Angst vor Menschen

Meine Frau macht mir in letzter Zeit sehr große Sorgen. Schon immer wollte sie nicht gerne Ausgehen, doch in den letzten Monaten kapselt sie sich völlig von der Außenwelt ab. Ihre beste Freundin hat nun das Gespräch mit mir gesucht und meinte sie hat den Eindruck, dass meine Frau Angst vor Menschen hätte.

Nun beobachte ich schon seit einiger Zeit etwas genauer und denke wirklich, dass meine Frau Angst hat. Einzelne Personen sind kein Problem, aber in Gruppen und bei Veranstaltungen wirkt sie gequält und bekommt zum Teil sogar Atemnot. Hat jemand schon Erfahrung mit solchen Ängsten gemacht und wie kann ich meiner Frau dabei helfen?

Hallo!

Ich würde einen Arzt zu Rate ziehen, der entsprechend ausgebildet ist. Doch wenn deine Frau das nicht möchte, kannst du auch so versuchen, ihr zu helfen. Man begegnet Ängsten ja am Besten damit, dass man sich in die entsprechende Situation begibt und dann feststellt, dass das gar nicht schlimm ist.

Du musst ihr also nur die Menschen nahe bringen. Dazu würde ich anfangen, dass du sie mal beim Einkaufen begleitest und schaust, wie sie da reagierst, vielleicht lässt du sie zunächst mal an einem leeren Tag im Supermarkt einkaufen, später an einem Samstagvormittag. Als nächstes würde ich dann eine Shoppingtour in einem Kaufhaus vorschlagen und mich so immer weiter vorantasten.

LG!

Ich kenne das von mir selbst auch. Ich habe Phasen in meinem Leben, da hasse ich es über alles, unter Menschen zu gehen. Enge Freunde sind da völlig in Ordnung, aber wenn ich schon zu einem Geburtstag muss, wo es dann von unbekannten Menschen nur so wimmelt, dann habe ich auch keine Lust mehr. Ich habe immer das Gefühl, der ganze Raum würde vor lauter Menschen nur so stinken und wenn dann jemand mit mir diesen langweiligen Smalltalk anfangen bin, dann bin ich einfach nur angeödet und empfinde das ganze als sinnlose Zeitverschwendung. Wenn es sich dann auch noch um diese Art von Party handelt, wo alle nur darauf aus sind möglichst viel, innerhalb von kürzester Zeit zu saufen, kann man mich von der Gästeliste streichen.

Ich denke das Verhalten deiner Frau ist eigentlich nicht ungewöhnlich, was mir aber doch etwas sorgen machen würde, ist dass sie Atemnot bekommt, wenn sie unter Menschen ist. Da sollte man doch vielleicht besser einen Arzt aufsuchen und mal nachforschen. Womöglich ist es aber auch nur sowas wie Klaustrophobie. Ich muss dazu aber wirklich sagen, dass ich niemanden zwingen würde, sich größeren Menschenmengen anzuschließen, wenn dieser dies scheut. Eine panische Angst sollte natürlich therapiert werden, aber wenn jemand sich unter Menschen einfach nicht wohl fühlt, dann sollte man das akzeptieren. Andere Menschen glauben nämlich, sie müssten die betroffene Person um jeden Preis dazu zwingen, unter Menschen zu gehen, weil sie meinen, sie würde sich dann daran gewöhnen. Dass das aber nicht so ist, kann ich nur bestätigen und ich finde man muss nicht immer so gesellschaftsfreudig sein, auch wenn andere das nicht nachvollziehen können.

Hast Du schon mal mit Deiner Frau darüber gesprochen und sie gefragt, was genau sie bei großen Menschenmengen bedrückt? Gab es vielleicht in den letzten Monaten eine Situation, die der Auslöser für den „verschärften“ Rückzug sein könnte?

Deine doch recht kurze Erklärung hat mich sofort an mich selbst erinnert – ich habe Platzangst. Wenn ich in einer Gruppe von Menschen stehe kann es schon mal vorkommen, dass ich mich plötzlich unwohl fühle. Je mehr Menschen um mich herum sind, umso schlimmer wird es. Auf Dorf- oder Stadtfesten und auch bei Festivals mit immensen Menschenmengen durch die ich mich durchkämpfen muss, bleibt mir ab und an die Luft weg und wenn es arg eng wird gerate ich auch schon mal in Panik. Ich habe dann das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen obwohl mir ja nicht wirklich Gefahr droht. Platzangst muss sich nicht immer nur in engen und geschlossenen Räumen zeigen; auch unter freiem Himmel aber mit einem Haufen Menschen kann man diese Beklemmungen bekommen – und je nach Ausgeprägtheit auch mit Atemnot und Ängsten reagieren. Könnte es Deiner Frau ähnlich gehen?

