendwie abgehärteter ist, als andere. Ich habe mir eigentlich auch vorgestellt, dass solche Menschen im Umgang mit anderen gröber seien, eben weil sie nicht verstehen können, was diese Schmerzen sind, die andere empfinden, aber das ist bei meinem Verwandten keineswegs der Fall.

Ich denke aber, dass die Krankheit auch durchaus positive Seiten haben kann, denn hat man einmal gelernt, was gefährlich ist und was nicht und sorgen mit regelmäßigen Arztkontrollen vor, kann man sich auch einigermaßen gut schützen und ich kann mir auch gut vorstellen, dass solche Personen wagemutiger durchs Leben gehen, als andere und sich mehr trauen. Für uns ist das schrecklich, weil wir eben wissen, was Schmerz bedeutet, aber wenn diese Menschen sich weh tun, dann ist das wie, wenn etwas ''kaputt'' wäre, was eben wieder heilt und für sie ist das nicht schlimm, auch wenn sie öfters Gefahren übersehen.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Im Kleinkindalter erkennt man die Krankheit besonders daran, dass die Kinder dazu neigen sich die Lippen zu zerbeißen (also an den zurückbleibenden Narben). Die fehlende Wahrnehmung von Überhitzung und Unterkühlung ist natürlich ein großes Problem. Wenn Dr. House recht hat, dann werden CIPA - Patienten auch nicht fühlen können wann sie auf Toilette müssen, und müssen sich dann halt regelmäßig zur Toilette bewegen.

Schmerzfreiheit bei kleineren Verletzungen ist sicher als schlecht einzuschätzen, denn so fehlt der Lerneffekt. Bei größeren Verletzungen halte ich es aber für sinnvoll: Es bringt schließlich auch nichts Höllenschmerzen zu haben wenn einem eine Metallstange durchs Schienenbein geht :D Führt eher dazu das mans ich mehr bewegt und dadurch dann noch mehr verletzt. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass die Betroffenen schwere Verletzungen auf jeden Fall bemerken müssen. Im Krankenhaus kann man zumindest auf das Risiko einer Totalanästhesie verzichten.

Ist jedenfalls schon ne miese Krankheit, aber mal ehrlich? Gibt wirklich weit Schlimmeres als keine Schmerzen zu haben. Ist auf jeden Fall besser als Jemand der wegen dauerhaften Schmerzen behandelt werden muss.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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