Was mir eigentlich immer hilft ist die nähe meines Partners. Er kennt meine Ängste und hat immer ein wachsames Auge auf mich. Wenn er merkt, dass es mir zu viel wird – und das sieht man mir offensichtlich sehr gut an – hält er meine Hand etwas fester als sonst, legt schützend einen Arm um mich und bugsiert mich sanft aber bestimmt aus dem Pulk heraus. Ein Fleckchen, wo es nicht ganz so eng ist, findet sich eigentlich immer. Auch wenn man manchmal etwas suchen muss. Er spricht dann auch mit mir, flüstert mir ins Ohr das ich es gleich geschafft habe. Mich beruhigt das ungemein weil ich im nahezu blind vertraue und weiß, dass er mich „rettet“. Er nimmt meine Ängste ernst. Allerdings ist wichtig, dass er selbst vollkommen ruhig bleibt. Würde er nur sagen „ist nicht schlimm, stell Dich nicht so an“ oder würde er hektisch Platz um mich herum schaffen, würde er vermutlich alles nur noch schlimmer machen.

Allerdings würde ich solche Situtionen nicht "künstlich" schaffen; sie also nicht überreden sich dem auszusetzen sondern lieber abwarten, bis es sich von alleine ergibt (auf einer Geburtstagsfeier o.ä.). Wenn Du Deine Frau in eine für sie so unangenehme Situation hineindrängst, würde mich nicht wundern wenn sie das Vertrauen in Dich verliert und das die Ängste noch verstärkt weil sie dann ihren "Fels in der Brandung" verloren hat.

Solche Ängste können sich im Laufe eines Lebens übrigens mehr oder weniger spontan entwickeln, obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass es immer in irgendeiner Form einen Auslöser dafür gibt. Wenn Du bemerkst, dass die Ängste Deiner Frau sich verschlimmern und Du nichts dagegen ausrichten kannst, solltet ihr einen Besuch bei einem Psychologen in Erwägung ziehen. Menschen, die sich so sehr abkapseln dass sie kaum noch aus dem Haus gehen sind sicherlich alles andere als glücklich. Die Einschränkungen, die man sich mit der Angst selbst auferlegt, sind immens.

Ich würde auf alle Fälle sofort mit deiner Frau reden und ihr deine Hilfe anbieten, auch wenn du nicht viel für sie tun kannst außer sie zu unterstützen. Aber auf alle Fälle muss hier etwas gemacht werden. Ich habe selber eine sehr gute Bekannte die dieses Problem hat und damit ist nicht zu spaßen. Man kann sich selber nicht vorstellen wie das ist, wenn man nicht selber darunter leidet. Meine Bekannte bekommt Panikattaken, Atemnot und so weiter wenn sie unter vielen Menschen ist. Oder besser gesagt war, denn mittlerweile ist das Problem so halbwegs im Griff.

Das ganze nennt sich Agoraphopie und ist die Angst vor vielen Menschen. Sie sollte auf alle Fälle auf schnellsten Weg zu einem Psychologen gehen. Das ist auf alle Fälle immer ein schwieriger Schritt und du musst deine Frau da gut unterstützen. Meine Bekannte hat auch so lange damit gewartet bis es gar nicht mehr ging. Sie konnte ja nicht mal mehr aus dem Haus gehen. Also wartet bitte nicht zu lange damit. Sie wird dann vermutlich Tabletten oder eine Psychotherapie bekommen, je nachdem was bei ihr dann besser ist, das kann ich jetzt nicht sagen. Bei meiner Bekannten hat zum Beispiel das mit der Psychotherapie nicht funktioniert weil sogar der Therapeut schon zu viel war, aber seit sie jetzt die Tabletten nimmt ist es schon viel besser geworden und wir können sogar schon wieder ein wenig shoppen gehen.

Davor eine solche Situation mit vielen Menschen künstlich zu schaffen rate ich ab. Das kann komplett nach hinten los gehen und die Situation deiner Frau noch verschlimmern. Nach den Erfahrungen die ich mit meiner Bekannten gemacht habe kann ich nur empfehlen sofort zum Arzt zu gehen.